Lebewohl

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Jetzt steht sie da, vor seinem Grab. Alle um sie herum weinen still und leise. Nur sie nicht. Sie spürt den Regen auf ihrer Haut, hört den Pastor erzählen, sieht schwarz gekleidete Menschen unter ihren Regenschirmen weinen. Was für ein Klischee. Sie hingegen ist steif, ohne jegliche Emotionen, doch sie will schreien, auf ihre Knie fallen und schreien. Ihre Wut gegen ihn raus schreien. Er hat stets gelacht und war gleichzeitig herzlos. Er wurde ihr egal. Er war verrückt, doch nun ist er fort. Sie konnte ihm nicht einmal "Lebewohl" sagen, ihn nicht noch einmal sehen. Sie hat nie viel von ihm gehalten, aber ein "Lebewohl", dieses kleine Wort, sie hätte es ihm noch so gerne gesagt.

Doch sie kann nicht. Er ist einfach weg. Für immer. Sie wird es ihm nicht mehr sagen können. Sie steht nur da, kalt und gefühllos. In ihren Augen sieht man keine Träne, doch würde jemand genau hinsehen, würde er etwas viel stärkeres und schlimmeres sehen: Die Wut, um das nie ausgesprochene "Lebewohl". Die Leere, weil ein Teil fehlt. Die Hilflosigkeit, weil sie nicht weiß wohin. Aber vor allem ihre gebrochene Seele.

"Lebewohl", sagt sie, sodass es keiner hört, wirft eine Rose in sein Grab und geht. Sie wird ihn nie wieder sehen, weder ihn, noch sein Grab.

Sie geht für immer.

AnnaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora