Kapitel 18

380 20 5
                                    

Suga öffnete Daichi, welcher immer noch den wimmernden Hinata trug, die Tür zum Bungalow. Der Teamkapitän steuerte, ohne nachzudenken, den Gemeinschaftsraum an und setzte Hinata auf dem Sofa ab. Dieser zog Arme und Beine eng an seinen Körper und verzog schmerzerfüllt sein Gesicht. Er hatte das Gefühl, sein Herz wäre in Abermillionen kleinster Teile zersprungen. Ein wieder Zusammensetzen schien ihm in diesem Moment ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Alles in ihm zog sich zusammen und schmerzte fürchterlich. Er nahm seine Teamkollegen, welche sich alle in dem Raum versammelt hatten und mit hilflosen Gesichtern auf ihn hinabschauten, nur am Rande wahr.

Als die Tür zum Gemeinschaftsraum geöffnet wurde und Noya mit Kageyama im Schlepptau das Zimmer betrat, wandten sich sämtliche Gesichter den Neuankömmlingen zu. Im Zentrum der Betrachter stand jedoch Kageyama, welcher nur einen flüchtigen Blick auf den zusammengerollten Hinata warf und sich mit einem lauten Seufzer in einen der Sessel fallen ließ.

Hinata spürte sofort die Anwesenheit seines Setters und zog seine Arme ein Stück weit nach unten, sodass seine Hände nun nicht mehr unmittelbar vor seinem Gesicht lagen und er einen Blick auf den Schwarzhaarigen, welcher an der gegenüberliegenden Wand saß, werfen konnte. Sofort stiegen neue Tränen auf. Zu schmerzhaft war die Vorstellung, dass Kageyama ihn tatsächlich abweisen würde, weil er schwach und nutzlos war.

Shimizu unterbrach seine weiteren Gedanken. Als sie von der Prügelei gehört hatte, war sie sofort in das Badezimmer gelaufen, um den Verbandskasten zu holen. Yachi bat sie, warmes Wasser für die Säuberung der Wunden bereit zu stellen. Nun saß sie neben ihm auf der Couch und befreite sein Gesicht von Dreck. Bis auf eine kleine Platzwunde auf der Wange, begrenzten sich Hinatas Verletzungen auf blaue Flecke, sodass die Versorgung der Wunde schnell erledigt war. Shimizu und Yachi verließen gemeinsam das Zimmer, nachdem sie fertig waren. Sie wussten, die Jungs brauchten einen Moment unter sich. Erneut legte sich eine bedrückte Stimmung über alle Anwesenden.

Auf einen Wink von Suga verließen auch die restlichen Teammitglieder den Gemeinschaftsraum. Er selbst wandte sich Hinata zu, hockte sich vor ihn und legte eine Hand auf dessen Schulter.

„Du musst dich ausruhen Hinata, wieder zu Kräften kommen." Mit diesen Worten stand er auf und ging auf die Tür zu. In diesem Moment machte auch Kageyama Anstalten, sich zu erheben.

„NEIN!" Mit einem Aufschrei, der nicht nur Kageyama hochschrecken, sondern auch Suga sich überrascht umdrehen ließ, sprang der kleine Mittelblocker von der Couch und stürmte zu dem Schwarzhaarigen. Dieser war von der Wucht, mit der sich Hinata um seine Hüfte schlang, völlig überrumpelt und fiel zurück in das Sitzmöbel. Der Kleine kniete nun vor dem Sessel und hatte seinen Kopf auf Kageyamas Bauch abgelegt.

„Du darfst nicht gehen!", rief er verzweifelt.

„Hinata...", mehr brachte der überraschte Setter nicht heraus.

„Du bleibst wohl auch besser hier, Kageyama", sagte Koshi, sah Kageyama bedeutungsschwer an und verließ den Raum. Als er die Tür hinter sich schloss, sperrte er die Außenwelt aus und ließ Hinata und Kageyama in ihrer eigenen Welt zurück.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der niemand etwas sagte oder sich bewegte, platze es aus Kageyama heraus.

„Hinata, jetzt steh endlich auf! Und hör verdammt noch mal auf zu heulen, mein T-Shirt ist schon total nass!"

Der Angesprochene bewegte jedoch nur seinen Kopf an Kageyamas Bauch hin und her und krallte sich nur noch mehr in dessen Oberteil.

„Wenn ich dich loslasse, dann verlässt du mich wieder!"

Noch mehr Tränen kullerten über seine Wange und wurden von Kageyamas T-Shirt aufgezogen. Es blieb eine ganze Weile still. Hinata war sich sicher, Kageyama würde einfach ignorieren, was er eben gesagt hatte.

„Idiot. Ich verlasse dich nicht", hörte Hinata nun endlich die wohl vertraute Stimme seines Setters. „Wirklich nicht?", fragte er hoffnungsvoll.

„Wirklich nicht", antwortete Kageyama. „Und jetzt komm endlich hoch", fügte er leicht genervt hinzu. Als Hinata sich erneut in seinem T-Shirt vergrub, entwich ihm ein ungeduldiges Stöhnen. Er beugte sich nach vorne, griff mit der rechten Hand seitlich unter Hinatas Beine und langte mit der linken an seinen Rücken. Mit Leichtigkeit hob er seinen Spiker hoch, setzte ihn auf sein linkes Bein und lehnte ihn gegen seinen Oberkörper, Hinatas Kopf landete in seiner Halsbeuge. Seine Beine lagen zum Teil auf Kageyamas rechtem Bein und hingen zum anderen an der Seite eben jenen Beines nach unten.

Es war nicht nur Hinatas Herz, welches kurz aussetzte, auch sein Verstand schien von der plötzlichen Nähe überfordert. Eine warme Woge durchzog seinen Körper von Kopf bis Fuß. Er legte seinen Arm auf Kageyamas Brust und kuschelte sich noch intensiver an ihn heran. Seine Wärme, sein unfassbar guter Duft und die Berührung seiner Hände auf seiner Taille und seinen Beinen ließen ihn beinahe den Verstand verlieren. „Ich liebe dich, Tobio", fasste Hinata die Gefühle, die in ihm tobten, zusammen.

„Das habe ich dir doch letztes Mal schon erklärt. Das geht nicht, Hinata. Du bist ein Junge, ich bin ein Junge. Verstehst du?" Kageyama durchzog ein mulmiges Gefühl, als er diese Worte aussprach.

„Das ist mir egal", antwortete Hinata prompt. „Ich möchte mit dir zusammen sein, Kageyama. Für immer."

„Hinata..., verdammt...", mehr brachte Tobio Kageyama, der immer coole Setter des aufstrebenden Karasuno-Volleyballteams, nicht hervor. Stattdessen legte er nun seine Hand an Hinatas Kopf, schloss die Augen und genoss die Nähe zu seinem Spiker.

Da sie kurze Zeit darauf völlig erschöpft einschliefen, hörten sie die sich leise öffnende Tür nicht. Suga streckte seinen Kopf in das Zimmer und war mit dem vorgefundenen Anblick mehr als zufrieden. Er zog sein Handy aus der Tasche und hielt den Moment fotografisch fest. Nachdem er es wieder verstaut hatte, schlich er zur Couch, nahm die zusammengefaltete Decke und breitete sie über Hinata und Kageyama aus.

„Schlaft gut, ihr zwei, ihr habt es verdient", murmelte Koshi mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht und ließ die beiden wieder in ihrer Zweisamkeit zurück.

Was der aus dem Zimmer schleichende Setter nicht bemerkte, war die wutverzerrte Fratze draußen vor dem Fenster. „Na warte, Shoyo Hinata, damit wirst du mir nicht so einfach davonkommen."

Er soll Mein seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt