Primrue Mellark 2 | Kapitel 32

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Konzentriert folgte ich Nex so gut ich konnte. Er bewegte sich flink und gekonnt, wodurch ich mich ihm gegenüber eher wie ein Elefant fühlte, anstatt einer guten Kämpferin. Wenn Nex wollte, hätte er wahrscheinlich schon mehrmals diese Spiele hier gewinnen können aber dann würde er seinen Vater in die Hände spielen. 
„Bist du noch da?“, flüsterte er kaum hörbar. 
Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Es war dämmrig hier und anscheinend war es ihm egal, dass ich schon einmal die Spiele gewonnen hatte.
„Ja, ich bin noch da.“
Dadurch, dass wir nur durch Gänge und Räume schlichen, die schlecht beleuchtet waren, verlor ich den Rest meines Zeitgefühles. 
Ich begann dadurch jetzt schon langsam wahnsinnig zu werden und versuchte mir vorzustellen, wie es Nex und Henna damit ging. 
„Wo sind alle?“, fragte ich ungeduldig. 
Dieses Gebäude konnte doch nicht so groß sein, dass wir keinen begegneten. 
„Die meisten haben alle ihre Verstecke und bleiben auch da. Solange zumindest einer herum läuft und jemanden tötet, reicht das Asu meistens.“
„Und wenn keiner herum läuft?“
Nex blieb stehen und schaute auf mich herab.
„Das willst du nicht wissen. Hier drin sind mehr Fallen versteckt, als es Räume gibt. Auch Mutationen hat er schon eingesetzt.“
Bei den Gedanken an Mutationen sah ich sofort Haymitch vor meinen Augen, wie die Klauen von so einen Monster seinen Oberkörper zerrissen. Wie er, blutend, in meinen Armen lag und Angst hatte. Wie sein Körper erschlaffte und das Leben aus ihm verschwand und damit auch ein Teil von mir.
„Tut mir Leid.“
Nex Stimme drang nur langsam zu mir durch. Anscheinend sah man mir meine Gedanken regelrecht an. 
„Ich wollte dich nicht daran erinnern.“
„Schon gut.“, erklärte ich krächzend, „Besser jetzt wissen, als von einer überrascht zu werden.“
Kurz schien mein Verbündeter zu versuchen, herauszufinden ob ich log. Entweder er schien einzusehen, dass er es nicht herausbekommt oder das es ihm reichte. 
Zumindest nickte er kurz und wollte gerade weiter gehen, als wir weit entfernte Kampfgeräusche hörten.
Sofort schoss Adrenalin durch meinen Körper und am liebsten wäre ich sofort losgestürmt, doch Nexs Hand hielt mich auf.
„Es könnte einer von meinen Leuten sein!“, bestand ich. 
Bitte nicht Cato. Der Gedanke ihn verlieren zu können war einfach zu viel. Ich durfte ihn nicht zu lassen. Musste konzentriert bleiben.
„Wir wissen nicht wie viele dort sind! Du kannst nicht einfach hereinstürmen.“, zischte Nex mir entgegen.
Brummend gab ich nach, wodurch er mich wieder losließ.
Weiter tasteten wir uns vorsichtig vor. 
Wir kamen in einen Raum, der in zwei Etagen aufgeteilt war. Nex und ich waren im Schatten der oberen, während die Kämpfenden in der unteren Etage waren.
Doch erst auf dem zweiten Blick erkannte ich, was mich an dem Bild störte. Der Großteil der Gestalten hielt sich zu gebeugt. Ihre Füße schienen zu kurz, ihre Arme dafür zu lange.
Gepeinigt stöhnte ich auf, als ich realisierte, was ich dort sah.
Mutationen.
Hatten wir darüber nicht gerade noch geredet?
Mussten es unbedingt Mutationen sein?
Sie wirkten mehr wie Riesenratten, die gelernt hatten auf ihren Hinterfüßen zu stehen; sich dabei immer aber mal wieder auf ihren riesigen Armen abstützen mussten. Erst jetzt entdeckte ich auch den passenden haarlosen Schwanz.
„Primrue.“ 
Nex flüsterte nur meinen Namen, doch riss mich damit aus meiner Starre.
Schwer atmete ich Luft ein. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass ich die Luft angehalten hatte, aber der Anblick der Mutanten hatte mich aus der Fassung gebracht.
Mein Blick huschte zu Nex. Meine Augen hatte ich dabei weit aufgerissen, doch ich konnte nichts dagegen tun.
„Okay?“ Die Stimme des großen Mannes neben mir klang unnatürlich sanft.
„Okay.“, krächzte ich leise.
Nex nickte kurz, bevor er fortfuhr.
„Kennst du ihn?“
Verwirrt sah ich ihn an, folgte dann aber seinen Blick.
Er meinte die Gestalt, die sich zwischen den Mutanten zur Wehr setzte, auch wenn er alleine keine Chance hatte. 
Seine Arme und Beine wirbelten so schnell hin und her, dass ich kaum etwas sah, doch sein kupferfarbenes Haar, würde ich überall wieder erkennen.
„Karlic.“, keuchte ich.
„Du kennst ihn.“, stellte Nex fest.
Ohne weiter Zeit zu verschwenden, legte er einen Pfeil in den Bogen und schoss. 
Er traf eine der Mutationen genau zwischen den Augen. Der nächste Pfeil flog sofort und genau so zielsicher hinter her und nicht nur ich, schaute ihn erstaunt an. Auch Karlic war einen kurzen Moment aus dem Konzept gebracht, was ihn einen Schlag in die Magengrube brachte.
Nex hatte schon den nächsten Pfeil abgeschossen und ich musste neidvoll feststellen, dass er es ohne Probleme mit meiner Mutter aufnehmen konnte.
„Willst du mich nur anstarren, oder ein bisschen helfen?“, knurrte er konzentriert.
Mein Blick wanderte wieder zu den Mutationen. Vier von ihnen lagen, dank Nex, tot am Boden. 
Doch waren da immer noch weitere Sechs, die nun mehr in uns die Bedrohung sahen, als in Karlic. 
Während bei dem Jungen aus Distrikt Neun nur eine Mutation zurück blieb, kamen die Anderen auf uns zu. 
Eine innere Stimme sagte mir, dass diese Mistviecher klettern konnte. 
Hier oben war jedoch nicht genug Platz. 
Also musste ich runter.
Ich verdrängte meine Erinnerungen an Haymitch und Dillian, während ich versuchte einzuschätzen, wie tief es nach unten ging.
Nex schoss einen weiteren Pfeil und streckte eine Rattenmutation nieder, als ich los rannte. 
Ich schaltete meinen Verstand aus und ließ meinen Körper übernehmen.
Meine Messer in den Händen, stieß ich mich kraftvoll von der Kante ab und landete auf der zweiten Rattenmutation, die nach oben klettern wollte. Ohne darüber nachzudenken rammte ich ihr die Messer zwischen Schulter und Hals, wodurch sie kreischend unter mir zusammen brach.
Ich gab mir nur wenige Sekunden, um mein Gleichgewicht zu finden, ehe ich herumwirbelte und der andere, bereits kletternden Mutation, das Messer in den Rücken jagte. 
Diese kreischte ebenfalls und wirbelte zu mir herum, wodurch sie das Gleichgewicht verlor und abstürzte. Gerade so konnte ich der Fellmasse ausweichen, ehe sie mich unter sich zerquetscht hätte. 
Ohne Mitleid nutzte ich es aus, dass sie auf den Rücken lag und versetzte ihr den Todesstoß. 
Ich hatte keine Verschnaufpause, da im nächsten Moment auch schon wieder ein Pfeil knapp an mir vorbeiflog. 
Hinter mir brach viel zu nah, irgendetwas zusammen. 
Mein Blick schoss zu Nex, der meinen Blick kurz erwiderte, bevor er eine weitere Mutation niederstreckte. 
Karlic hatte seine mittlerweile seine auch einigermaßen weich geprügelt, aber er schien keine Stichwaffen zu besitzen. 
Ich zog eines meiner Wurfmesser und warf dies auf die Mutation, die vor den Jungen aus Distrikt Neun zusammengebrochen war. Gleichzeitig flog ein weiterer Pfeil auf die letzte verbliebene Mutation, die gerade die Flucht antreten wollte.
Während in der einen Sekunde noch Kampflärm herrschte, war es in der nächsten fast unnatürlich still.
Ich konnte nur meinen keuchenden Atem hören und versuchte mich selber wieder zu beruhigen. 
Nex kam herunter geklettert. Sein Blick huschte schnell zu Karlic, bevor er zu mir kam.
„Alles in Ordnung?“
„Nicht einmal ein Kratzer.“, erklärte ich und stemmte mich nach oben, um zu den Diplomaten, der auf den Boden kauerte zu kommen. 
„Karlic? Bist du auch in Ordnung?“, fragte ich ängstlich. 
Ganz der Alte hielt er grinsend einen Daumen nach oben.
„Nur ein paar Kratzer. Ohne euch wäre ich Hackfleisch. Hätte nie gedacht, dass es gleich so schön ist dich wieder zu sehen Primrue. Und ich sehe du hast schon Freunde gefunden.“
Erleichtert viel ich neben ihn auf die Knie und drückte Karlic fest an mich. 
Er erwiderte die Umarmung, bevor er mich leicht von sich schob. 
Auf einmal war er komplett ernst.
„Was ist los?“ 
Eigentlich wollte ich es gar nicht hören, da es nichts gutes sein konnte aber ich hatte gelernt, dass verleugnen sowieso nichts bringt. Nur weil man etwas nicht hören wollte, war es nicht automatisch nicht passiert.
„Tut mir Leid, Primrue. Wir waren am Anfang im gleichen Raum. Er hat die ganze Zeit auf mich aufgepasst. Wahrscheinlich wäre ich nach fünf Minuten tot gewesen. Aber dann wurden wir von den Diplomaten aus Eins auseinander getrieben. Er hat den Kerl von mir weg getrieben.“
„Langsam Karlic.“, versuchte ich überhaupt irgendetwas zu verstehen. „Wer war mit dir im gleichen Raum? Hinter wem ist dieser Wahnsinnige her?“
Karlic blickte mich traurig an. Er wirkte fast enttäuscht von sich selber. Als hätte er versagt. 
„Cato. Er jagt Cato.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWhere stories live. Discover now