Kapitel vierzehn

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Sie hatte eigentlich erwartet, dass sie den Weg zum Meer einschlagen würden, stattdessen marschierten sie in Richtung der Berge. Und sie gingen schnell. Viel zu schnell. Selbst Troll schien Mühe zu haben ihnen folgen zu können und schon nach zehn Minuten bekam Isabel fürchterliches Seitenstechen. Sie rang nach Atem, schwitzte und sehnte sich nach einer Pause. Sie fluchte innerlich, weil ich nichts zu trinken mitgenommen hatte, denn ihre Zunge klebte bereits unangenehm am Gaumen. Kristian hingegen sah man die Strapazen überhaupt nicht an. Er wirkte nicht ein bisschen erhitzt oder erschöpft und seine Brust hob und senkte sich ruhig und gleichmäßig, während sie selbst japste wie ein Fisch an Land.

„Ich kann nicht mehr!", rief sie irgendwann und ließ sich, wo sie stand, auf den Boden plumpsen.

Troll legte sich augenblicklich neben sie und hechelte. Auch er war so ein Tempo nicht gewöhnt.

„Sind wir ein bisschen zu flott?"

„Ein bisschen?! Wenn wir nur noch einen Hauch schneller gehen, fängt die Uhr an, sich rückwärts zu drehen«, gab sie bissig zurück. Ihr Magen knurrte.

Kristian grinste. „Es tut mir leid."

„Wenn es dir leidtäte, würdest du nicht grinsen wie ein Honigkuchenpferd", maulte Isabel. Noch offensichtlicher hätte er gar nicht lügen können. „Außerdem frage ich dich, ob dir bewusst ist, dass wir uns immer weiter vom Meer entfernen. Bis jetzt dachte ich eine Bucht hätte irgendetwas mit Wasser zu tun."

„Sei doch nicht so ungeduldig."

„Pah! Das sagst gerade du. Du rennst doch, als wären wir auf der Flucht."

„Und du scheinst dich erholt zu haben." Er schmunzelte. „Immerhin hast du genug Atem übrig um dich zu beklagen."

Unwillkürlich schämte sie sich. „Also gut, dann lass uns weiter gehen." Sie stand auf, drehte sich um, und stapfte los. Troll hob seinen schweren Kopf und warf ihnen einen entrüsteten Blick zu, ehe er mühsam wieder hochkam. Nach ein paar Schritten blieb Isabel stehen.

„Was ist los? Warum kommst du nicht?"

Kristian lehnte mit verschränkten Armen lässig an einem Baum.

„Ich würde nur ungern den ganzen Weg wieder zurückgehen. Schließlich sind wir gleich da." Sein Grinsen war breiter als der Skagerrak. »Es geht da lang.« Er deutete in die entgegengesetzte Richtung.

Warum tat sich nicht einfach die Erde auf und verschluckte sie? Isabels Wangen glühten, als sie hoch erhobenen Hauptes zurückstapfte, an Kristian vorbei, der immer noch schallend lachte.

Natürlich holte er sie schnell wieder ein und nach ein paar stummen Minuten bemerkte Isabel, dass seine Schultern zuckten.

Auch sie begann zu kichern. Leise zuerst, dann immer lauter, bis sie schließlich lauthals herausplatzte.

„Wie du an mir vorbeistolziert bist, ..." Kristian hielt sich mit einer Hand am Stamm einer Tanne, während er sich bog vor Lachen.

Sie standen sich gegenüber und lachten, bis ihnen die Bäuche weh taten und sie beide nach Luft rangen.

Dann verfingen sich ihre Blicke und das Lachen verebbte und Isabel tauchte ein in die Wärme seiner Augen.

„Komm!", flüsterte er. Sein Atem kitzelte ihr Ohr. Isabel bebte. „Es ist nicht mehr weit. Ich verspreche es dir."

Langsam drehte er sich um und zog sie hinter sich her. Hand in Hand. Isabel wäre mit ihm bis ans Ende der Welt gegangen. Und darüber hinaus.

In diesem Augenblick hatte sie noch keine Ahnung, wie nahe sie dabei der Wahrheit war.

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