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Caydens P.o.V.

Ich schlug die Augen auf und blinzelte ein paar mal, um mich an die Umgebung zu gewöhnen. Müde drehte ich mich auf die andere Seite und suchte mit meiner Hand nach Fallon, doch alles was ich vorfand, war eine leere Betthälfte. Langsam richtete ich mich auf uns sah auf die zerwühlte Seite neben mir. Auf dem Kissen, der immer noch ihren Geruch trug, lag ein kleiner weißer Zettel, den ich aufmachte. Sofort erkannte ich ihre Handschrift, automatisch fuhr ich mit meinen rauen Fingerkuppen über die schwarze Tinte.

Tut mir leid für die ein oder andere weitere Narbe auf deinem Rücken.
- Kuss, F

Schmunzelnd fuhr ich mir durch meine zerwühlten Haare und laß die Nachricht erneut. Wenn ich an letzte Nacht zurückdenke, schaffe ich es noch nicht einmal mein Lächeln zu unterdrücken. Es passierte einfach. Es war ganz anders als die letzten Male, bei denen wir zusammen waren. Viel emotinaler, viel hingebungsvoller, und vor allem viel intimer als sonst. Eigentlich hatte ich nicht vor, ihr meine Narben zu zeigen. Ich hatte nicht einmal vor, mich ihr weiter zu öffnen. Doch wer hätte gedacht, dass der Abend nach dem Fund an Beweisen so enden würde?
Die ganze Situation mit meinem Vater hatte mich doch mehr mitgenommen, als ich zuerst zugeben wollte. Als Fallon mich dann noch mit diesem ganz speziellen Blick angesehen hatte, musste ich einfach etwas sagen. Ihre Augen hatten diese Wirkung auf mich, die mich immer wieder in einen Bann zogen, und ihr Geruch, der für mich wie eine Droge war. Und ihre Lippen.
Ich fuhr mit meinen Fingern über meinen Mund, der sich bei dem Gedanken an Fallon nach ihr sehnte. Und das obwohl wir die halbe Nacht miteinander verbracht haben. Auch wenn es mich in den Fingern gejuckt hatte, mich ihr ganz hinzugeben, wollte ich unseren Moment nicht zerstören. Wir hatten uns beide irgendwo ein kleines bisschen mehr geöffnet, da wollte ich die Leidenschaft nicht überstrapazieren. Auch, weil ich mir nicht sicher war, ob Fallon es denn genauso gewollt hätte, wie ich. Sie hatte schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, wie sie erzählt hatte, da wollte ich sie nicht zu irgendetwas zwingen. Sie verdiente etwas, jemand, besonderes. Wer weiß, ob ich dieser jemand für sie war, doch für mich war sie nah dran.
Plötzlich ging die Türen auf und drei Bedienstete liefen ohne anzuklopfen hinein. Seufzend legte ich mir den Arm über die Augen, um noch an den letzten Momenten an Fallon festzuhalten, doch als eine von ihnen die Vorhänge aufzogen, waren die Erinnerungen weg.
"Emily", murmelte ich leicht genervt. "Was ist los? Wieso weckt ihr mich? Ihr wisst, dass ich es hasse, wenn-"
"Tut mir leid, Mr DeLaurant", entgegnete sie schnell. Ich verzog mein Gesicht. Mr Delaurant war mein Vater, ich wollte einfach nur Cayden bleiben. "Aber wir hatten ausdrücklichen Befehl, Ihnen die Sachen zu bringen und aufzuräumen."
Ich rutschte nach oben und sah sie an. "Von wem?"
Sie warf mir einen Blick zu, der mich wissen ließ, dass es mein Vater war. Als eine vierte Bedienstete hinzukam, war entgültig irritiert. Sie brachte einen dunklen Sack mit, dann verließen sie ohne weiteres Wort mein Zimmer. Verwirrt stand ich auf und öffnete den Kleidersack. Ein schwarzer Anzug. War heute schon wieder einer dieser monatlichen Veranstaltungen?
Ich rollte mit den Augen und zog den Reißverschluss zu. Da ich keinen Ärger mit meinen Vater haben wollte, gab ich mich seinen Anfforderungen hin und machte mich fertig.
Ich band mir die schwarze Kravatte während ich die Treppen hinuter lief und auf das Esszimmer zusteuerte. An mir liefen zwei Bedienstete vorbei, die ihre Blicke ehrfürchtig vor mir senken. So etwas taten sie nur, wenn etwas schlimmes vorgefallen war.
Als ich schließlich ins Esszimmer trat und meine Familie in dunkler Kleidung sah, bekam ich ein ungutes Gefühl im Magen.
"Was ist passiert?", fragte ich Lexi, die sich neben mich stellte. Ihr Blick war hart und distanziert.
"Die Cunnighams", flüsterte sie nur, was mein Herz zum stehen brachte. Adrenalin rauschte durch meine Adern, was mich hell wach machte.
"Es geht um Cory", ergänzte sie nach einer halben Ewigkeit. "Sie ist ... tot."
Zum einen floss Erleichterung durch meinen Körper, denn Fallon war nicht betroffen, zum anderen hingegen schlug mein Herz eine Frequenz schneller.
"Was?" Fallons Verwandete sollte tot sein? Das sechzehnjährige Mädchen, das wir tagtäglich in den Trainingshallen sahen, und mit ihr redeten?
"Sie wurde heute tot aufgefunden", erklärte sie und zuckte mit den Schultern.
"Fallon hatte sie wohl -"
"Fallon?", wiederholte ich tonlos und riss die Augen auf. Sie musste sie entdeckt haben, als sie wieder zurück nach Hause geschlichen ist. Das ist sicherlich Stunden her ... Und während ich seelenruhig weiter geschlafen hatte, durchlebte sie die Hölle.
Lexi berichtete mir noch einige Fakten über den Tod, aber ich konnte mich kaum konzentrieren. Ich war selber mit meinen Gedanken beschäftigt. Ganz vorne die Frage, ob sie umgebracht wurde, und von wem.
Meine Augen wanderten zu meinem Vater, der sich - wie hätte es anders sein können - am Telefon mit jemandem unterhielt. Mich packte eine dermaßen große Wut, dass sich mein Kiefer anspannte. Gerade als ich auf ihn zulaufen wollte, stellte sich meine Mutter in den Weg. Man sah ihr an, dass sie vermutlich den ganzen Morgen durchgeweint hatte. Automatisch verflog meine Wut.
"Ist es wahr?", fragte ich leise nach.
Als sie nickte, schluchzte sie leise auf. Ich nahm sie sofort in den Arm. Meine Mutter war nicht dafür geschaffen die Frau eines Kriminellen zu sein. Viele illegale Aktionen bedeutete viele Beerdigungen und Tote. Der Tod war ständiger Begleiter in unsere Familie, aber meine Mutter konnte sich nicht abhärten. Sie traf jedes Opfer genauso hart, wie als wäre es jemand aus ihrem engsten Kreis.
"Bringst du mich hin?", fragte sie zittrig, was mein Herz zusammenziehen ließ. Nickend führte ich sie durch das Haus in die Garage zu meinem Wagen. Trotzallem konnte ich an nichts anderes denken als an Fallon. Mir rasten tausende Gedanken durch den Kopf, die ich nicht einmal sortieren konnte. Ich hielt bei einen der Parkplätze und stieg aus. Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen. So wie die Situation war der Himmel dunkel, grau und trostlos. Meine Augen suchten seit Betreten des Friedhofs nach Fallon, aber es war schwer sie unter den vielen, gleich gekleideten Menschen zu finden.
"Wir sollten den Cunnighams unser Beileid aussprechen", murmelte meine Mutter und ich nickte wie betäubt. Gerade als mir der Gedanke aufkam, Fallon nicht mehr zu finden, entdeckte ich sie bei ihrer Familie. Allerdings stand sie mindestens einen guten Meter abseits, lediglich eine ihrer Bediensteten war bei ihr und hielt still den Regenschirm. Auch wenn ich ihr Gesicht nicht sah, weil sie mit dem Rücken zu mir stand, erkannte ich sofort die geknickte Haltung. Es zerriss mir mein dummes Herz sie so alleine zu sehen, so verletzt und zerbrechlich.
"Kommst du, Cayden?", fragte meine Mutter. Ich hatte sie vollkommen vergessen, doch ich folgte ihr durch die Menschenmenge.
"Unser aufrichtigstes Beileid", entgegnet sie neben mir und schniefte. Stumm nickte ich Aloisius Cunnigham zu, der mir einen dankenden und doch distanzierten Blick zu warf. Mein Kopf drehte sich automatisch zu Fallon, die gerade irgendwelche Beileidsbekundungen von irgendwelchen Leuten entgegen nahm. Ich bezweifelte stark, dass die Hälfte der Menge Cory überhaupt kannte, es ging wie immer nur um's Geschäft - auch an solchen Tagen.
"Fallon", rief ihr Vater sie zu uns, was mich hell hörig machte. Als sie vor mich trat, den Blick gesenkt, suchten meine Augen die ihren. Ich musste den Drang widerstehen, sie zu berühren, sie in den Arm zu nehmen und ihr die Tränen von den Wangen zu wischen, die ihr unkontrolliert über ihr zartes Gesicht liefen.
"Es tut mir -", begann ich, doch stoppte gleich, weil ich nicht wusste, ob das bereits zu viel war in Gegenwart unserer Eltern. Sie schloss kurz die Augen, sodass weiter Tränen aus den Augenwinkel traten, dann kreuzten sich endlich unsere Blicke, und es raubte mir fast den Atem.
Ich hatte Fallon noch nie so gesehen. Klar, der Abend als sie angegriffen wurde, zeigte mir auch ihre verletzliche Seite, doch das hier war etwas ganz anderes. Es schien so, als wäre sie im Inneren gebrochen, aber wer konnte ihr das verübeln? Sie hatte nicht nur eine ihrer engeren Verwandten verloren, sie hatte sie zusätzlich auch noch tot aufgefunden. Es war schrecklich ihr beim Leiden zu zusehen und nichts tun zu können.
"Ich denke, es ist Zeit für den Trauerzug", murmelte Mr Cunnigham neben uns, was mich wieder daran erinnerte, dass wir beide nicht alleine waren. "Eleonore, würdest du mir die Ehre erweisen?"
Er hielt meiner Mutter den Arm hin, bei dem sie sich sofort einhackte. So sehr ich auch wollte, ich durfte Fallon nicht auch eine körperliche Stütze anbieten. Trotzdem liefen wir nebeneinander her, immer in Begleitung ihrer Bediensteten.
"Ist schon gut, Alice", flüsterte sie neben mir, was mit einen Stich versetzte. Selbst ihre Stimme war voller Leid.
Alice nickte langsam und trat einige Schritte weg von uns. Endlich hatte ich die Chance, mit ihr zu sprechen, auch wenn ich darauf achten musste, es unauffällig zu tun.
Kurz hob ich meinen Blick, aber niemand achtete auf uns.
"Das alles tut mir so leid, Fallon", wisperte ich und sie nickte bedrückt.
Sie versuchte ihre Tränen unter Kontrolle zu bringen, aber sie tat sich schwer damit. Man sah ihr an, wie sie ihre emotionale Seite unterbinden wollte, es jedoch nicht schaffte. "Ich weiß, wie nahe ihr euch standet."
Sie schluchzte leise neben mir auf, weshalb mein Magen sich für einen kurzen Augenblick zusammenzog. Mir wurde übel. In diesen Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als sie in den Arm nehmen zu können.
Ich ließ meinen Blick erneut durch die Menschenmenge wandern, dann streiften meine Finger nach ihren. Sie drückte ihre Hand leicht gegen meine, sodass ich unsere Finger leicht in einander verschränken ließ. Mich durchfuhr eine angenehme Wärme, obwohl ihre Hand eiskalt war. Ich merkte, wie sie sich leicht gegen mich lehnte, und ich ihr meine Stütze gewährte. Ich konnte mich kaum halten, denn alles, was ich wollte, war, ihr die Unterstützung zu geben, die sie brauchte und verdiente.
"Cayden?", wisperte jemand hinter uns. Automatisch ließ ich Fallons Hand los und brachte einen normalen Abstand zwischen uns. Sie atmete erschöpft aus, als sie merkte, dass ich eine ungewollte Distanz zwischen uns aufbaute.
Kurz schloss ich die Augen, dann drehte ich mich zu Lexi um. Innerlich hoffte ich, dass sie die Zärtlichkeiten zwischen Fallon und mir nicht wahrgenommen hatte, doch ihrem neutralen Blick nach zu urteilen, war sie ahnungslos.
"Ich habe dich bereits überall gesucht", flüsterte sie, als ich mich zu ihr stellte. Durch einen Körper jagte eine enorme Wut, die ich nur mit Anstrengung unterdrücken konnte. Ich war nicht sauer auf Lexi, ich war sauer auf diese ganze Situation. Ich konnte mich noch nicht einmal richtig um Fallon kümmern, nur weil diese bescheurte Feindschaft in unseren Familien lag.
"Meine Mutter wollte ihr Beileid aussprechen", versuchte ich ruhig zu erklären. Lexi nickte neben mir, während ich den Blick starr zu Fallon gerichtet hatte, die nun von ihrem Onkel begleitet wurde. Die Art, wie sie sich niedergeschlagen an ihn stützte, ließ mein Inneres nur noch mehr toben, doch wenigstens konnte sie jemand in den Arm nehmen, bevor ich irgendwelche unüberlegten Sachen tat.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now