Liebe

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Engel geben niemals ihre Identität preis. Der Grund hierfür liegt nicht in einer Art Institution, die Strafen auferlegen könnte, sondern ist viel grundlegender.

Das alles war nicht seine Schuld gewesen, nein, er war da einfach so reingeschlittert und hatte mit den Konsequenzen leben müssen.

Das hier ist die Geschichte eines Jungen, eines Jungen namens Jonas. Jonas' Leben wäre nicht wirklich von Interesse, wäre da nicht dieser eine Tag gewesen.

Mit diesem fing alles an.

Jonas war in einem kleinen Dorf irgendwo in Deutschland aufgewachsen, als Kind besuchte er zuerst die Grundschule und dann das Gymnasium. Nun neigte sich seine Schulzeit dem Ende zu, doch vorher hatte er sich noch einmal mit seinen besten Freunden getroffen. Es war schon später Nachmittag, als die sechs im Park den Schatten einer Kastanie genossen und sich unterhielten. Es war immer noch heiß, obwohl die stärkste Mittagshitze schon nachgelassen hatte.

Dann, aus heiterem Himmel, tauchte Lara auf.

Jonas war immer noch unfähig, sich zu bewegen. Er starrte einfach in ihre Richtung.

Lara stand einfach nur da, sie hatte ihre Haare zurückgeworfen und blickte in die Richtung der kleinen Gruppe.

In diesem einen Moment erlebte Jonas die letzten vier Monate noch einmal durch, in allen fröhlichen und schmerzvollen Momenten.

Doch dann fasste er einen Entschluss. Einen Entschluss, der sein Leben verändern sollte.

Jonas stand auf, und langsam, mit bedächtigen Schritten, ging er auf Lara zu. So, als könnte ein einziger falscher Schritt sie verjagen.

Erst im Näherkommen konnte er sie richtig erkennen. Ein erneutes Kribbeln lief über seinen Rücken, als ihm wieder auffiel, wie schön sie war. Obwohl sie nicht lächelte, strahlten ihre grünen Augen so, als hätte sie noch nie etwas bekümmert, und so, als könnte nichts ihre Freude zerstören. Es zählte nur das Hier und Jetzt, alles andere war unwichtig.

Jonas machte einen Meter vor ihr Halt und blickte sie an. Lara war einen ganzen Kopf kleiner als er, doch das fiel bei dem Abstand nicht mehr so ins Gewicht. Außerdem war ihm das sowieso egal: Laras leichtes Grinsen hatte sich zu einem breiten Lachen gesteigert und sie strahlte auf eine Art, die nur sie fertig brachte.

Jonas hatte sich vor drei Sekunden überlegt, was er jetzt tun sollte, und er verhinderte, sich seine Entscheidung nochmal durch den Kopf gehen zu lassen. Alles, woran er in diesem Moment dachte, war Sarahs Ratschlag.

Er beugte sich leicht nach unten und küsste Lara.

Wenn es einen einzigen Grund gibt, am Leben zu sein, dann ist es der hier.

Eine geschlagene Minute standen sie so da. Lara hatte ihre Arme um seine Schultern gelegt und sich leicht auf die Zehenspitzen gestellt.

Dann lösten sie sich wieder voneinander. Ein breites Lächeln erschien auf Jonas' Gesicht.

„Du hast das schon provoziert, jetzt sag nicht, dass ich schuld bin."

Lara antwortete zunächst nicht. Ein leichter Wind kam auf und wehte ihr durch die dunkelblonden Haare. Dann sprach sie zum ersten Mal, und es war mehr als einen Monat her, dass Jonas zuletzt ihre Stimme gehört hatte.

„Wenn ich mich richtig erinner', ist das der einzige Grund, warum ich hier bin."

„Ach ja, aber warum überhaupt? Du hattest doch mindestens drei Stunden Fahrtweg."

„Ich war zufällig in der Nähe."

„Und das soll ich dir jetzt glauben."

Lara lächelte. „Ist mir egal."

Jonas nahm ihre Hand. „Mir auch."

„Hey, ihr zwei Turteltauben!" Es war Samuel gewesen, der soeben gesprochen hatte, er stand zehn Meter hinter Jonas auf der Wiese. Jetzt verfluchte sich Jonas dafür, alles andere vergessen zu haben. Richtig, es gab ja noch andere Menschen auf dieser Welt außer ihm und Lara. War ihm gerade aber auch egal.

„Wer ist das und was zum Teufel geht hier eigentlich vor sich?" Samuel sah sichtlich verwirrt aus.

Jonas musste lachen und drehte sich um. „Achso ja, stimmt, du hast ja keine Ahnung. Also, das ist Lara, meine..." Er stockte, unschlüssig, doch Lara drückte aufmunternd seine Hand.

„...meine Freundin."

Blue Angel - Eine kurze GeschichteOù les histoires vivent. Découvrez maintenant