𝗰𝗵𝗮𝗽𝘁𝗲𝗿 𝘀𝗲𝘃𝗲𝗻 • 𝗺𝗮𝗹𝗶𝗮

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M A L I A

Die Sonne am Horizont verschwindet langsam und die Party zieht sich immer mehr in die Länge. Ruby ist mittlerweile ziemlich betrunken und schmeißt sich an die verschiedensten Typen ran.

Gerade hängt sie an den Lippen von einem gut gebauten Blondschopf. Davor war es ein Brünetter. Als sie in der Schule meinte, dass sie sich ein paar Typen unter den Nagel reißen würde, war es nicht gelogen.

Ich bewege mich weiterhin zur Musik und unterhalte mich mit einer Gruppe Mädchen, die faker sind als veganes Fleisch. Ihr Gelächter tut mir in den Ohren weh. Jede von ihnen redet nur von sich und beteuert darauf, die schönste Villa zu besitzen, die teuersten Klamotten oder sogar ein Privat Jet.

Nach langen Minuten ziehen sie Gott sei dank weiter und ich atme erleichtert auf. Es ist anstrengend solchen Personen zuzuhören, denn manchmal bemerken sie gar nicht, wie sehr sie versuchen, durch Geld besser dazustehen.

Solange es sie glücklich macht, sollen sie ruhig damit prahlen, obwohl materielles meiner Meinung nach alleine nichts besser macht.

Ruby ist leider immer noch sehr beschäftigt und somit stehe ich alleine da. Kurz spiele ich mit dem Gedanken zu gehen, aber was sollte ich zuhause machen? Löcher in die Wand starren und mich meinen Gefühlen überlassen? Nein, danke. Das brauche ich heute echt nicht.

Ich halte zwar einen der roten Becher in der Hand, aber getrunken habe ich noch nichts daraus. Mit der einen Hand halte ich mir das Getränk unter die Nase und verziehe das Gesicht. Alkohol ist ganz klar noch nie mein Fall gewesen und was auch immer sich in meinem Becher befindet, riecht wie abgelaufen.

Aber vielleicht brauche ich ja ein paar Schlucke, um bessere Laune zu bekommen?

Manchmal hilft es, heute hoffentlich auch.

Ich hebe das Getränk an meine Lippen und nehme dann einen großen Schluck. Meine Theorie bestätigt sich: Das muss einfach abgelaufen sein. Sofort greife ich nach ein paar Süßigkeiten, die auf einem der Tische stehen und versuche somit, den ekelhaften Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben.

Jetzt, wo es endgültig dunkel draußen ist, erkennt man die vielen Lichterketten, die überall angebracht sind und den Mond, der elfenbeinfarben am Himmel scheint. Und auch die Sterne.

Vor ein paar Jahren war ich sehr an Astrologie und Astronomie interessiert und meine Mutter hatte mir haufenweise Bücher dazu gekauft. Nur leider habe ich davon kaum welche gelesen, weil etwas dazwischen kam. Seitdem habe ich meine Motivation zum Lesen verloren.

Ich schaue hinauf in den Himmel, der so unendlich weit entfernt scheint, doch dann vernehme ich ein Geräusch in meiner Nähe.

Eine Person kommt auf mich zugetorkelt. Es ist der neue Junge, der im Jungsklo auf mich getroffen ist, mich getröstet hat. Noch immer weiß ich nicht seinen Namen.

Eigentlich weiß ich gar nichts über ihn.

Seine dunkelblonden Haare sind ein wenig zerzaust, ein paar Strähnen hängen ihm auf die Stirn. Wie schon in der Schule, trägt er ein schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans und seine Lederjacke. Wozu auch immer die da sein soll.

Ich habe mal gehört, dass Frauen sich bewusst dunkel kleiden, um mysteriöser zu wirken.

Ist das für Männer etwa auch der Fall?

»Hey«, sagt er leicht lallend und versucht sich an etwas anzulehnen, doch er greift ins Leere. Er hat eindeutig zu viel Alkohol im Blut.

»Auch Hey.«

»Ich glaube, ich bin betrunken«, gesteht er. Das hat er jedenfalls früh bemerkt. »Vodka tut mir nicht gut.«

Oh ja, dem Vodka rieche ich bis hier hin. Aber immerhin gibt es schlimmeren Alkohol, wie das in meinem Becher zum Beispiel. Ruby hat wohl willkürlich etwas zusammengemixt.

Selbst das Stehen fällt dem Jungen durch seinen Zustand schwer, aber dadurch wirkt es so, als würde er sich der lauten Musik anpassen wollen.

»Das glaube ich auch. Komm, setz dich lieber.«

»Auf deinen Schoß?«, fragt er und blinzelt ein paar mal zu viel. Sein verdutztes Gesicht entlockt mir ein Lächeln. Ich weiß, dass er sich gerade einen Spaß erlaubt.

»Nein«, antworte ich. »Ich dachte eher an die Bank dort drüben.« Mit dem Zeigefinger zeige ich auf die Sitzgelegenheit ein paar Meter von uns entfernt.

Wenige Augenblicke später lassen wir uns darauf nieder.

»Wie heißt du eigentlich?«, will ich wissen und er neigt seinen Kopf so, als könnte er mich nicht verstehen. Oder wie ein Hund, der auf sein Fressen wartet.

»Ich heiße Ken und wenn du willst-«, nuschelt er. »kannst du meine Barbie sein.«

Ich räuspere mich und er schiebt dann hinterher: »Grayson. Ich heiße Grayson.«

»Okay, Grayson«, sage ich. »Wozu die billigen Anmachsprüche?«

»Weil du die passende Frau zu meiner Bettwäsche bist«, antwortet er und sieht dabei völlig ernst aus. Wahrscheinlich lacht er innerlich gerade total über seinen eigenen Witz.

Schmunzelnd ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. »Ich erwarte eine vernünftige Antwort.«

«Weil-«, setzt er an.

»Falls jetzt wieder ein Anmachspruch kommen sollte-«

»Weil ich dich zum Lachen bringen möchte«, sagt er ehrlich und ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Stattdessen lächle ich nur. Das machen meinen Mundwinkel automatisch, sobald die Worte seinen Mund verlassen.

»Scheint zu funktionieren«, stellt er grinsend fest. »Okay und wie wärs mit dem: Ich bin neu in der Stadt. Kannst du mir den Weg zu dir nachhause zeigen?«

»Es gibt deutlich bessere«, bemerke ich.

»Aber die besonders dummen sind doch am witzigsten.«

»Na ja. Hauptsache du kommst mir jetzt nicht mit diesen perversen.«

»Du meinst so wie: Es sind so viele Sterne am Himmel. Holst du mir einen ru-«, scherzt er.

»Ja, genau die meine ich«, unterbreche ich ihn kichernd.

Mit jedem Anmachspruch, den er äußert, wird meine Laune besser. Nicht alleine durch die Sprüche, sondern auch wegen seines Lachens, bei dem man nicht anderes kann, als ebenfalls mit zu lachen.

Es kommen mir sogar ein paar Tränen und ich bekomme Bauchschmerzen von dem geringen Sauerstoff, den ich zwischen den Lachanfällen schnappe. Grayson scheint es wie mir zu gehen.

Er lässt mich für den Moment vergessen und darüber bin ich mehr als glücklich. So lebendig habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Danke, Grayson.

𝐃𝐄𝐄𝐏𝐄𝐒𝐓 𝐒𝐎𝐔𝐋𝐒Where stories live. Discover now