Act One

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Eine leichte Briese wehte über die über die Landschaft und brachte die satten grünen Blätter der Bäume zum rascheln. Der Gesang der Vögel kündete von einem angenehm warmen Spätsommertag und das Zirpen der Zikaden führte zu einer entspannten Stimmung.

Die einlullende Atmosphäre wurde durch ein regelmäßiges Stampfen und Keuchen unterbrochen. Am Straßenrand erschien eine dunkle Silhouette die wie ein Uhrwerk im Takt der eigenen Schritte auf und ab wippte. Die Arme waren leicht angewinkelt und bewegten sich passend wechselseitig vor und zurück. Der Eigentümer der Silhouette trug eine schwarze lange Jogginghose, ein weißes T-Shirt und hatte sich eine Sporttasche um seinen Körper geschlungen. Der Trageriemen rieb bei jedem Schritt an der ausgeprägten Brustmuskulatur, was dazu führte, dass das Shirt ein klein Wenig auf und ab rutschte. Die körperliche Aktivität gepaart mit den immer noch hohen Temperaturen sorgten für einen dünnen Schweißfilm auf der Haut des Joggers. In unregelmäßigen Abständen sammelte sich die Flüssigkeit an verschiedenen Körperpartien und bildete Tropfen die sich ihren Weg in Rinnsalen am Körper herab suchten. Trotz der Anstrengung floss der Atem des Läufers gleichmäßig, zwar in erhöhtem Tempo jedoch nicht angestrengt.

Ein plötzliches schrilles Klingeln durchriss die harmonische Atmosphäre und ließ den jungen Mann erschrocken zusammenfahren. Die Schritte gerieten aus dem Rhythmus und er stolperte einige Meter nach vorne um nicht mit ausgestreckten Armen auf die Straße zu fallen. Das Klingeln wiederholte sich und wurde begleitet von einem hohen, durchdringenden Schrei: „Heeeeeeeeeeeeeey! Kageyamaaaaaaaaa!" Der Angesprochene blieb stehen und drehte sich entnervt um. Ein paar hundert Meter vor ihm machte er eine kleine Figur auf einem Fahrrad aus die wie verrückt in die Pedale trat. Die kurze schwarze Jogginghode uns das, wie bei ihm, weiße T-Shirt flatterten im Fahrtwind. Auf dem Gepäckträger klemmte ein Umhängetasche und um die Hüfte des Fahrers war eine schwarze Sportjacke gebunden. Das auffälligste Merkmal bildeten die hellen Haare, die unordentlich und durch den Wind gepeitscht um den Kopf der Gestalt wehten. Das Fahrrad näherte sich in rasender Geschwindigkeit und erst kurz bevor es Kageyama überrollt hätte stieg der jetzt deutlich sichtbare kleinere Junge in die Bremsen. Das Gefährt kam mit einem lauten Quietschen nur wenige Zentimeter vor den Schuhspitzen des Läufers zum Stehen.

„Guten Morgen! Ich bin extra früh los damit wir vor dem Training noch Aufschläge üben können", flötete der hellhaarige Wuschelkopf und strahlte sein Gegenüber an. Kageyamas zusammengezogene Augenbrauen lockerten sich wenige Millimeter angesichts der hehren Absichten des Knirpses seine grottigen Aufschläge zu verbessern. Nichts desto trotz verschränkte er die Arme und musterte den Kleinen von oben bis unten. „Und das macht dein Geschrei am frühen Morgen besser? Es ist ja wohl selbstverständlich, dass du vor dem regulären Training noch selber übst. Da wäre übrigens nicht nur der Aufschlag, deine Annahmen sind ebenfalls noch immer eine mittlere Katastrophe."

Der Radbesitzer zog schmollend die Unterlippe nach vorne und starrte den Schwarzhaarigen mit bösem Blick an. „Musst du mir das immer so ins Gesicht knallen? Wie wäre es mal mit einem netteren Tonfall? Sowas wie: Hinata, an deinen Annahmen gibt es noch ein wenig was zu verbessern, aber im Großen und Ganzen bist du schon richtig gut geworden. Also Suga lobt mich ja ..." Hinatas Ansprache wurde durch ein abfälliges Auflachen unterbrochen. „Ein WENIG verbessern? Im Moment kannst du nicht mal jeden dritten Aufschlag von mir annehmen. Das erscheint mir ein WENIG zu schlecht." „Kageyama du Idiot! Halt den Mund! Ich wird es dir schon zeigen! Und als aller erstes schlag ich dich im Wettrennen, ich bin als Erster an der Turnhalle!" Mit diesen Worten riss der Hellhaarige den Lenker seines Rads herum und trat kräftig in die Pedale. „Hey!" Kageyama drehte sich gehetzt hinter dem Davonfahrenden her und bevor und setzte zum Sprint an. „Das ist unfair! Du hast ein Fahrrad verdammt nochmal!" Mit der Hoffnung, das Abschließen des Rades würde einiges an Zeit wieder wett machen mobilisierte er seine ganze Kraft um die restliche Strecke zur Schule so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Der Weg war nicht mehr weit, aber die Oberschenkelmuskulatur des kleineren Spielers waren durch das ständige Bergfahren stark ausgeprägt und obwohl Hinata auf einem klapprigen Damenrad saß ließ seine Geschwindigkeit davon nichts vermuten. Kageyamas Atem ging schnell und kurz vor dem Schultor brannten seine Lungen wie Feuer. Er würde sich niemals die Blöße geben hinter diesem Knirps zurück zu bleiben. Ohne an Geschwindigkeit nachzulassen sprintete er durch das Schultor, bog scharf ab Richtung Turnhalle und sah in dem Augenblick wie ein Haarschopf, der in Flammen zu stehen schien aus Richtung des Fahrradständer angerannt kam. Wenn er nur noch etwas mehr Tempo aufbringen konnte hatte er eine Chance zu gewinnen. Seine Beine brannten und seine Lunge schien ihm jeden Moment aus der Brust springen zu wollen, dennoch schaffte es der Dunkelhaarige sein Tempo noch zu steigern. Die beiden Kontrahenten liefen jetzt auf etwa gleicher Höhe auf die Tür der Turnhalle zu. Der Siegeswille des Kleineren schien genauso ausgeprägt zu sein wie der seines Gegners. Und vielleicht sogar noch etwas mehr, denn während Kageyama kurz vor Erreichen der Hallentür sein Tempo etwas verringerte um rechtzeitig bremsen zu können sprang der Rotschopf vor den Stufen zum Eingang ab und landete, anstatt nur die Tür mit seinen Händen abzuklatschen, mit voller Breitseite gegen der massiven Barriere. Der Größere blieb erschrocken stehen und überwand dann schnell die wenigen Meter die ihm von dem am Boden kauernden Bündel trennten. „Hinata! Alles in Ordnung?", fragte er mit verunsicherter Stimme. Er konnte das Gesicht des am Boden Liegenden nicht sehen. Dieser lag zusammengekrümmt da und hatte die rechte Hand an seine linke Schulter gepresst. Nach wenigen Sekunden, in denen Kageyama hilflos vor dem anscheinend Verletzten stand, kam Bewegung in das Häufchen und ein breites Grinsen erschien in seinem Sichtfeld. „Ich hab gewonnen", kam es, wenn auch leicht gepresst, von Hinata. „Hinata, du Idiot! Was zur Hölle? Ist deine Schulter verletzt? Weißt du eigentlich was das für Folgen haben kann? Wenn deine Schulter jetzt geprellt ist und du nicht trainieren, ganz geschweige von spielen kannst, was meinst du wie gearscht wir dann sind? Denkst du eigentlich auch mal nach?!" Die Erleichterung über die offensichtliche Unversehrtheit seines Teamkameraden machte ungehaltener Wut Platz. In seiner Raserei packte er den Kleinen am Kragen seines T-Shirts und schüttelte ihn. „Hör aaaaauf! Ist ja gut! Beruhig dich!" Die Worte des Wuschelkopfs kamen intervallartig aus seinem Mund geleitet durch die Schüttelbewegung. Der Größere hielt inne, ließ jedoch nicht los und schloss die Augen. Nach einigen tiefen Atemzügen wurde der Zorn weniger und sein durch zuvor durch Wut und Ärger vernebelter Verstand wurde wieder klarer. Er lockerte den Griff um Hinatas Kragen und trat einen Schritt zurück. Der Rothaarige rappelte sich gerade auf und klopfte sich den Staub von seiner Kleidung. Vorsichtig schielte ein helles Augenpaar zu dem Zuspieler hoch. „Ich wollte nicht meine Hände zum Abfangen nehmen, entschuldige. Bei mir ist alles in Ordnung", kam es leise murmelnd von ihm. Kageyama betrachtet die unterwürfige Haltung und musste an einen gescholtenen Chihuahua denken. Süß, ging es ihm durch den Kopf. Innerhalb von wenigen Millisekunden realisierte er, was ihm da gerade in den Sinn gekommen war und seine Wangen nahmen eine hellrosa Färbung an. Hatte er gerade seinen Volleyballpartner als süß bezeichnet? „Kageyama? Alles in Ordnung mit dir?" Der Kleinere hatte sich mittlerweile ganz aufgerichtet und sah ihn nun mit schief gelegtem Kopf und einer hochgezogenen Augenbraue an. Kageyama musste innerlich schmunzeln, jetzt sah Hinata noch mehr wie ein kleines Hündchen aus. Der Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen wurde etwas weicher, wenn auch nicht wesentlich. „Denk beim nächsten Mal vorher nach", gab er in einem nicht mehr ganz so scharfen Ton von sich und wand sich von seinem Mitspieler ab um die Hallentür aufzuschließen. 

Sweet Summer-Dream (mit 🍋Extra) Where stories live. Discover now