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Fallons P.o.V.

Cory schlug hart gegen den Bocksack. Ich sah sie anerkennend an.
"Nicht schlecht", meinte ich und sie strahlte. "Aber du musst deine Beine breiter aus einander stellen, damit du mehr Stabilität im Oberkörper und somit in deinen Armen hast. So", erklärte ich ihr und stellte mich neben sie. Ich schlug gegen den Boxsack, der unter meiner Kraft quietschte.
Cory schüttelte den Kopf. "Ich werde niemals so gut sein wie du", schmollte sie und ich lächelte sie sanft an.
"Glaub' mir, du willst micht nicht als Vorbild. Schon gar nicht für's Training. Du erinnerst dich?" Ich zog meine Sportjacke ein Stück hoch bis man meine rechte Rippenhälfte sehen konnte. Die Haut war blau und lila verfärbt.
Cory verzog schmerzvoll das Gesicht. "Tut es noch sehr weh?", fragte sie besorgt nach, aber ich schüttelte den Kopf.
Das war eine Lüge. Es tat weh, sehr sogar, aber es würde verheilen. So, wie die anderen Wunden es taten.
"Man muss Wunden und Narben in unserer Familie einfach in Kauf nehmen", murmelte ich und Cory legte den Kopf schief.
"Ich will mich und niemand anderen verletzten."
"Das Training dient einfach nur deiner Selbstkontrolle. Du sollst niemanden verletzten, wenn du nicht musst." Und ich betete, dass sie das auch niemals machen müsse.
"Musstest du schon einmal jemanden außerhalb des Trainings verletzten?", fragte sie und ich lächelte.
"Weniger Fragen, mehr Training."
Cory rümpfte die Nase, doch sie machte schließlich weiter. Warum ich dieser Frage aus dem Weg gegangen bin, war ganz einfach. Die Antwort war nämlich 'Ja'. Ich sprach nie über die Kämpfe, die ich außerhalb dieser Wände hatte. Sie waren nichts, was man gerne mit anderen Personen teilen würde. Also blieb ich lieber still.
"Gut", lobte ich sie, als ich ihre Verbesserung sofort sehen konnte. Cory grinste kurz, doch dann fokusierte sie sich wieder und schlug nochmal zu. Genau in diesem Moment trat jemand die Türen auf. Harvey lief über die Matten zu Cayden und Lexi, die bereits trainierten.
"Na wenn das nicht die Verliererin ist. Ich hatte angenommen, dass du dich hier so schnell nicht mehr blicken lässt", sagte er im vorbeigehen laut genug, dass es alle mitbekammen.
Ich biss die Zähne zusammen und ignorierte seinen Kommentar. Cory wandte kurz den Blick zu mir, doch ich zeigte keinerlei Regungen. Ich spürte die Augenpaare einiger Leute auf mir, doch das war mir egal. Ich hatten den Kampf verloren, doch den nächsten würde ich sicherlich auch gegen einen Harvey DeLaurant gewinnen.
"Harvey", ermahnte ihn eine raue Stimme, die meine Aufmerksamkeit für einen kurzen Zeitpunkt weckte. Cayden schüttelte den Kopf. Es war ein Zeichen für Harvey, dass er sich zurückhalten sollte. Auch wenn ich den Schutz eines DeLaurants nicht brauchte, schätzte ich es. Unsere Blicke trafen sich für einen Moment, doch ich brach den Augenkontakt sofort ab.
Das war schräg. Ich runzelte die Stirn über mich selber.
"Was? Das sind doch alles nur Scherze", meinte Harvey mit einem hinterlistigen Grinsen. Diese Lächeln ließ ein Feuer in mir aufbrennen, das ich nicht so einfach stillen konnte.
"Cory, lass uns gehen", schlug ich stattdessen vor und sie hielt inne. Ich sah, dass sie aufjedenfall noch weiter trainieren konnte und wollte, aber ich wusste, wann man eine Trainingseinheit lieber beenden sollte. Cory löste die Boxhandschuhe und legte sie zurück. Ich lächelte ihr dankend zu.
"Seid ihr etwa schon am gehen?", rief Harvey durch den Raum, doch ich reagierte nicht auf ihn. "Hey, ich rede mit euch!"
Ich blieb stehen und atmetet tief aus. Er legte es wirklich drauf an, dass ich ihn noch einmal zu Boden werfen würde. "Wir werden hier nicht erwünscht, oder?", fragte ich ihn und sah für eine winzige Sekunde zu Cayden, der meinen Blick erwiderte.
"Harvey, lass die beiden in Ruhe", zischte Cayden und packte seinen Cousin am Arm.
Harvey schüttelte ihn sofort ab. "Was? Soll ich die beiden etwa mit Samthandschuhen anfassen, nur weil einer von ihnen gestorben ist?" Entsetzt sah ich ihn an. Wie konnte jemand nur so gefühlskalt und respektlos sein?
"Es reicht, Harvey." Caydens Stimme war laut und dominant. Eine Seite, die ich so nie von ihm kannte. Selbst einige der DeLaurants tuschelten leise, was mich nur noch mehr darin bestätigte, dass Harvey ein Arsch war.
Cory schluckte neben mir. Ich sah wie sie den Tränen nah war. Sie kannte Edwart besser als ich und fühlte sich somit mehr angegriffen. Sanft strich ich ihr über den Arm. Mit einem Blick versuchte ich sie zu beruhigen. Cory biss sich auf die Unterlippe.
"Geh', ich komme gleich nach", versicherte ich ihr und sie nickte. Ich blickte ihr hinterher bis sie hinter den Türen verschwunden war. "Du herzloser Bastard", fauchte ich Harvey an, der sichtlich überrascht schien. "Wie kann man nur so respektlos sein?"
Harvey schien plötzlich angetan. Er lief auf mich zu und blieb gut zehn Zentimeter vor mir stehen. Zu nah für meine Verhälnisse, doch ich wich kein Stück zurück. "Da ist sie ja. Die Cunnigham, die ich vermisst und fertig gemacht hatte." Ich biss die Zähne so stark zusammen, dass meine Kieferknochen schmerzten.
"Harvey, lass' es gut sein", murmelte Lexi, die plötzlich neben uns stand, genauso wie Cayden. Der hatte mir gerade noch gefehlt.
"Halte dich von mir und meiner Familie fern." Das war keine Bitte, sondern eine Drohung. Ich drehte mich um und lief ein paar Schritte, bis Harvey mich am Arm packte. "Du läufst nicht nach dieser Drohung einfach so weg."
Was verdammt war falsch mit diesem Jungen? War er so streitlustig, dass ihn selbst das zu einem Kampf animierte?
Ich entzog mich seinem Arm und sah ihn von oben bis unten an. Er fühlte sich gerade so mächtig, dass ich nicht anders konnte, als seiner indirekten Forderung nachzukommen.
"Hol dir deinen Stab", murmelte ich und Harvey grinste mich spöttisch an. Cayden runzelte seine Stirn. Er suchte meinen Blick, um mich vermutlich von der dummen Idee abzubringen, aber nichts würde mich jetzt aufhalten können. Ich stieg auf das Podest und griff mir den Stab. In meinen Händen ließ ich diesen ein paar mal hin und her gleiten, bis ich vertraut mit ihm war. Ich hielt ihn, so wie Cayden es mir beigebracht hatte, in der Mitte.
Harvey platzierte sich einige Meter vor mich. Seine Augen zeigten eine Rachgier, die ich nicht einmal beschrieben konnte. Tief atmete ich aus um meine volle Konzentration auf meinen Gegner zu lenken. Er machte den ersten Schritt und griff mich an. Er schleuderte den Stab gegen meine Beine, doch ich wich ihm aus und traf seinen Rücken. Harvey drehte sich zu mir um und schlug erneut zu. Dieses mal erwischte er mich am Arm. Ich atmete den Schmerz weg und richtete mich auf. Ich ließ den Stab in meinen Händen rotieren und wartete auf seinen nächsten Zug. Harvey machte einen Schritt auf mich zu und versuchte mich an meinen Rippe zu treffen. Dort, wo er mich vor einer Woche bereits verletzt hatte. Ich hielt seinen Schlag auf und drückte ihn weg von mir, sodass er einige Schritte nach hinten taumelte. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte ich aus. Meinen Stab schwang ich ihm gegen die Knie, sodass er hinfiel. Ich schlug ihm seinen Stab aus der Hand und traf ihn dabei im Gesicht. Harvey gab einen schmerzvollen Laut von sich und fiel zu Boden. Ich kletterte über ihn und drückte das Holz gegen seine Kehle. Er schnappte verzweifelt nach Luft. In seinen Augen sah ich Reue und so etwas wie ... Angst. Ich schnaubte und schüttelte den Kopf über ihn. Feigling.
"Das sollte dir eine Lehre sein", flüsterte ich und zwinkerte ihm zu. Als ich ihn losließ, robbte er einige Meter weg von mir um nach Sauerstoff zu holen. Beim Aufstehen konnte ich Caydens Blick sehen, und den kleinen Stolz, den er empfand. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein.
Er brach den Kontakt zuerst ab und lief zu seinem Cousin, der jegliche Hilfe abschlug. Auf der Ferse drehte ich mich mit einem zufriedenen Lächeln um und lief aus der Halle.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now