Kapitel zehn: Erwachen

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MEROWEN

Ich rannte, während mein Atem vor mir in der kalten Luft verdampfte. Auch heute wurden wir von Cassian nicht verschont. Nachdem ich Nesta unter den wachsamen Blicken des Illyrianers einige Grundpositionen und Abwehrhaltungen mit einem Übungsschwert gezeigt hatte, ließ er uns ein weiteres Mal ein Lauftraining absolvieren.

Die Strecke war länger geworden, wir mussten den See heute einmal umrunden, bevor wir unser Training beenden konnten. Bereits jetzt spürte ich meine Muskeln noch vom Vortag; sie brannten bereits nach einigen Kilometern höllisch. Auch Nesta hatte zu kämpfen, weshalb wir stillschweigend ein etwas lockereres Tempo einlegten. 


Als die Sonne bereits langsam Richtung Westen wanderte, erreichten wir endlich den See.

Keuchend stützte Nesta ihre Hände auf die Oberschenkel und rang nach Luft. Auch ich brauchte eine Weile, bis sich mein Atem wieder beruhigt hatte.

"Dieser Bastard, ich bringe ihn um.", japste Nesta.

"Sagt mir nur wann und wo, und ich bin dabei.", stimmte ich lachend zu. Grinsend sahen wir uns an, während sich Nesta langsam wieder aufrichtete.

"Meinst du, man kann das Wasser trinken?", fragte sie noch immer leicht atemlos und warf einen skeptischen Blick auf die dicke Eisdecke des Sees, die am Ufer an einigen Stellen bereits getaut war. 

Ich zuckte mit den Schultern. "Das hier ist soweit ich weiß ein Süßwassersee, warum also nicht."

Auch ich bemerkte jetzt meine schmerzende Kehle, die durch das Laufen in der eisigen Luft trocken und rau geworden war. Etwas Wasser war eine gute Idee. Ich hauchte meine kalten Finger an und ging langsam zum Ufer, Nesta folgte mir. Dort kniete ich mich hin, schöpfte etwas Wasser in die hohle Hand und begann, zu trinken. Das kühle Wasser floss durch meine trockene Kehle und linderte das Brennen augenblicklich. Ich seufzte glücklich auf. Wenn wir nur den See nicht auch noch umrunden müssten. 

Da ich aber förmlich spüren konnte, wie Cassian uns aus der Ferne einen mahnenden Blick zuwarf, stand ich schon bald wieder neben Nesta.

"Lasst uns loslaufen, dann sind wir zumindest noch vor der Dunkelheit wieder in Windhaven.", sagte ich. Sie nickte nur und wir setzten uns wieder in Bewegung.

Schnell hatten wir einen gleichmäßigen Rhythmus gefunden und begannen, den See zu umrunden. Das leise Plätschern im Wasser, das uns zu folgen schien, bemerkte keiner von uns.


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Zwei Stunden später verfluchte ich Cassian im Geiste und bedachte ihn mit allen Schimpfwörtern, die ich in meinem Leben je gehört hatte. Was hatte dieser verdammte Kerl eigentlich für ein Problem? Die Runde um den See war fast schlimmer gewesen, als die Strecke davor. Es sah lächerlich einfach aus, aber ich war so oft auf vereistem Gras oder unter Schnee verdeckten Eisplatten ausgerutscht, dass ich nach dem zehnten Mal das Zählen aufgegeben hatte. Nesta hatte anfangs noch gelacht, aber auch sie war nicht verschont geblieben. Zugegeben, mein Gleichgewichtssinn war nicht der beste, aber ich verwettete meine Flügel darauf, dass Cassian die Strecke absichtlich gewählt hatte. Wenn er sich jemals auf den Trainingsplatz im Camp wagen sollte, konnte er sich auf was gefasst machen.

Während wir darauf warteten, dass uns Cassian abholte und nach Windhaven zurück brachte, kniete ich mich nochmals an das Ufer, um mein verschwitztes Gesicht zu waschen. Das Wasser war zwar eiskalt, jedoch angenehm erfrischend auf meinem vor Anstrengung geröteten Gesicht. Ich tauchte beide Arme bis zu den Ellenbogen ins Wasser und drehte mich kurz zu Nesta um. Diese war zögerlich etwas entfernt stehen geblieben. 

Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)Where stories live. Discover now