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Die Vorweihnachtszeit ist die schönste Zeit im Jahr. Die Besinnlichkeit, die ersten munteren Flocken in der trostlosen Umgebung. Die Möglichkeit, die alten Lieder auszupacken, ihnen zu lauschen und sich umgeben von himmlischen Düften dem Zauber hinzugeben.

In meiner Kindheit hatte ich diese Zeit nicht so glühend erwartet. Sicherlich mochte ich den Wechsel, aber ich hatte mich eher auf das gefreut, was noch in so weiter Ferne lag. Ich hatte die Stunden mit meinen Eltern und meiner Großmutter geschätzt, das gemeinsame Backen und Singen. Dennoch hatte ich die Tage bis zu jenem Abend gezählt und dabei die ersten Dezemberwochen völlig außer Acht gelassen. Dabei bringen diese ebenso viel Freude und Glück mit sich. Dass Vorfreude die schönste Freude ist, habe ich erst später verstanden.

Ich schwinge meine Hüfte zum Klang von Mirah Carys All I want for christmas is you hin und her und achte darauf, jeden Muffin mit dem gleichem Abstand zum vorherigen aufzustellen. Zusammen auf dem weißen Untergrund ergeben sie mit ihrer dunklen Farbe und dem weißen Puderzucker ein wunderschönes Bild, das ich am liebsten verewigen möchte.

Aber ich habe keine Zeit dafür, die Schönheit des Gebäcks einzufangen. Es ist beinahe drei Uhr am Nachmittag und wie jeden Tag um diese Zeit beginnt sich das Café allmählich zu füllen. Also nehme ich das leere Blech von dem Tresen und trage es nach hinten in die Backstube, um es im Waschbecken mit Wasser grob zu reinigen.

„Möchtest du den Lebkuchen auch in die Vitrine stellen?" Bei dem Klang einer weiteren Stimme horche ich auf. Ich greife nach einem Handtuch mit Weihnachtsmotiven und säubere mir die Hände.

„Ich habe gedacht, wir könnten sie auf den Etageren platzieren. Solange wie die restliche Dekoration noch nicht da ist glaube ich, dass sie ein guter Ersatz wären. Unsere Gäste können sich frei an ihnen bedienen, wenn sie möchten. Wir haben genug von ihnen", schmunzle ich und deute mit dem Kopf in Richtung Ofen. Die letzte Ladung kleiner Lebkuchenmänner backt gerade in diesem vor sich hin und erfüllt die Stube mit Wärme und Aromen, die ich über das Jahr so vermisst habe.


Brianna, meine beste Freundin und einzige feste Angestellte, nickt einverstanden. „Du hast recht. Es wird ein wunderbares Bild ergeben. Vielleicht finde ich noch ein paar Lichterketten, um die einzelnen Etagen ein wenig aufzuwerten", fügt sie meiner Überlegung nachdenklich hinzu. Sie beugt sich nach vorne, um aus den unzähligen Kartons die angesprochenen Etageren herauszusuchen.

Als sie wieder aufblickt, hat sich ein Lächeln auf ihre rosa Lippen geschlichen. „Ich habe es wirklich unglaublich vermisst, das Café für Weihnachten zu schmücken. Die Gäste zu begrüßen und zu sehen, wie die Augen der Kinder zu leuchten beginnen", sinniert sie und streicht sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Ihre Korkenzieherlocken machen es ihr Zusehens schwer, sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Widerspenstig legen sie sich immer wieder vor ihre Augen. Ich für meinen Teil wäre lange verzweifelt, aber sie scheint sich daran gewöhnt zu haben. Ein wenig kann ich auch verstehen, dass sie es in Kauf nimmt. Ihre Haare zu glätten und so ein wenig Ruhe zu haben, würde in der Summe mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Brianna macht sich daran, die Lebkuchenmänner zu platzieren und zieht dabei die Brauen zusammen, als widme sie sich einer unlösbaren Aufgabe. Die Perfektion die in ihr schlummert lässt ihr schönes Gesicht härter wirken, aber ich kann den weichen Kern in ihren Augen funkeln sehen.

Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich sie beobachte und mich frage, wie eine so hübsche, junge Frau noch nicht in festen Händen sein kann. Ich verstehe nicht, dass niemand ihre Schönheit erkennt. Ihr dunkler Teint, gepaart mit den dunklen Augen und Haaren machen sie unwiderstehlich. Sie hat weibliche Kurven, auf die ich unglaublich neidisch bin und ist die Freundlichkeit in Person. Das Aussehen kann oberflächlich betrachtet werden, doch in dem Charakter eines Menschen kann man sich nicht irren. Wenn Brianna nicht mit ihrem Aussehen Punkten kann, dann definitiv mit ihrem einzigartigen Charakter.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt