~Teaser~

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In dieser Welt allein zu sein bedeutete etwas ganz Besonderes. Es war keine Einsamkeit - es war die Macht der Möglichkeit zu verschwinden, in seinem eigenen Kopf, in einer Phantasiewelt, die es, unserer heutigen Wissenschaft nach, nicht geben dürfte... zumindest nicht durch einen See erreichbar. Man ist woanders, man ist einfach raus und hat die Freiheit ohne Verpflichtungen zu leben - solange man auf sich allein gestellt leben kann. Ansonsten ist man, wie auch in unserer Welt, gezwungen, sich der Gesellschaft und ihrem Gesetz zu unterwerfen.

Aber solange man ziellos durch unerforschte Länder und Klimazonen, Vegetationszonen und Areale streifen kann, um jeden Tag etwas Neues zu finden, zu entdecken, das einem den Atem raubt, ist man freier denn je. Es gab schon immer Spekulationen - Parallelwelten... wie gelangt man in eine parallele Welt, die also auf einer 'Linie' liegt, die unsere 'Linie' niemals kreuzen wird und kann, wenn man es mit der mathematischen Definition verglich? Man muss unsere Linie endgültig und entscheidend verlassen... die Hauptspekulation bezieht sich auf den Tod. Der Tod reißt uns heraus, aus der Linie, die wir als unser Leben kennen. Aber was ist, wenn es noch viele Möglichkeiten mehr gäbe? Viele Welten mehr? Oder einfach einen See... Magie ist nicht mehr surreal. Sie ist keine Fiktion mehr.

Nicht mehr für mich.

Wenn man auf der Spitze eines Hügels auf einer Wiese sitzt, vor einem die verschiedensten Täler, und sich plötzlich hinter den Bergen ein Drache erhebt. Wenn eine Elfe beginnt zu singen. Oder eine Nymphe die Menschen im Wasser verschlingt. Wenn die Elben die Wunden der Welt heilen und die Menschen leben, um das Leben von ihnen und dem Rest der Welt zu vereinen, wenn sie alles beobachten, analysieren, kategorisieren, damit kein einziges Leben übersehen und vergessen wird. Denn Leben ist wertvoll.

Dann ist man angekommen in dieser Welt.

***

Der Himmel war lila, keine Wolke war zu sehen, nur goldene Sterne. Warmer Wind rauschte durch die Wälder und Flure, zerzauste das Gras und ließ schwache Blätter durch die Lüfte flattern. Es roch nach Hitze und Blüten, Honig und frisch geschnittenem Gras.

Am Horizont, dort, wo mein Blick haftete, wo die gerade versunkene Sonne den Himmel in flammenden Brand gesteckt hatte, erstrahlte das feurige Orange und zog mich an. Ich war nicht müde, obwohl die Nacht nahte. Ich wollte zu diesem Licht, zu den niedrigen Hügeln am Horizont, überwuchert von dichtem Wald, aber voll märchenhafter Lichtungen, die im Halbdunkel zu unnahbaren, rätselhaften Flächen im Verborgenen wurden.

Irgendwo in diesem Tal, dieser Art Kessel, eingerahmt von sanften Hügeln, lag der zweite Zugang zu den Welten. Zu meiner Welt? Zu einer anderen? Das wusste niemand. Sicher war nur, dass das Amulett nicht ausreichte. Smaragd. Silber. Irgendetwas in der Art, etwas, das ich nicht besaß, das niemand besaß. Diesen Schlüssel besaß nur der, der ihn in den Händen hielt, kein Gesetz der Existenzen schützte ihn.

Diebstahl. Goldgier. Macht. Verbrechen. Der Zweck heiligte die Mittel.

Aber eines war sicher - der Fluch, mit dem der Schlüssel, wie das unbekannte Stück für den Zugang genannt wurde, belegt war, war tausendmal schlimmer als der des Goldsees. Er berief sich auf die besten Strafen.

Auf Fluch und Segen.

Alles, was der Besitzer des Schlüssels berührt, verwandelt sich augenblicklich in pures, reines Gold. Der Segen - das unendliche Gold. Der Fluch - alles berührte Leben erstarrt zu goldenem Tod. Es bedeutete das Ende.

Darum seien die Sterne dieser Welt golden - der Hüter des Schlüssels habe die Sterne zu fangen versucht bevor er starb, heißt es.

Ich liebte diese Mysterien. Die Unmöglichkeit, der nichts im Wege stand. Das Land, der begrenzten Unmöglichkeiten. Hier war nichts unmöglich.

***

Am Horizont stieg Rauch gen Himmel. Und hinter mir tauchte Joshua auf, das Blut von der Klinge seines Schwertes wischend.

"Denen ist wieder ein Drache durchgegangen... ich hasse es, Drachen zu töten."

Ich fuhr herum. "Bitte was? Du hast einen Drachen getötet?!"

Joshua starrte mich an, als hätte er eine Nymphe vor sich, statt mir. "Um Gottes Willen, niemals!"

Ich kam näher und tippte in das Blut an der Klinge. Blut war Blut, ein Mensch wie ich konnte dort keinen Unterschied feststellen, doch Drachenblut hatte diese seltsame, ölig bunt schimmernde Farbe, die unverkennbar war.

Tatsächlich war es Drachenblut.

"Blöde Geschichte", murmelte er, "er hat sich im Sterben gequält und ich sollte es beenden... ich will das nicht mehr." Er schüttelte sich. "Ich hab's nicht gemacht, irgendwer von euch war es dann, aber... ich bin aufgetaut. Ohne mit der Wimper zu zucken geht das nicht mehr."

Ich stellte mich zu ihm, wischte das Blut an meinen Fingerspitzen im Gras ab. "Das? Meinst du Töten? Du sollst es auch nicht... und erst recht nicht ohne mit der Wimper zu zucken... ist doch alles gut so." Ich schaute zum Horizont, dann in Joshuas zerknirschtes Gesicht. "Danke, dass du nicht mehr tötest. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man für die Garde arbeitet." Es war eine Erleichterung.

Er nickte. "Sie haben uns darauf hin getrimmt. Aber jetzt ist das vorbei. Ich habe mich entschieden - ich gehe nicht wieder zurück." Er ließ den Degen vor sich in das Gras fallen. "Niemals."

Golden FairytaleWhere stories live. Discover now