15|Überraschende Nachrichten und ein pinker Rollkoffer

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Liz

Als ich das Gartentor aufstoße fällt mein Blick sofort auf das Auto meines Vaters das mit offenem Kofferraum in der Einfahrt steht. Geht es meiner Mutter schlechter? Ich beschleunige meine Schritte und schließe mit zittrigen Fingern die Haustüre auf:"Dad? Was ist los? Ist was mit Mum?"

Mein Vater kommt aus der Küche:"Schrei hier nicht so rum verdammt! Und jetzt pack deinen Koffer wir fahren übers Wochenende mit den Andersons weg."                                                                       
Was? "Wie wir fahren weg? Mutter ist doch so einer Reise nicht gewachsen.", werfe ich verwirrt ein und schlüpfe aus meinen Schuhen.

"Genau deshalb wird sie auch nicht mitkommen. Eine Pflegerin kümmert sich um sie.", erwidert mein Vater mit ausdruckslos Miene.                                                                                                         
  "Du willst sie mit irgendeiner Fremden alleine lassen? Was ist wenn sie in der Zeit stirbt?", protestiere ich entsetzt.                                                                                                                                                   
  "Tu nicht so, als läge dir etwas an ihr!", mein Vater drängt sich an mir vorbei nach draußen.

Es tut weh das zu hören. Verdammt weh! Bevor mich die Tränen wieder überfallen, gehe ich in mein Zimmer und packe den Koffer obwohl ich nicht einmal weiß wohin es gehen soll.

Langsam nähere ich mich dem Bett in dem meine Mum mit noch blasserer Haut als gestern, liegt. Sie blickt mir aus ausdruckslosen Augen entgegen, naja eigentlich schaut sie nur starr geradeaus. Die letzten Tage hat sich ihr Zustand extremst verschlächtert und sie könnte jeden Momen aufhören zu atmen. Ich verstehe nicht warum mein Vater ausgerechnet jetzt wegfahren will. Seit Jahren hat er das Haus nur noch zum Einkaufen verlassen. Arbeiten tut er von hier aus. Warum jetzt also ein Wochenendtrip?

Ich strecke zögerlich meine Hand aus und streiche meiner Mutter übers Haar. Die wenigen blonden Strähnen die sie noch hat, sind dünn und fettig. Es ist nahezu unfassbar was aus einer einst so hübschen Frau geworden ist. Als ich meine Hand zurückziehe, halte ich ein büschel ihrer Haare in der Hand. Erschrocken weiche ich einige Schritte zurück.

"Sie fallen bei der kleinsten Berührung ab.", die Stimme meiner Mutter ist dünn und schwach.         "Ich...wollte nur auf wiedersehen sagen.", murmle ich.                                                                                  
    Es ist seltsam so etwas wie ein Gespräch mit meiner Mum zu führen. Sie spricht sonst kaum noch.

"Viel Spaß, Liz.", sie lächelt kurz und schließt dann erschöpft die Augen.

Das war es dann wohl mit unserer Unterhaltung. Ich schleiche mich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und hoffe, dass das nicht die letzten Worte meiner Mutter waren, die ich zu hören bekommen werde.

Ich schleppe mein Gepäck auf das Auto zu und hieve es in den Kofferraum. Dort befindet sich neben der Reisetasche meines Vaters schon ein pinker Rollkoffer. Ich habe den noch nie gesehen, gehört er vielleicht einer von Noahs Schwestern?

Mein Vater kommt auf mich zu:"Was stehst du hier noch rum? Setz dich ins Auto!"                              
                                                                           "Wem gehört der Koffer?", frage ich ungerührt und deute in den Kofferraum.

Dad zuckt nicht einmal mit der Augenbraue:"Lena."

"Wem?", vielleicht habe ich mich ja verhört.                                                                                                             
"Bist du taub? Der Koffer gehört Lena.", keift mein Papa und schlägt die Kofferraum Klappe zu.

Wer zur Hölle ist Lena?                                                                                                                                                    
   "Und wer bitteschön ist diese Lena?", ich weiß, dass es gefährlich ist in so einem Ton mit meinem Vater zu sprechen, aber die Nachbarn sind im Garten. Also kann ich das Risiko wohl eingehen.

"Ich bin Lena.", eine junge Frau taucht plötzlich neben meinem Vater auf.

Sie kann höchstens Ende zwanzig sein, hat braune, lange Haare die perfekt geglättet sind und trägt einen schwarzen Minirock, ein weißes Shirt mir Rückenausschnitt und Stiefel. Das Outfit ist definitiv zu kalt für Anfang Oktober. Ihr wahres Ziel ist also so viel Haut wie Möglich zu zeigen.

Zugegeben, sie sieht gut aus, aber hat viel zu viel Make Up im Gesicht. Wie auch immer, was hat diese Frau mit meinem Vater zu tun?                                                                                                                    
       "Aha, Und was haben sie hier zu suchen?", will ich von dieser Lena wissen.                                          

     Mein Vater antwortet an meiner Stelle:"Lena ist meine Arbeitskollegin und wir werden uns während dem Kurzurlaub um geschäftliche Dinge kümmern."

Geschäftliche Dinge? Seine Arbeitskollegin sieht mehr aus  wie die Art von Sekräterin die für ihren Chef den Rock fallen lässt. Mein Vater betrügt meine Mutter doch nicht, oder? Nein das kann ich mir nicht vorstellen. Schließlich hat er alles für Mum aufgegeben und tut alles dafür, dass es ihr besser geht. Vielleicht sagt er ja wirklich die Wahrheit und das hier ist rein geschäftlich. Ja, so muss es sein.

Ich werde meinem Vater diesen Urlaub nicht verderben. Wahrscheinlich wird es wirklich Zeit für ihn mal kurz aus unseren vier Wänden herauszukommen. Ich schenke seiner Arbeitskollegin ein schwaches Lächeln und öffne dann die Wagentüre.

Zwei Tage, weg von hier. Vielleicht tut uns das allen gut.                                                                                                                            

Sterben Muss Man SowiesoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt