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Der Flur war erstaunlich steril. Es war eindeutig, dass dieser Bereich nicht Teil der Show war. Kaltes, weißes Plastik in großen Fliesen wo das Auge hinsah.
"Hier entlang." Der ehemalige Schattentänzer Shinji übernahm die Führung. "Der Ausgang ist zwei Stockwerke über uns. Aber wir müssen einige Umwege gehen."
Mit den ausladenden Kleidern passen kaum zwei Frauen nebeneinander. Lange war nichts zu hören, außer das Rascheln der Kleider und ab und an ein Wimmern. Anna hatte aufgehört, sich zu wehren. Sie versuchte jetzt eine andere Masche, aber Jane kaufte ihr die Tränen, die über ihre Wangen kullerten, keinen Moment ab.

Mittlerweile hatten alle Frauen und die beiden Männer ihre Masken abgenommen. Es spielte keine Rolle mehr, ob man sie sah oder nicht. Die Spielemacher wussten längst, wer an diesem Ausbruch beteiligt war.

Obwohl Jane sich die größte Mühe gab, nach außen hin ruhig zu erscheinen, rauschte ihr das Blut in den Ohren. Ihr Herz hämmerte so heftig, dass die ausladenden Rüschen ihres Kleides zitterten. In ihrem Kopf rasten die Gedanken umher und ließen ihr kaum die Zeit, auch nur einen zuende zu denken. Sie waren dem Ziel so nah!
Aber, flüsterte immer wieder eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Aber was, wenn etwas schief geht.
Jane hatte nicht vergessen, was sie all die Zeit über belastet hatte. Die Staturen. Ja, man hatte sie gerettet, als Prinzessin Jane aufgegeben hatte. Aber das hier war etwas anderes. Das hier war sie selbst. Sie gegen die Leute außerhalb des Schlosses. Ihre Finger krallten sich in den empfindlichen Stoff ihres Rocks. Nein, antwortete sie dem Zweifel in ihrem Kopf. Sie würde nie wieder zurück gehen. Wenn sie dafür sterben musste, dann würde sie es dieses Mal mit erhobenem Haupt tun.

"Wie weit ist es noch?" Shinji war wahrscheinlich noch nervöser als die Frauen, denn er zuckte so heftig zusammen, dass er ins Stolpern geriet.
"Da vorne sind unsere Umkleiden", erklärte er flüsternd und legte sichtlich seinen Finger an die Lippen, damit alle Prinzessinnen schwiegen - nicht, dass es nötig gewesen wäre. Niemand hatte auch nur ein Wort verloren, seit sie das Schloss verlassen hatten. "Es dürfte niemand da sein, aber wir sollten trotzdem nicht blind hinein stürmen."
Jane nickte.
Umkleiden. Das musste bedeuten, dass sie nicht mehr weit von der Freiheit entfernt waren. Noch immer hielt sie den Stoff fest zwischen ihren Fingern. Ihre Hände hatten sicher schon Schweißflecken hinterlassen, aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle.

Auch diese Tür ließ sich mit einem leisen Piepen von Shinji öffnen. Er spähte hinein und bedeutete Jane zu warten, bis er sich umgesehen hatte. Mit einem Fuß in der Tür gehorchte Jane. Sie vertraute Naomi und wenn diese wirklich ihren Bruder in dem Schattentänzer erkannt hatte, musste sie sich darauf verlassen, dass er tatsächlich hier war, um sie zu befreien.
"Atme mal tief durch", flüsterte Efe in Janes Ohr. "Du bist so blass, dass ich Angst hab, du fällst gleich in Ohnmacht." Sie ergriff die eiskalte Hand ihrer Freundin und löste langsam die verkrampften Finger aus dem Rock.
Janes Lungen brauchten einen Moment, bis sie sich daran erinnerten, wie man tief durchatmete. "Wir sind so kurz davor", wisperte Jane zurück. "Ich habe Angst", gestand sie mit zitternder Stimme. "Ich habe Angst, mir falsche Hoffnung zu machen." Sie blinzelte die Tränen zurück. Weinen konnte sie immer noch, wenn sie draußen waren.
Efe drückte ihre Hand fester. "Wir haben das Spielfeld verlassen. Das ist mehr, als ich mir je erträumt habe. Dank dir."

"Was geht hier vor sich?!" Eine panische Stimme durchbrach den winzigen Moment des Friedens, den Jane empfunden hatte. Ein Mann in Uniform war vor ihnen im Flur aufgetaucht. Sie waren so darauf fokussiert gewesen, dass niemand in den Umkleideräumen von ihnen Notiz nehmen würde, dass sie gar nicht auf den Gedanken gekommen waren, was wohl weiter den Flur entlang auf sie warten würde.
Der Mann hatte sein Gewehr im Anschlag, doch seine Augen zuckten unsicher zwischen den Frauen in den bunten Kostümen hin und her. Er war alleine, offensichtlich nur zufällig gerade in diesem Moment in gerade diesem Gang.
"Stehen geblieben!", rief er, doch ein winziger Hüpfer in der Tonlage verriet ihn sofort. Das hier war wohl nicht in seiner Jobbeschreibung erwähnt worden.
Instinktiv stellte Jane sich vor ihre Begleiterinnen. "Sonst?", forderte sie den unsicheren Wachmann heraus.
"Nicht!", zischte Asher hinter ihr und ergriff ihr Handgelenk.

Der goldene KäfigWhere stories live. Discover now