19. Festung York

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Der Weg nach York war nicht allzu lang.
Am Ende eines Waldes blieben wir stehen und lauschten.
Es herrschte Stille in der Stadt.
Ivar gab ein Handzeichen, dass wir uns langsam und leise nähren sollten.
Dann ging alles sehr schnell, der erste Angriff auf einen der Wachmänner begann und unsere Leute versuchten über Leitern über die Mauern von York zu gelangen.
Ivar stand neben mir und beobachtete die Geschehnisse ganz genau.

Ubbe stieg über die Mauer und verschwand dahinter.
Ich sah kurz zu Hvitserk, der auf seinem Schild lehnend wartete, dass das Tor geöffnet wird.
Nach kurzer Zeit ruckelte die große Holztür und sie wurde von meinem Bruder geöffnet.

Ich stieg zu Ivar und Hvitserk auf den Wagen und wir fuhren gefolgt von dem Rest unserer Streitmacht in die Festung.
Hvitserk und ich sprangen vom Wagen herunter. Ich hatte nicht einmal Zeit mich umzusehen, als einer der Wachmänner auf mich zukam und mich angriff.
Im letzten Moment zog ich mein Schwert und stach ihn nieder.
Ich kämpfte mich hinter meinem Bruder her, denn wir wollten so weit wie möglich ins Innere der Stadt kommen und ihre heilige Halle stürmen.

Doch plötzlich verlor ich Hvitserk aus den Augen, denn ich wurde immer wieder von einem der Wachmänner angegriffen.
Nach einem längeren Kampf zerbrach mein Schild und ich warf es zur Seite. Ich zog mit der nun freien Hand meine Axt und kämpfte mich weiter vor.
Gerade, als ich einen Sachsen erstochen hatte, wurde ich von dem nächsten angegriffen. Er stieß mich mit seinem Schild zu Boden und ich landete auf dem Bauch.

Schnell griff ich nach meiner verlorenen Axt, drehte mich um und stieß im letzten Moment meine Axt in seinen Schädel. Er landete auf mir.

Bevor ich ihn herunterschubsen konnte atmete ich erschrocken durch. Es hätte auch anders enden können.
Schnell richtete ich mich wieder auf, nahm mein Schwert vom Boden auf und rannte weiter, bis ich den Wagen von Ivar erblickte.
Ich sprang außer Atmen rauf und stützte mich leicht ab.

Mein Bruder gab mir lachend einen leichten Schlag auf die Schulter.
Ubbe, der neben dem Wagen stand sah mich ernst an. Dann nickte er zur Tür, denn wir standen genau vor den heiligen Hallen der Christen.
Ich stieg vom Wagen und folgte Ubbe und Hvitserk durch die Menge.
Die Türen wurden geöffnet und wir traten leise ein.

Der Raum war voller Christen, sie standen alle mit dem Rücken zu uns, so dass sie uns nicht sehen konnten.
Ganz vorne stand ein merkwürdig aussehender Mann. Er sprach auf einer sehr merkwürdig klingenden Sprache.
Plötzlich hörte ich ein Geschrei und die Menschen in der Halle brachen in Panik aus. Die Menschen wurden fast schon reihenweise von unseren Kriegern niedergemetzelt.

Dann kam Ivar herein und kroch schreiend auf einen merkwürdig aussehenden Mann zu. Würde Ivar nicht mein Bruder sein, hätte ich wahrscheinlich, wie dieser Mann, auch Angst vor ihm gehabt.

Ich hockte mich neben den Mann und sah ihn interessiert an.
Ivar strich mit Blut ein Kreuz auf die Stirn des Mannes.
Er nahm das Kreuz, welches der Mann trug in die Hand, "Nein!", brüllte er ihn an.
Er wollte sich wehren und Ivar das Kreuz abnehmen. Ich drückte ihn zurück zu Boden und sah ihn boshaft an.

Inzwischen war Ivar weggekrochen und forderte von einem unserer Männer etwas an.
Ich sah zurück zu dem Mann, den ich immer noch auf den Boden drückte und grinste ihn überlegen an. Er sah mir mit angsterfülltem Gesicht in die Augen.

Es wurde eine Feuertonne neben mir abgestellt und Ivar kam zurück zu mir.
Er kippte ihm ein vom Feuer verschmolzenes Kreuz in den Mund und sah ihm dabei in die Augen.
Ivar genoss förmlich den Anblick.

Ich stellte mich auf und setzte mich gegen eine Säule. Dort wischte ich mir das noch nicht getrocknete Blut der Feinde aus dem Gesicht.

Ivar saß dort und lachte, als der Mann hinter einem Pferd aus der Halle gezogen wurde.

Hvitserk ließ sich neben mir nieder und lachte, er schlug mir auf die Schulter, "Du hast gut gekämpft. Selbst Sigurd wäre stolz auf dich gewesen."

Ich lächelte ihn an und sah kurz zu Boden. Ich wusste nicht was ich sagen sollte.
Er erhob sich und reichte mir seine Hand, um mir aufzuhelfen.
Er nickte kurz in eine Richtung, denn Ivar beobachtete uns.
Ich folgte ihm nach draußen, hinauf auf die Mauern, wo die Wachen vor unserem Angriff noch gestanden haben.
Hvitserk sah über das Land.
"Ubbe gedenkt nicht hier zu bleiben. Er wird zurück nach Kattegat segeln."

Ich sah ihn an, "Aber wir haben York eingenommen, Hvitserk, wieso möchte er uns verlassen?"

"Er wird nicht an Ivars Seite Kämpfen, er hält es für falsch.", er legte eine Pause ein, "Ich werde mit Ubbe segeln."
Hvitserk sah mich an und legte beide Hände auf meine Schultern.
"Ubbe würde dir nun raten, dass du mit uns Heim kehrst, doch es ist deine Entscheidung, ob du dich Ivar anschließt oder uns begleitest."

Er sah mir tief in die Augen. Schließlich ging er die steinernen Treppen herunter und zurück zu Ubbe und Ivar.

Nun war es also an der Zeit mich zu entscheiden? Der Seher sagte, ich würde die richtige Entscheidung treffen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was ich tun sollte. Ich würde es bis zum letzten Moment herauszögern.

Nach langer Zeit des Nachdenkens lief ich die Stufen hinunter, "Wo sind meine Brüder?", fragte ich die vorbeigehenden Krieger. Sie deuteten in eine Ecke und ich folgte schnell.

Ivar saß dort und trank Bier.
Ich ließ mich neben ihm fallen und verschränkte die Arme.

"Was bedrückt dich, kleine Schwester?", er stellte seinen Krug ab und stützte sich auf den Tisch.

Ich sah ihn wütend an und wendete dann meinen Blick ab.
Er seufzte laut, "Sag es mir schon.", er lehnte sich zurück.
Ich spürte seinen Blick auf mir und griff nach seinem Krug, "Wusstest du, dass Ubbe Heim segeln wird und Hvitserk mit ihm geht?", ich trank einen Schluck, bevor ich seinen Krug zurück schob.
Ivar sah mich überrascht an, "Er will uns verlassen?", seine überraschte Miene änderte sich langsam zu einem Lachen.
"Keine Sorge, kleine Schwester.", er sah wieder einmal aus, als hätte er einen Plan.

Er ist mein BruderWhere stories live. Discover now