Unsere kleine Lüge

259 42 12
                                    

„Fick dich!" ,ruft Anna mir noch zu, rennt aus der Wohnung und knallt die Tür hinter sich zu.

„Scheiße!",entfährt es mir, wieso mussten wir so eine abgefuckte Beziehung führen?! Es ist schon seit einem Jahr immer wieder das gleiche: Streit, Alkohol, Sex. Wieso konnten wir keine normale Beziehung führen, mit Liebe und all dem Scheiß? Aber gleichzeitig ist es genau so wie es ist perfekt. Unsere kleine Lüge. Die eine Bulimie-krank, der andere manisch Depressiv, beide Junkies, beide Lieben sich und verletzten sich so auch selber im schlimmsten Sinne. Liebe ist das beschissenste Ding dieser scheiß Welt! Doch ich brauche sie, ich will Anna. Sie liebt mich nicht, nur wenn sie betrunken ist, aber das ist mir egal. Unsere Beziehung ist eben speziell. Ich greife nach meiner Flasche und werfe sie mit voller Wucht gegen die Wand. Aber es tat gut etwas zu zerstören. All diese Scherben auf dem Boden, gefährlich, gebrochen, wie wir. Wunderschön. Was ist bloß los mit mir? Ich werde ja sogar schon poetisch. Ich brauche Ablenkung, also gehe ich raus. Am Ende der Straße steht ein Dealer, er hat scheiß Zeug. Es ist immer total gestreckt, aber ich habe keine Lust und kein Geld jemand anderen zu suchen. Er verkauft mir irgendein neues Zeug, keine Ahnung was es ist, schlucke es aber trotzdem und gehe weiter durch die Straßen. Irgendwie zeigt die Scheiße keine Wirkung, ich muss nur immer wieder kotzen.

Jetzt sehe ich ein paar große Typen auf mich zukommen, sie werden meine Ablenkung. Ich remple sie an und spüre sofort die erste Faust in meinem Bauch. Sie treten auf mich ein und ich genieße den Moment. Die einen verletzen sich mit Klingen oder spielen mit dem Feuer. Ich hole mich hier meinen Kick. Ich vergesse für einen Augenblick alle meine Probleme, sogar Anna. Konzentriere mich bloß auf meinen Schmerz.

Sie sind fertig mit mir und gehen, doch ich bleibe noch eine Weile liegen und spüre, dass ich lebe. Irgendwann raffe ich mich doch dazu auf aufzustehen. Und fuck, mir tut alles weh. Mein Adrenalin ist weg und jetzt spüre ich ersten den ganzen Schmerz. Ich schleppe mich zu unserem Haus. Wieso müssen es so viele verdammte Stufen bis zu unserer Wohnung sein?

In der Wohnung angekommen, sehe ich mich um. Wir leben wie die Junkies. Einzimmerwohnung, fleckige alte Tapete, Matratze auf dem Boden, überall verstreute Kleidung. Es ist perfekt. Nein, ich hasse dieses scheiß Leben, ich hasse alles hier und doch ist es perfekt. Ich lege mich auf unser Bett und versuche zu schlafen.

Nun ist es schon morgen, wo bleibt Anna? Ich bring sie um, ich schwörs! Die Tür geht auf und Anna kommt rein. Sie stinkt nach Alkohol, ich nach kotze. Passt. Sie legt sich zu mir und umarmt mich von hinten. „Ich liebe dich, Luke." ,lallt sie in mein Ohr. Unsere kleine Lüge. Ich liebe sie nicht, sie liebt mich nicht, doch wir haben sonst niemanden. Scheiß drauf, es ist mir verdammt noch mal egal. Wir machen das besten und gleichzeitig das schlimmste draus. Ich drehe mich um, umarme sie und flüstere: „Ich liebe dich auch."

Es bleibt für immer unsere kleine Lüge.

AnnaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora