Act Three

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Frustriert ließ sich der schwarzhaarige Zuspieler auf die Eingangsstufen der Turnhalle sinken. Den heutigen Tag hatte er sich definitiv anders vorgestellt. Nach dem Zwischenfall am Morgen war seine Konzentration den ganzen restlichen Vormittag so gut wie nicht vorhanden gewesen. Sowohl seinen Angriffen fehlte es am Wumms als auch seinem Zuspiel an Präzision und das war etwas, was in unglaublich ärgerte. Genervt biss er auf dem Verschluss seiner Trinkflasche herum, setzte sie jedoch vom Mund ab als er bemerkte, dass er damit nur Bissspuren auf dem weichen Plastik hinterließ. „Oha, gibt es Probleme im Königreich Kageyama?", vernahm er eine spöttische Stimme in seinem Rücken. „Halt die Klappe Tsukishima", fauchte der Erstklässler, ohne sich nach dem Störenfried umzuschauen. „Ja ja, die Untertanen begehren auf, wenn man ihnen nicht ab und zu ein Zuckerstück zuwirft und die Peitsche liegen lässt", gluckste die vor Sarkasmus triefende Stimme des großen Mittelblockers. Wütend wollte Kageyama ihm eine Erwiderung entgegensetzen, merkte jedoch in der Drehbewegung, dass sich sein Teamkollege bereits wieder entfernt hatte. Wütend blickte er sich in der Halle um und blieb an einer kleinen Gestalt hängen. Hinata feuerte freudestrahlend den noch kleineren Libero der Mannschaft an. Nishinoya war gerade dabei seine Annahmen durch mehrere Seitwärtsrollen zu verzieren, was außer ihm selbst und dem kleinen Rotschopf niemand als wirklich trainingsförderlich ansah. Im Magen des Dunkelhaarigen breitete sich erneut ein Kribbeln aus. Auch wenn er es niemals laut zugeben würde, er liebte das kindisch freudige Lachen des Knirpses. Nachdenklich ließ er den Kopf gegen den Türrahmen sinken. War das normal? Eigentlich sah er nichts Verwerfliches daran das Lachen einer Person zu mögen. Hinatas freudestrahlendes Gesicht war ein wenig wie warme Sonnenstrahlen nach einem langen wolkigen Tag. Es spendete Wärme und machte alles etwas leichter. Das konnte ja nicht nur er so empfinden. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass man glücklicher wird, wenn jemand einen anlächelt, denn das Gehirn denkt „Ah, da ist jemand glücklich, also muss das eine freudige Situation sein, also bin ich auch glücklich". Spiegelneuronen hießen die Dinger oder so ... Also war es gar nichts Ungewöhnliches, dass es ihn glücklich machte das Lachen des Wuschelkopfes zu sehen. Das würde aber auch bedeuten, dass der gleiche Effekt bei jeder anderen Person genauso eintreten müsste. Um seine Theorie zu überprüfen wand er den Kopf in Richtung Sugawara und dem großen Ass des Teams, welche in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Der silberblonde Junge lachte plötzlich fröhlich auf und klopfte Asahi auf die Schulter. Kageyama betrachtete die Situation einige Augenblicke, nur um festzustellen ... da passierte absolut gar nichts. Kein Kribbeln, kein angenehm leichtes Gefühl im Kopf, kein Drang dämlich vor sich hin zu grinsen. Nur um ganz sicher zu gehen drehte er sich wieder zu den beiden kleinsten Spielern des Teams und beobachtete Hinata dabei, wie er versuchte Nishinoya nachzuahmen. Die Seitwärtsrolle bekam er hin, konnte dann jedoch den Ball nicht mehr annehmen. Kageyama grinste, dieser kleine Quatschkopf machte nichts als Unsinn. Erschrocken fuhr der Zuspieler zusammen. Normalerweise währe das kein Grund zum Grinsen, im Gegenteil. Er sollte sauer darüber sein, dass sein Partner die kostbare Trainingszeit mit so einem Schwachsinn verbrachte. Was war nur mit ihm los? Hatte er plötzlich einen Durchbruch in Sachen Empathie erlangt? Aber warum ging ihm das dann nur mit dem kleinen Rothaarigen so? Naja, mit ihm verbrachte er am meisten Zeit. Hinata hatte ihm bewiesen, dass er ihm im wahrsten Sinne des Wortes blind vertraute und er versuchte sein Bestes dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Da war es nicht so abwegig, dass ihre Beziehung, über die von normalen Teamkameraden hinaus ging. Oder nicht? Tief in Gedanken bemerkte er nicht, wie ihm verlegene Blicke zugeworfen wurden. Der kleine Mittelblocker hatte aufgehört mit Nishinoya rumzualbern und das dunkle Augenpaar, welche nun schon eine ganze Weile auf ihn gerichtet war bemerkt. Bildete er sich das ein oder starrte Kageyama ihn wirklich an. Nein, kein Zweifel, der starre Blick war genau auf ihn gerichtet. Mit aufkommendem Unbehagen trippelte er ein paar Schritte nach rechts und wieder nach links, die dunklen Augen verfolgten ihn jedoch weiterhin. Um der komischen Situation ein Ende zu bereiten stapfte der kleine Spieler direkt auf seinen Partner zu. „Hey, Kageyama", nuschelte er bei ihm angekommen, „hör auf mich so anzustarren. Das macht mich ganz nervös". Der Schwarzhaarige schrak aus seinen Gedanken hoch und blickte dem anderen verwirrt ins Gesicht. Dieses war rötlich angelaufen und eine Falte hatte sich zwischen den hellen Augenbrauen gebildet. „Was?", fragte er dümmlich. Der Kleinere blies verärgert die Wangen auf. „Du sollst aufhören mich so anzustarren. Was soll denn das? Hab ich was im Gesicht?" Noch nicht ganz im Hier und Jetzt wieder angekommen hob der Zuspieler eine Hand an die Wange seines Gegenübers und strich mit dem Daumen sanft darüber. „Nein, du siehst perfekt aus ... urgh." Wie vom Blitz getroffen zog Kageyama seine Hand wieder zurück und blickte entsetzt in die weit aufgerissenen Augen des anderen Spielers. „I-Ich meine ... Also, was ich sagen wollte .... N-Nein, du hast nichts im Gesicht ... A-Also ... Argh! Ich hab gerade an was Anderes gedacht, ok?! Halt einfach die Klappe verdammter Knirps!" Mit hochrotem Kopf stürmte der Größere nach Draußen und verließ fluchtartig den Eingangsbereich der Turnhalle. Was hatte er getan? Was um alles in der Welt hatte er bloß getan?! Seine Hand hatte sich wie von selbst bewegt und auf das weiche Gesicht des Rothaarigen gelegt. Die Haut hatte sich warm angefühlt und ein bisschen wie ein Pfirsich. Er war bei der Wasserstelle hinter der Halle angekommen und blieb vor dem Becken stehen. Er starrte auf seine Hand, die eben noch auf Hinatas Wange gelegen hatte. Etwas, was sich wie leichte Stromstöße anfühle breitete sich von seinen Fingerspitzen in Richtung seines Körpers aus. Es bahnte sich seinen Weg über seine Brust, durch den Bauch und sammelte sich letztendlich in seiner Körpermitte. Erschrocken keuchte der Dunkelhaarige auf, drehte hastig einen der Wasserhähne auf und streckte in einer fließenden Bewegung seinen Kopf in das kalte Wasser. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf das eisige Gefühl auf seiner Kopfhaut, was sich wie kleine Nadelstiche anfühlte. Nachdem er sich sicher war, sein Kopf könne es mit jedem Nadelkissen dieser Welt aufnehmen zog er den Kopf zurück und drehte den Hahn wieder zu. Betrübt sah er dem Wasser dabei zu, wie es in kleinen Tropfen von seinen Haaren perlte. DAS war definitiv nicht normal. Und was sollte er jetzt machen? Er glaubte nicht, dass die anderen Spieler etwas von der Situation mitbekommen hatten, aber allein bei dem Gedanken Hinata unter die Augen treten zu müssen breitete sich ein Übelkeitsgefühl in seiner Magengegend aus. Gab es eine plausible Ausrede für sein Verhalten? Zumindest keine die ihm spontan einfiel. Seufzend machte er sich auf den Rückweg zur Sporthalle. Wenn er nicht noch mehr Zeit mit Grübeln verschwenden wollte musste er sich der Situation wohl oder übel stellen. Mit verkrampften Magen schlurfte er die Eingangsstufen der Halle hoch. Einen zusätzlichen Hieb in seine Eingeweide verspürte er, als er sah wer ihn dort erwartete. Sein Partner stand mit verschränkten Armen, aufgepusteten Wangen und zusammengekniffenen Augenbrauchen in der Tür und schien auf ihn zu warten. „Hast du dich abgekühlt? Gut, das will ich dir nämlich auch dringend geraten haben. Was ist denn heute mit dir los? Wenn ich so unkonzentriert bin und nur Stuss von mir gebe bekomm ich immer direkt eins drüber von dir." Ein hämisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des kleinen Mittelblockers aus. „Eigentlich ist es ganz nett mal derjenige zu sein, der DIR eine Standpauke halten kann", witzelte er spitzbübisch. Er klopfte dem Größeren väterlich auf die Schulter und sagte in einem gönnerischen Ton: „Mach dir nichts draus, wir haben alle mal so Tage. Ich bin mir sicher selbst der große König ist mal schlecht drauf. Dann kann der kleine König ja keine Ausnahme sein." Seine Mimik und sein Tonfall spiegelten wider wie zufrieden er mit dieser Art der Rollenverteilung war. „Jetzt atme mal tief durch und dann komm endlich wieder rein. Du hast mir heute noch keinen einzigen Ball zugespielt, wird langsam Zeit." Der kleine Wuschelkopf packte Kageyamas Hand, der sowohl verwirrt als auch erleichtert war, und zog ihn hinter sich her ins Halleninnere. Der Zuspieler blinzelte einige Male und sammelte sich. Was hatte er für ein Glück, dass der Knirps weder nachtragend noch sonderlich helle war. „Wenn ich einen schlechten Tag habe spiele ich trotzdem noch tausend Mal besser als du an deinem besten Tag", blaffte er zurück, nur um sein Gesicht zu wahren. 

Sweet Summer-Dream (mit 🍋Extra) Where stories live. Discover now