20|Schokokuchen und ein Entschluss mit Folgen

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Liz

Mein Dad lenkt das Auto in unsere Einfahrt, der Motor erstickt und es herrscht eine noch unangenehmere Stille, als während der gesamten Autofahrt und die war schon unerträglich! Ich traue mich irgendwie nicht auszusteigen. Der Kurzurlaub ist vorbei, und jetzt? Wird diese Lena jetzt nach Hause fahren und mein Vater einfach in sein altes Leben zurückkehren? Oder wird er jetzt öfter auf Geschäftsreise gehen?

Eine Hand mit perfekt lackierten Fingernägel-es ist ein grauenvolles pink-wedelt vor meinem Gesicht herum:" Darling, würde es dir etwas ausmachen deinen Vater und mich noch einen Moment alleine zu lassen? Wir...haben noch was zu erledigen."

Lenas hohe Stimme bereitet mir Kopfschmerzen:" Kein Problem, ich bin nicht gerade scharf drauf euch beim Knutschen zu zuschauen!", ich greife nach meinem Mantel und verlasse den Wagen bevor einer der Beiden etwas sagen kann.

Ich weiß, dass ich jetzt eigentlich rein gehen und meine Mutter begrüßen sollte, aber erstens könnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass mein Dad nur ein paar Meter weiter mit seiner Arbeitskollegin rumknutscht und zweitens will ich nicht sofort wieder in die Stille unseres Hauses. Auch wenn der Wochenendtrip dank meinem Vater und seiner blonden Begleitung eher einem Horrortrip geglichen hat, hat mir die Auszeit doch gut getan. Zwei Tage einfach weg aus meinem tristen Vorstadtleben. Raus aus unseren kahlen Zimmern.

Vielleicht kann ich meinem Alltag ja noch ein paar Stunden entkommen?

Ich beschließe Noah eine Nachricht zu schreiben, ob er vielleicht mit mir in die Stadt will. Da mein Bester Freund gerade online ist, beginne ich schnell zu tippen.

Liz: Hast du Lust in die Stadt zu gehen? Ich will noch nicht in die Stille zurück...

Sofort färben sich die Haken der Nachricht blau, aber ich bekomme keine Antwort.

Eine Minute vergeht,

vielleicht muss er noch schnell die Koffer ins Haus tragen...

Zwei Minuten vergehen,

wahrscheinlich hat eine seiner Schwestern das Handy...

Drei Minuten vergehen,

was ist, wenn ihm was passiert ist....-Quatsch, was sollte denn passiert sein?!

Vier Minuten vergehen,

er ist immer noch online...

Fünf Minuten vergehen,

und endlich erscheint das Noah schreibt... auf meinem Display.

Noah: Sorry, heute nicht. Ich bin müde und mir ist nicht nach Stadttrubel, ich glaub ich hau mich nochmal aufs Ohr.

Falsch Liz, er hat einfach keinen Bog auf dich.

Quatsch! Es ist doch verständlich, dass er müde ist! Er macht sich immer zu viele Sorgen, vor Allem um mich.

Sonst hat er dich nie sitzen lassen, egal wie erschöpft er war!

Wütend auf die zweite Stimme in meinem Kopf, stapfe ich los. Ich kann auch alleine in die Stadt gehen!

**************

Es ist schrecklich kalt und ich bin echt froh, noch daran gedacht zuhaben, einen Mantel mitzunehmen. Leider habe ich meine Mütze nicht dabei und kann nur hoffen, dass ich morgen keine Ohrenschmerzen haben werde.

Es sind nicht viele Menschen auf der Straße, nur vereinzelt huschen in Jacken gehüllte Personen in den nächsten Laden oder warten auf den Bus. Langsam beginne ich an meiner Idee, in die Stadt zu gehen, zu zweifeln. Ob es die Erkältung, die mich die nächsten Tage wahrscheinlich begleiten wird, wert ist? Wohl eher nicht! Aber jetzt ist es auch schon zu spät.

Seufzend beschließe ich mir zumindest zum Aufwärmen einen Coffee to go zu gönnen. Also biege ich in die Straße zu meinem Lieblings Café ab. Die mit Torten und Keksen dekorierten Fenster leuchten mir einladend entgegen und ich beschleunige meine Schritte. Ich sehe das Heißgetränk schon förmlich vor mir.

Die Glöckchen über der Ladentüre klingeln, als ich zusammen mit der kalten Herbstluft die Konditorei betrete. Die Bedienung hinter der Theke lächelt mich freundlich an:"Was darf es denn sein?"

Ich erwidere das Lächeln und will mir gerade einen Cappuccino bestellen, als mein Blick auf einen der Bistrotische fällt. Erst denke ich, ich hätte mich geirrt, aber auch beim zweiten Blick ändert sich nichts. Es stehen immer noch die zwei selben Personen an dem Tisch. Dort, nur zwei Meter von mir entfernt, stehen Cassidy und Noah und teilen sich einen Schokokuchen.

Ich bin so perplex, dass ich einfach nur wie angewurzelt dastehe und die Beiden anstarre. Was machen sie hier? Noah meinte doch, dass er keine Lust auf Stadttrubel hat. Vielleicht bereiten sie ja ein Referat vor. Genau, siehst du irgendwo Schulbücher? Nein, tue ich nicht. Stattdessen sehe ich ganz deutlich wie sich mein Bester Freund zu Cassidy hinüber beugt.

Das ist der Moment in dem ich wieder anfange klar zu denken, ich drehe mich auf dem Absatz um und stürme aus dem Café. Ich höre wie mir die Barista hinter heruft ob ich denn jetzt nichts mehr haben möchte, ich sehe aus den Augenwinkeln Noahs entsetzen Gesichtsausdruck, als er mich bemerkt. Aber was sich für immer in mein Gedächtnis brennen wird, ist Cassidys überlegenes Lächeln.

Diesesmal finde ich die kühle Luft beinahe angenehm. Es fühlt sich an, als würde mich ein Alter Freund in die Arme nehmen. Aber leider ist die Wahrheit eine ganz andere. Der einzige der mich in den letzten Jahren in die Arme genommen hat, war Noah. Derjenige der nicht mit mir in die Stadt wollte, weil er anscheinend zu müde war. Aber auch gleichzeitig der Noah, der in unserem Stammcafé ist und sich mit hübschen Blondinen Schokokuchen teilt.

Hat es angefangen zu regnen , oder was läuft gerade meine Wangen hinunter?

Ich sollte aufhörem Noah die Schuld zu geben, denn es ist allein meine! Seit Jahren klammere ich mich an ihn wie an einen Strohhalm. Ich hab ihn zu meiner Stütze gemacht, ich habe es soweit getrieben, dass ich jetzt nicht einmal mehr ohne ihn gehen kann! Aber Noah ist nicht die Lösung für meine Probleme, er ist nicht das Medikament das meine Mutter heilt, er ist nicht die Psychotherapie die mein Vater und, wahrscheinlich auch ich, dringend nötig hätten.

Noah ist nur ein ganz normaler Teenager der seinen Spaß haben will. Er will im Scheinwerferlicht zu den angesagten Hits tanzen, er will sich mit Mädchen treffen und einfach sein Leben genießen! Aber ich passe da nicht rein. Ich war immer schon ein Klotz für ihn, nur ist er einfach zu nett, als das er mir das sagen würde. Aber damit ist jetzt Schluss! Ich werde ab sofort auf eigenen Beinen stehen, ich werde Noah nicht länger vom Leben abhalten!

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