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Jimin Pov

Die Luft riecht frisch nach dem Regen gestern. Hobi und ich schlendern durch die Strassen und Hängen Zettel auf, falls jemand Tony vermisst. Tae hat in der Uni welche ausgedruckt und sie mitgebracht, damit wir sie in der Gegend aufhängen können. Hobi war sofort dabei und pinnt nun voller Elan die Flyer an Strassenlaternen und Hausfassaden.

Der Drohbrief macht mir immer noch Sorgen. Wie genau werden wohl die Folgen aussehen, wenn Yoongi das Geld nicht überweist? Und welcher Freund würde leiden? Tae? Oder womöglich Kookie? Es muss doch etwas geben, was man tun könnte.

«So, das war der letzte.» Hobi klebt den letzten Zettel an einen Pfeiler. «Ich muss dann auch mal los, das ging länger als erwartet. Bis Morgen!» «Tschüss! Und danke fürs Helfen!», rufe ich dem schlaksigen, jungen Mann hinterher. Der rothaarige erwidert die Geste lachend und verschwindet um die nächste Ecke.

Somit mache auch ich mich auf den Rückweg. Ich stecke mir Kopfhörer in die Ohren und drehe auf. Gut gelaunt schlendere ich durch die Strassen, der Bass wummert in meinen Ohren. Hobi hatte Recht, wie mir auffällt. Es ist schon ganz schön spät. Wir hatten erst nach der Uni Zeit, die Zettel zu verteilen und jetzt ist es schon dunkel.

Die Strassen sind inzwischen ruhiger, es sind allgemein weniger Menschen unterwegs. Der goldene Schein der Strassenlaternen, mit Neonlicht beleuchtete Anzeigetafeln, der Duft nach Essen weh aus den Restaurants durch die Strassen.

Mein Handy klingelt. Ich ziehe es aus meiner Jackentasche, eine unbekannte Nummer. Kurz zögere ich, nehme dann aber trotzdem ab. «Ja, bitte?» Niemand Antwortet. Mich überkommt ein mulmiges Gefühl. «Was ist denn?! Spielt doch bitte jemand anderem Streiche und lasst mich in Ruhe!» Wie gestern hört man bloss jemanden atmen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren lege ich auf.

Ich stecke mein Handy weg, vergrabe nervös meine Hände in den Jackentaschen und beschleunige mein Schritttempo. Dieser Anrufer wird mir langsam unheimlich. Irgendwie fühle ich mich beobachtet, spüre forschende Blicke auf mir. Ich biege von der beleuchteten Hauptstrasse in eine spärlich beleuchtete Nebenstrasse.

Erleichtert atme ich auf. Hier ist niemand mehr. Ich gehe zügig weiter, bemerke in meinem Augenwinkel, wie mir jemand in die Gasse folgt. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Bewusst gehe ich langsamer und bemühe mich nicht in Panik zu verfallen. Vor meinem inneren Auge sehe ich gackernde Killerclowns und Kettensägen.

Mein Herz schlägt inzwischen so laut, dass ich Angst habe, mein Verfolger könnte es hören. Die Schritte hinter mir werden schneller, was mir endgültig den Rest gibt. Ich renne los, die menschenleere Strasse entlang, stolpere über meine eigenen Füsse und falle der Länge nach hin. Mit brennenden Handflächen rapple ich mich hektisch wieder auf und renne weiter, um die nächste Ecke und verstecke mich hinter einer Mülltonne.

Keuchend mache ich mich so klein, wie möglich, presse mir die Hand auf Mund und Nase, damit man mich nicht Atmen hört. Meine Lunge sticht wegen des fehlenden Sauerstoffes. Tränen schiessen mir in die Augen, als ich sehen, wie ein schlanker, gross gewachsener Mann mit langem, schwarzem Mantel auf leisen Sohlen um die Ecke gespurtet kommt.

Ich drücke mich näher an den Müllcontainer, um seinem Sichtfeld zu entgehen. Es ist fürchterlich schmutzig, doch das kümmert mich im Moment wenig. Mit dem Rücken zu mir gedreht, schaut der Mann sich suchend in alle Richtungen um. Er flucht leise und läuft zurück in die Richtung, aus der er gekommen ist. An seinem Handgelenk blitzt etwas Goldenes auf.

Meine Knie schmerzen, als ich mich aus meiner kauernden Position erhebe. Mein Atem hat sich wieder etwas beruhigt und ich tapse leise hinter dem Müllcontainer hervor. Vorsichtig schaue ich noch mal um die Ecke um sicher zu gehen, dass der Mann verschwunden ist.

Den restlichen weg nach Hause drehe ich mich immer wieder gehetzt um, stolpere über meine eigenen Füsse, so schnell renne ich. Endlich biege ich in die letzte Seitenstrasse ein und erreiche die Haustür. Schwer atmend klaube ich den Schlüssel aus meiner Tasche und schaffe es schliesslich, mit zitternden Händen das Türschloss zu öffnen.

Die Haustür fällt mit einem lauten krachen hinter mir ins Schloss. Ich stapfe erschöpft das Treppenhaus hinauf, inzwischen hat sich auch mein Herzschlag wieder etwas beruhigt. Obwohl ich mich schon so oft bei Yoongi darüber beschwert habe, dass dieser seine Sachen immer im Eingangsbereich unserer Wohnung fallen lässt, tue ich es ihm Heute gleich und lasse mich wortlos auf das Sofa fallen.

Tae und Kookie blicken verwundert auf. «Was ist denn mit dir passiert?!» Tae mustert mich argwöhnisch. Jungkook rümpft die Nase, was ihn noch mehr wie ein Häschen aussehen lässt. «Du riechst nach Müll.»

«Jemand hat mich verfolgt.» Taes Augenbrauen schiessen ungläubig in die Höhe und Kookie schaut mich entgeistert an. «Machst du Witze?! Verarsch uns nicht!» Ich schüttle bloss den Kopf. «Warum sollte ich über so was Witze machen? Da ist echt so ein Mann hinter mir hergelaufen, dann hab ich mich hinter einer Mülltonne versteckt. Der hat sich umgesehen und ist wieder zurück gegangen.»

Yoongi kommt aus der Küche ins Wohnzimmer. Die Tatsache, dass er absolut nicht überrascht wirkt, macht mir Angst. «Yoongi. Meinst du das hat was zu tun mit dem- « Der warnende Blick des Älteren lässt mich verstummen. Es vergehen einige Momente, bis Tae das unangenehme Schweigen unterbricht. «Jimin, du hast einfach zu viele schlechte Filme geguckt. Das hast du dir bestimmt bloss eingebildet.»

«Genau, das hast du dir eingebildet und jetzt komm mal kurz mit.» Yoongis Unterton verdeutlicht mir, dass Wiederrede keinen Zweck hat, also kämpfe ich mich aus den Untiefen unserer Couch hervor und folge ihm in sein Zimmer.

Kaum ist die Tür hinter uns geschlossen, fährt Yoongi wütend zu mir herum. Grob packt er mich am Kragen und drückt mich gegen die Wand. «Sag mal, spinnst du?! Dir sollte doch kein Sterbenswörtchen über die Lippen kommen!», zischt er, sichtlich darum bemüht nicht laut zu werden. «Vergiss diesen scheiss Brief einfach wieder!» Erschrocken halte ich den Atem an.

Ich balle meine Hände zu Fäusten und drücke mich so nahe an die Wand, wie möglich. Sein Gesicht ist meinem viel zu nahe. Ich spüre seinen warmen Atem, kann das aufgebrachte Glitzern in seinen dunklen Augen erkennen. Doch dieses Mal fürchte ich mich nicht vor ihm. Ich weiss dass hinter seiner Rage, Verzweiflung liegt. Er weiss nicht was er machen soll.

Mein Blick wandert über sein Gesicht, er hat dunkle Ringe unter den Augen, bleibt schliesslich an seinen weich geformten Lippen hängen. «Tut mir leid, das kommt nicht wieder vor.» Meine Hände finden ihren Weg auf seine breiten Schultern. Der Ältere atmet tief aus und leckt sich nervös über die Unterlippe. Endlich lässt er meinen Kragen los, den er bis jetzt umklammert gehalten hat und weicht einen Schritt zurück.

«Hör mal, wenn dich noch mal jemand verfolgen sollte, oder dir sonst etwas seltsam vorkommt, dann komm nächstes Ma direkt zu mir, ja? Tae und Kookie können damit sowieso nichts anfangen. Wenn das kein Einzelfall war, muss ich erst noch schauen, wie wir das wieder geradegebogen bekommen. Pass einfach auf. Und behalt es für dich.»

CaramelMacchiatoWhere stories live. Discover now