Act Five

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Mit schwarz geränderten Augen kaute er lustlos auf einem Toastbrot rum. Die letzte Nacht war alles andere als erholsam gewesen. Doch zumindest war die Panik verflogen und Kageyama hatte ein wenig Ordnung in seine Gedanken bringen können. Die Vorkommnisse des letzten Tages einschließlich des schockierenden Ereignisses der Nacht wirkten auf ihn wie ein böser Traum. Gedankenverloren schob der Schwarzhaarige sich den letzten Bissen Brot mit Marmelade zwischen die Zähne. Er musste sich jetzt erst mal ein klares Bild von seiner Lage verschaffen und das was er hierfür brauchte war etwas Zeit und Abstand. Ein kurzer Blick auf die Küchenuhr verriet ihm, dass er noch zwei Stunden Zeit hatte bis das Morgentraining begann. Normalerweise würde er nach dem Frühstück los joggen, um vorher noch etwa anderthalb Stunden mit Hinata allein zu trainieren. Der Rotschopf benötigte ungefähr eine halbe Stunde mit seinem klapprigen Damenrad zur Schule, also würde er vermutlich demnächst losfahren. Kageyama schnappte sich sein Handy und tippte eine kurze Nachricht: ‚Oi, ich muss was für meine Mutter erledigen. Komme erst zum regulären Training'. Er drückte auf den Senden-Button und ließ das flache Gerät wieder in seine Tasche gleiten. Schnell kippte er die letzten Schlucke Milch herunter verstaute das verwendete Geschirr in der Spüle. Als er sich auf den Weg in sein Zimmer machte spürte er eine Vibration in seiner Hosentasche. Vermutlich die unglückliche Antwort des kleinen Mittelblockers. Zunächst versuchte er den Drang zu unterdrücken seine Nachrichten sofort zu überprüfen, konnte dann jedoch nicht widerstehen. Er blickte auf das Display und lächelte gequält. ‚Waaaaas? Och nö ... Ich wollte den Aufsteiger üben. Beeil dich, vielleicht schaffst du es dann doch noch etwas früher! Bis nachher :)' In der Brust des Dunkelhaarigen schienen bei diesen Worten zwei Lager in entgegengesetzte Richtungen zu zerren. Er würde nichts lieber machen als mit dem kleinen Wuschelkopf zu trainieren, ihm zuzuspielen und ihn bei seinen waghalsigen Manövern beobachten. Doch neben diesem euphorischen Gefühl machte sich Angst breit. Angst sich zu verraten, einen kleinen Hinweis auf seine Gefühle zu entblößen und damit alles zu verlieren, was er sich so mühsam erkämpft hatte. Kopfschüttelnd steckte er das Handy wieder ein, ohne eine Antwort verfasst zu haben. Alles zu seiner Zeit.

Auf seiner Laufstrecke zur Schule kam er an einem kleinen Wäldchen vorbei. Wenn man sich etwa hundert Meter durch das Gestrüpp kämpfte erreichte man einen kleinen Tümpel. Kageyama hatte ihn einmal zufällig entdeckt als er beim Joggen von einem ausgerissenen Hund verfolgt wurde und sich in das dichte Geäst flüchten musste. Nicht unbedingt seine Glanzstunde ... Doch die zunächst beängstigende Situation stellte sich als wahrer Glücksmoment heraus. Bisher hatte er noch keine andere Person an dem verträumt daliegenden Gewässer angetroffen und durch die dichten Bäume war der Platz von Geräuschen weitestgehend abgeschirmt. Immer wenn er Ruhe zum Nachdenken brauchte kam er hier her.

Der Zuspieler hatte sie direkt nach dem Frühstück seine Training- und Schulsachen geschnappt und war die Strecke bis zum Wäldchen im zügigen Tempo gelaufen. Gerade hatte er es sich auf einem umgekippten Baumstamm bequem gemacht und starrte die durch die Sonneneinstrahlung glitzernde Oberfläche des kleinen Tümpels an. Die Temperaturen waren angenehm, die Sonne hatte es noch nicht geschafft an diesem schattigen Plätzchen die Bodenfeuchtigkeit zum Verdunsten zu bringen und somit blieb ihm die schwüle Hitze, die sich vermutlich gegen Mittag einstellen würde, erspart. Einige kleinere Vögel tummelten sich an der Wasserstelle, tranken, badeten oder schnappten nach den über der Wasserfläche schwirrenden Insekten. Ein langsam anschwellendes Summen kündete davon, dass der Wald zu erwachen begann. Kageyama hatte die Ellbogen auf seinen angewinkelten Knien platziert und den Kopf in die Hände gelegt. So, jetzt ein Gedanke nach dem anderen. Warum stelle er sich Hinata vor während er masturbierte? Bei der Erinnerung erröteten seine Wangen. Er schüttelte den Kopf, blieb jedoch bei der Frage. Bis jetzt hatte er sich immer etwas vorgestellt, was ihn erregte. Also wäre es nur logisch die Annahme zu treffen, dass der kleine Wirbelwind im erotischen Sinne anziehend auf ihn wirkte. Der Dunkelhaarige zog eine Augenbraue hoch. Die Vorstellung von Hinata zwischen seinen Beinen hatte ihn definitiv erregt, und zwar so sehr, dass unmittelbar einen Orgasmus erlebt hatte. Die Frage war, warum ist das so? Zugegeben, der Kleinere besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit dem rotblonden Modell aus dem Schmuddel-Heftchen, war es vielleicht nur eine Verwechslung gewesen? Kageyama legte den Kopf in den Nacken und versuchte sich die Situation aus seiner Vorstellung erneut ins Gedächtnis zu rufen. Nein, er hatte ganz klar erkannt, dass es sich zum Schluss um Hinata handelte und hatte auf ihn reagiert. Vielleicht fand er nur sein Gesicht attraktiv. Er mochte ja sein Lächeln so gerne, das könnte eine Erklärung sein. Wie könnte er diese Theorie testen? Wenn er sich Hinatas restlichen Körper vorstellte und darauf keine Reaktion zeigte währe die Annahme bestätigt. Er versuchte seine Vorstellungskraft anzukurbeln und sich den kleinen Rotschopf nackt ins Gedächtnis zu rufen. Er musste dabei nicht mal mit besonders viel Fantasie aufwarten, immerhin hatten sie nach dem Training oder nach Spielen häufiger in den Gemeinschaftsbädern der Turnhalle geduscht. In Gedanken glitt sein Blick an dem schmalen Körper entlang. Auch wenn der Knirps in seinen weiten Trainingsklamotten nicht so aussah, seine Muskulatur war auffallend gut definiert. Zwar war er bei weitem nicht so breit gebaut wie beispielsweise Asahi oder Daichi, aber dafür wies sein Körper die Zähigkeit eines Langstreckenläufers auf. Kein Gramm zu viel behinderte ihn bei seinen enorm hohen Sprüngen. Kageyama ließ seinen Blick über die Schultern des kleinen Mittelblockers streifen, blickte an der geraden Rückenlinie herab und blieb schließlich an der wie zwei weiße runde Milchbrötchen geformten Körperstelle hängen. Bei den meisten Volleyballspielern wirkte der Hintern fest und war scharf definiert, da die Muskulatur bei Springen und Sprinten stark beansprucht wurde. Bei Hinata hätte das ähnlich sein müssen, bei ihm wirkte die Rückseite jedoch wie zwei saftige, überreife Pfirsiche. Der Dunkelhaarige streckte in seiner Vorstellung die Hand aus und strich über die weiche Haut. Sie fühlte sich anders an als seine, angenehm warm. Was würde der Kleine wohl machen, wenn er ihn beim nächsten Duschen tatsächlich so berühren würde? Vermutlich erschrocken auf quietschen und ihn beschimpfen. Kageyama lächelte, das würde zu ihm passen. Er versuchte sich die Situation vorzustellen. Doch anstatt eines hohen Kreischens gab der Hinata in seiner Fantasie einen mühsam unterdrückten Laut von sich und blickte ihn mit geröteten Wangen scheu über die Schulter hinweg an. ‚Kageyama ... Ein bisschen weiter unten ...?', kam es leise gehaucht von dem Rotschopf. Der Zuspieler riss die Augen auf und lief im ganzen Gesicht knallrot an. Bei dem Gedanken hatten sich die Elektrostöße von gestern wieder gemendelt und Samba in seiner Körpermitte getanzt. Es war schwer abzustreiten, er schien nicht nur Gefallen an Hinatas Gesicht gefunden zu haben. Er klatschte sich die Handflächen gegen die Wangen und atmete tief ein und aus. Nun gut, die Frage wäre geklärt. Er fand den Knirps also attraktiv ... vielleicht auch ein bisschen mehr als das. Und was hieß das jetzt konkret? Er fand auch einige Mädchen an seiner Schule attraktiv, bekam jedoch nicht jedes Mal einen Herzkasper, wenn sie ihn ansprachen oder sich zufälligerweise ihre Fingerspitzen berührten. Auch das warme, fluffige Gefühl blieb aus, wenn er sie betrachtete oder die Angewohnheit dümmliche Gesichtsakrobatik ausführen zu müssen. Kageyama schnappte plötzlich nach Luft. Er erinnerte sich schlagartig an ein Gespräch, welches er vor wenigen Wochen mit seiner Mutter hatte. Sie war mit einer Freundin im Kino gewesen und hatte sich irgendeine Liebesschnulze angesehen. Sein Vater hatte sich rechtzeitig ins Arbeitszimmer retten können und so bekam er die volle Breitseite verträumte Schwärmerei ab. Sie hatte das Verhalten des Hauptprotagonisten genauso beschrieben wie er es gerade zeigte. Und der Grund war, er hatte sich in eine hübsche Arbeitskollegin verliebt. Verliebt... Oh nein. Er schluckte trocken. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, ergab das durchaus Sinn. Zumindest hatte er sich Verliebtsein annähernd so vorgestellt. Der Schwarzhaarige ließ sich an dem Baumstamm herunter gleiten und landete mit dem Hintern im weichen Moos. Er war verliebt in seinen Volleyballpartner. Mal abgesehen von dem offensichtlichen Geschlechterproblem ergaben sich damit noch ganz andere Schwierigkeiten. Wie sollte er jemals wieder normal mit Hinata zusammenspielen können? Er verharrte einige Sekunden bei diesem Gedanken, dann kam ihm eine Idee. Es gab viele Leute, die nicht ihre erste Liebe heirateten. Also musste man sich auch irgendwie wieder entlieben, vermutlich einfach mit der Zeit. Er musste gar nicht ewig so durchhalten, sondern nur eine Weile, bis dieses komische Gefühl nachließ. Ermutigt von seiner Schlussfolgerung sprang er auf. Das würde er hinbekommen. Was waren schon ein paar Wochen unruhiger Schlaf, kein Problem für ihn. Erleichtert griff der große Zuspieler sich seine Tasche und machte sich auf den Weg zurück zur Straße. Nachdem er das Gestrüpp hinter sich gelassen hatte lief er beschwingt los Richtung Schule. Zum Morgentraining schaffte er es noch locker und wenn er ein wenig Glück hatte war einer der Drittklässler auch schon da. Dann hätte er zumindest etwas emotionalen Beistand, um mit dem Wuschelkopf zurecht zu kommen. Nur ein paar Wochen, er war sich ganz sicher, und dann war der Spuk vorbei.


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Hallo ihr Lieben,

ich hoffe euch gefällt die Story bis hier hin. Lasst mir gerne den ein oder anderen Kommentar da, das würde mich sehr freuen :)

Liebe Grüße

Sweet Summer-Dream (mit 🍋Extra) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt