[3] Jungennamen, Mädchennamen

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10 Monate zuvor

Quinn musste in dieser Woche schon zum zweiten Mal in eins der Militärfahrzeuge steigen. Sie hoffte wirklich, das wurde nicht bald zur Gewohnheit.

"Wir ziehen deinen Wagen später aus dem Dreck und einer meiner Männer wird ihn beim Krankenhaus abstellen.", meinte der Corporal und wandte den Blick für keinen Moment von der holprigen Straße.

"Danke."

Doch bei seinem nächsten Kommentar, hätte sie ihre Dankbarkeit am liebsten wieder zurückgezogen.

"Wer kommt aber auch auf die bescheuerte Idee, mit so einem Wagen durch die matschige Wildnis zu fahren? Haben sie das etwa schonmal gemacht, Doktor?" Der Corporal betonte das letzte Wort besonders stark. Auf eine Weise, die klarmachte, wie absurd er das fand. Sie?! Ein Doktor?!

"Hätte ich es nicht gemacht, wäre ich noch später gekommen." Wieso erklärte sie sich überhaupt? Eigentlich wollte Quinn noch etwas kluges hinterher werfen, aber ihr fiel leider garnichts ein. Genau deswegen wechselte sie schlagartig das Thema.

"Roman, also?"

"Sollte das eine Frage sein?" Quinn hätte bei seiner gespielten Unwissenheit fast die Augen verdreht, aber sie wollte sich von ihm nicht reizen lassen. Sie verschränkte die Arme und sah wieder aus dem Fenster hinaus, schweigend.

Auch wenn sie sich sehr bemühte, ihn zu ignorieren, entging ihr nicht der amüstierte Seitenblick zu ihr.

Dieser Mann hatte wirklich einen seltsamen Humor.

"Also, ich heiße Roman, aber das weißt du ja eigentlich schon. Und du?"

Quinn war zuerst überrascht, dass er so informell sprach...und dann auch noch freundlich. Aber sie raffte sich wieder zusammen und stellte sich ihm nun ganz offiziell vor.

"Quinn."

"Quinn?!", rief er verwirrt aus. "Haben sich deine Eltern so sehr einen Jungen gewünscht?"

"Was? Wieso fragst du?"

"Weil das ganz offensichtlich ein Jungenname ist." Er lachte und seine Augen wurden dabei zu kleinen Schlitzen.

"Es ist ein Jungen und Mädchenname.", widersprach Quinn - sich selbst und alle weiblichen Quinns da draußen verteidigend.

Aber damit ließ er sich nicht so einfach abspeisen und konterte: "Da wo ich herkomme, ist das jedenfalls ein Jungenname...Quinn hört sich für Mädchen nämlich viel zu hart an."

"Dann musst du aus einem sehr sexistischen Land kommen."

Roman schmunzelte über diese Anschuldigung und Quinn fiel auf, wie anders er aufeinmal war. Wäre die Soldatenuniform nicht, hätte Quinn ihn kaum als solchen erkannt, denn seine ganze Ernsthaftigkeit und Autorität war wie von ihm abgefallen.

"Und wie ist der Name dieses sexistischen Landes?", witzelte sie und konnte ihre Neugierde einfach nicht zurückhalten.

"Rate.", forderte er sie heraus und Quinn hatte sofort eine leise Vorahnung.

"China."

"Wegen meinem Nachnamen? Nein. Mein Vater ist halb Chinese, halb Spanier und meine Mutter Spanierin."

"Dann lebst du in Spanien?"

Er nickte und schaute kurz zu ihr herüber. Quinn merkte, dass er sie ebenfalls nach ihrer Herkunft fragen wollte, aber er wusste natürlich schon die Antwort.

Australier waren Australier. Und war man hier geboren, führte auch kein Weg hinaus, denn das Gesetz verbat es jedem Einwohner, aus dem Land zu reisen.

Doch das hatte Quinn und ihre Freunde natürlich niemals davon abgehalten, über all die Reisen zu fantasieren, oder sich Fotos von ihren Lieblingsorten anzusehen.

Quinn konnte nicht anders, als sich von diesen Erinnerungen einlullen zu lassen und ihre Seele tanzte plötzlich imaginär über eine grüne Wiese.

"Was ist?" Corporal Wáng versuchte, aus ihrem neuartigen Stimmungsaufstieg schlau zu werden.

"Ach nichts." Ihr breites Lächeln verflog für keinen Moment, während sie plötzlich nicht mehr im Wagen zu sitzen schien, sondern irgendwo da draußen in der großen weiten Welt. Wo würde sie wohl als erstes hinreisen? Sie hatte sich noch nie wirklich entscheiden können.

"Na gut." Er drängte sie nicht weiter und konzentrierte sich stattdessen auf die Straße, die langsam in einen aufgeplatzten Teerboden überging.

Nach unbestimmter Zeit sagte Roman das Offensichtliche voraus: "Wir sind gleich da."
Und hielt den Wagen direkt vor dem Haupteingang.

Quinn zwang ihre Aufmerksamkeit wieder zurück und stieg dankend aus dem Auto aus. Sie lief auf den Eingang zu, hielt dann aber inne und drehte sich noch einmal um. Der Militärwagen entfernte sich bereits wieder und sie unterdrückte den feigen Wunsch, einfach in dem kühlen Krankenhaus zu verschwinden.

Also hob sie ihre Hand und winkte ihm zum Abschied, während sie genau wusste, dass Roman sie durch den Rückspiegel beobachtete.

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"Das tut jetzt überhaupt nicht weh.", meinte Quinn und stieß die Spritze mit einem Ruck durch die zarte Haut am Oberarm.

"Autsch!"

Ein Junge im Alter von 9 Jahren saß auf der Behandlungsliege und schaute mit ängstlich geweiteten Augen zu ihr auf.

Seine Mutter auf dem Stuhl neben der Tür rügte Quinn mit ihrem Blick, sagte aber kein Wort.

Mit einem unangenehmen Gefühl aufgrund der bohrenden Augen der Mutter, klebte Quinn ein Pflaster auf die Stelle und lächtelte dem Jungen ermutigend zu.

Plötzlich, mitten in der Behandlung, klingelte Quinns Handy. "Einen Augenblick kurz."

Sie dachte, es wäre ein Notfall, eine Nachricht von ihrem Chef oder vielleicht von einem Kollegen, aber das, was sie dort sah, ließ sie kurz auflachen.

"Schau." Quinn hielt dem Jungen das Handy vor die Nase, damit er es lesen konnte, aber natürlich verstand er nicht.

"Ich hab soeben eine Erinnerung bekommen, dass ich mich heute selbst noch impfen muss. Die gleiche Impfung wie du."

Der Junge lachte. Ob er sie aber auslachte, wusste sie nicht so genau. So oder so lachte sie leicht mit und meinte dann: "Na, jetzt bist du fertig für heute."

Man konnte ihm ansehen, dass das genau die Worte waren, die er hören wollte und sofort sprang er von der Liege und flitzte, ohne sich nochmal umzudrehen, aus dem Raum.

Quinn setzte sie auf den Drehstuhl und öffnete ihren Kalender. Sie musste nachsehen, ob sie heute noch ein bisschen Freizeit hatte, um dort die Impfung einzubringen, aber da ihre Mittagspause schon vorbei war, müsste sie bis 20 Uhr durcharbeiten.

Sie gähnte und fühlte sich durch die Aussicht auf weitere 4 Stunden Arbeit kein bisschen wacher. Vielleicht, nur vielleicht, konnte sie irgendwann für 2 Minuten die Augen schließen.



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⏰ Last updated: May 10, 2021 ⏰

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Bändiger - In den DschungelWhere stories live. Discover now