2. Kapitel

212 15 3
                                    

Januar 1949, Sokovia, Russland

Schrei erklingen in den dunkelsten Teile der Burg. Still stehen die Wachen an jeder Zelle. Schreit einer zu laut oder kommt dem Gitter zu nahe werden sie zurück geschlagen. Ängstlich drückt sich die 12-jährige an ihre älter Schwester. Diese läuft mit einem kalten Blick an den vielen Zellen vorbei. Das kleine Mädchen sieht zu ihrer Schwester hoch und greift zitternd fester in das Hosenbein ihrer Schwester. ,,Bitte lass uns wieder gehen!" Doch eine Antwort bekommt sie nicht. Stattdessen drückt ihre Schwester sie noch etwas näher an sich. Durch einen weiteren Gang bleiben sie endlich in einem helleren Raum stehen. Nur eine einzige Liege füllt diesen Raum aus. Geräte liegen nicht weit weg von dieser und die Wände sind mit getrocknetem Blut beschmiert. Das kleine Mädchen löst sich etwas von ihrer Schwester und sieht genauer zu der Liege. Ihre Schwester beobachtet das ganze Stillschweigen. ,,Du bleibst hier und rühr nichts an!" Sie dreht sich um und verlässt den Raum. Alleine sitzt das Mädchen neben der Liege und betrachtet ängstlich das Blut an der Wand. Fragen schwirren ihr in den Kopf. Was ist das bloß für ein Ort und wieso hat man sie hier her gebracht? Plötzlich hört sie ein schweres Keuchen nicht weit von ihr entfernt. Ängstlich springt sie auf und blickt in die Richtung aus dem das Geräusch kam. Mitten in der Wand war eine kleine Zellentür. Dorthin führte eine Spur getrocknetes Blut. Erst wollte das Mädchen schreien. Aber dann merkte sie das die Person in der Zelle starke Schmerzen haben muss. Durch ihre aufkommende Neugier getrieben geht sie langsam auf das kleine Fenster zu. Mit einem vorsichtigen Blick sieht sie in die Zelle rein und stockt geschockt über das Gesehene. Weit in der Ecke der kleinen dunklen Zelle sitzt ein schwer verletzter Mann. Seine Mittellangen braunen Haare hängen ihm tief ins Gesicht so das sie seine Augen nicht erkennen kann. Seine Muskeln sind mit Staub und Dreck bedeckt und seine Lippen stehen leicht offen. Als ihr Blick weiter seinen Körper herab gleitet stockt ihr der Atmen wieder. An der linken Seite fehlt sein kompletter Arm. Lediglich eine schimmernde silberne Prothese aus Metall füllt diesen Platz und hinterlässt eine vernarbte Haut an seiner Schulter. Sie drückt sich die Hände auf ihren Mund um den Schrei nicht entkommen zu lassen. Voller Schmerzen steht der Mann auf und schleppt sich zu dem kleinen Fenster. Stumm mit Tränen in den Augen beobachtet sie ihn. Doch wirklich Angst verspürt sie nicht. Schwer Atmend fällt er vor ihren Füßen zu Boden und starrt mit seinen leeren blauen Augen direkt in ihre braunen. Kein einziges Wort entflieht ihm. Stumm sieht er sie an. Vorsichtig und langsam hebt er seine Hand. Erst zuckt das Mädchen zusammen. Beruhigt sie aber wieder als er seine Hand sanft an das Gitter legt. Für sie war es wie ein Zeichen das sie keine Angst haben muss. Zittrig und langsam legt sie ihre kleine Hand auf seine. Sie tastet seine raue Hand sanft ab und lässt ihre Finger elegant über seine fliegen. Mit etwas mehr Mut hebt sie auch ihre andere Hand und streicht dem älteren sanft die vielen dunklen Strähnen aus dem Gesicht. Stockend hält sie inne als sie das viele getrocknete Blut sieht und spürt eine schreckliche Trauer. Einzelne Tränen laufen ihr über die Wange. Und mit einem Mal setzte sich die 12-jährige ein Ziel. Noch Mals streicht sie ihm sanft durch das Haar. Genießerisch schließt er seine Augen um den Schmerz kurz zu vergessen. Sie lächelt ihn liebevoll an. ,, я не оставлю тебя в покое (Ich lasse dich nicht alleine)!"

2023, New York

Spät am Abend betritt James das kleine Restaurant mit einem Strauß Blumen in der Hand. Immer noch trägt er seine Handschuhe um die Hände zu verstecken. Niemand soll sehen wer er ist oder wissen was er getan hat. Diese Handschuhe sind wie eine Art Schutz für ihn und beruhigt ihn einwenig im Bezug aus seiner Vergangenheit. Begeistert kommt Leah ihm entgegen und freut sich über die Blumen. Sie räumt die letzten Sachen weg und wendet sich dann James vollkommen zu. Lachend führen sie ein Gespräch nach dem anderen und fangen irgendwann an Spiele zu spielen. Wobei James weniger lacht und eher ein kleines falsches Lächeln erscheinen lässt. Irgendwann fragt sie ihn über andere Dates aus was Bucky dazu bringt sein Bier abzustellen. ,,Ich habe diese Online-Dating-Sache ausprobiert. Es ist ziemlich verrückt. Viele seltsame Bilder." Amüsiert sieht sie James an der einen weiteren Schluck von seinem Bier trinkt. ,,Was für seltsame Bilder?" ,,Ich meine, Tigerfotos? Die meiste Zeit weiß ich nicht einmal, was ich da sehe. Es ist... es ist viel." Laut muss Leah auflachen. ,,Du klingst wie mein Vater. Warte, wie alt bist du?" Toll jetzt verglich sie ihn schon mit ihrem Vater. Innerlich muss James aufseufzen. Seiner Meinung nach läuft das ganze hier in die falsche Richtung. Er spürt einfach nicht dieses Gefühl wie damals als er sie das erste mal traf. Schwer Atmend reißt sich James zusammen:,, Einhundertsechs." Als hätte er einen Scherz gemacht lacht Leah wieder laut auf. Um nicht zu sehr aufzufallen lacht James leise mit. Sein Gesichtsausdruck zeigt dagegen wie ernst er das gesagte eigentlich meint. Ein leicht gequältes Lächeln liegt auf seine Lippen und das Unwohlsein schimmert nur so in seinen Augen. Während des näher Kennenlernen spielen beide Schiffe versenken als Trinkspiel. Egal wie oft er verliert und trinkt nicht ein bisschen macht sich der Alkohol bemerkbar. In solchen Momenten hasst James das Serum in seinem Körper. Leah muss ihn doch für verklemmt halten. Und doch sitzt sie lachend vor ihm. Scheint seine Nähe sogar zu genießen. James spürt wie seine eigene Gedanken und Erinnerungen ihm diesen Moment mit Leah zerstört. Sein Gehirn beginnt die junge Frau mit ihr zu vergleichen und die Unterschiede aufzuzählen. Er verspürt ein kurzes Stechen in seiner Brust und versucht diese Gedanken zu verdrängen. Plötzlich kommen beide auf das Thema Nakajima und sein Sohn. Leah erzählt was seinem Sohn passiert ist und wie er umgebracht wurde. Doch als sie sein Gedanke vertieft wird James immer unruhiger. Das Gesicht des Toten jungen Mann erscheint vor seinem Gesicht. Schnell steht James auf und läuft eilig mit einem ,,Ich muss jetzt gehen" aus dem Restaurant raus. Wut auf sich selber verbreitet sich in ihm. Zitternd quetschte er seine Hände zu Fäusten und betritt das große Wohnhaus. Schnell durchquert er den Flur bleibt aber bei Nakajima's Haustür stehen. Er schluckt schwer auf, geht dann aber rüber und klopft an die dunkle Tür. Sofort öffnet sich diese und ein trauriger alter Mann sieht ihn an. ,,James was tust du hier? Ist das Date gut verlaufen?" Wieder schluckt er schwer auf und weiß erst nicht was er sagen soll. Sein Blick schweift durch die Wohnung und bleibt an dem Denkmal hängen. Trauer und Wut erfasst ihn wieder. ,,Ja...Ich schulde dir noch was." Er gibt ihm das geschuldete Geld und verlässt zügig den Flur um in seine eigene Wohnung zu kommen.

Erschöpft lässt sich Taylor auf den Stuhl neben ihrem Patienten gleiten. Mittlerweile ist es schon stockfinster draußen. Die ältere Frau sieht lächelnd aber auch besorgt zu der jungen Ärztin. ,,Dr. McGreyson sie sollten sich wirklich mal eine Pause gönnen!" Lächelnd öffnet sie ihre Augen. ,,Ich weiß aber meine Schicht geht noch ein paar Stunden." Überlegend kratzt sich die alte Frau am Kinn. ,,Bleiben sie doch eine Weile hier und schauen mit mir zusammen die Nachrichten. Dann haben sie wenigstens etwas Ruhe für kurze Zeit." Taylor seufzt. Sie muss wirklich kurz verschnaufen. Immerhin wurde sie noch nicht wieder angepiepst. Nickend richtet sie sich etwas im Stuhl auf. Taylor greift sich die Fernbedienung und schaltet den Fernseher etwas lauter damit beide auch hören was passiert. Gelangweilt von den immer wieder aufkommenden Erzählungen über den Blip holt sie ihr Handy raus. Schwer atmet sie auf. Mit etwas mehr Mut tippt sie auf den Kontakt ,Sam Wilson'. Gerade will sie eine Nachricht tippen als die alte Frau ein entsetzten Laut von sich gibt. ,,Oh gütiger Gott!" Sofort schaut Taylor auf den Bildschirm. Der Direktor des städtischen Museums hält seine Rede über Helden und gibt einen neuen Preis. Dieser betritt langsam Schritt für Schritt die aufgebaute Bühne. Geschockt weiten sich ihre Augen und Taylor hält den Atem an. Mit Tränen tippt sie Sam eine Nachricht ein, wobei ihr Herz immer schwerer wird.

,Wie konntest du das nur zu lassen!'

Winter Phantom Where stories live. Discover now