12 - Rote Zahlen

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Wenn Jane ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie den ganzen Tag nach neuen Ausreden gesucht hatte, um Gamze und Monique mit Asher alleine zu lassen.

Seine Willkommensfeier war vielleicht das letzte große Event, das sie in dieser Welt arrangieren würde. Sie hatte sogar das Mittagessen ausfallen lassen, um die letzte Planung für das Fest weiter zu geben. Wann immer es etwas zu besprechen gab, was die ganze Spielwelt betraf, traf sie sich hier in diesem kleinen Flur mit dem immer selben Mann. Er war hager mit einem kleinen Buckel, aber immer sehr höflich. Er überging Jane jedes Mal, wenn sie versuchte, seinen Namen zu erfahren. Jane fragte sich, ob er vielleicht zu den Spielmachern gehörte? Oder war er auch nur eine ihrer Marionetten? Sie würde es wahrscheinlich nie erfahren.

"Wurden die weißen Blumengestecke bestätigt?" Jane hatte sich eine Liste gemacht und hakte einen Punkt nach dem anderen ab. Die Frage nach den Blumen war eigentlich schon lange mit einem Haken versehen, aber Jane hatte einen Hintergedanken. "Ich dachte mir, dass Weiß eine gute Farbe für die Blüte dieses Jahr wäre." Sie schielte über ihren Block zu dem Mann herüber, der sich ebenso seine Notizen machte. Die Blüte war die Jahreszeit, in der alle Frühlingsevents stattfanden. Alle Bäume und Büsche standen in wundervollster Blütenpracht und es regnete Blütenblätter bei jedem Windstoß.

"Oder ist es zu früh Pläne für die diesjährige Blüte zu machen?" Unsicher tastete sie sich an das Thema heran. Würde die Reaktion des Mannes ihr etwas über die Zukunft verraten? Vorausgesetzt er wusste überhaupt etwas.

"Keineswegs", antwortete der Mann nasal wie immer. Wenn er keiner der Spielmacher war, dann hatte er diesen Job eindeutig deshalb, weil er nicht den leisesten Hauch von Mimik hatte. Sein Gesicht, seine Tonlage und seine Körpersprache - alles blieb immer exakt gleich. Manchmal wollte Jane ihn am liebsten schütteln, um eine Reaktion zu erzwingen.
"Nun", fuhr sie unsicher weiter. Worauf genau hatte sie sonst noch hinaus gewollt?

Beide drehten sich herum, als am Ende des Flures ein Kichern erklang, gefolgt von weiteren, undeutlichen Stimmen. Das Essen war vorbei und Jane schrieb sich auf ihre Liste noch 'etwas essen', ehe sie sich die Gruppe genauer ansah.

Eine Traube aus jungen Frauen hatte sich um Asher gebildet. Monique und Gamze hatten nicht die Kraft, alle los zu werden. Und auch wenn sie Naomi und Efe ebenfalls in der Gruppe entdeckte, schienen die anderen Frauen fest entschlossen zu sein, Ashers Aufmerksamkeit zu gewinnen. Schuldgefühl ließ Jane die Schultern anspannen. Verdammt.

"Aber aber! Ein bisschen vorsichtig." Asher legte schützend seinen Arm um Gamze, die augenblicklich zu einer Salzsäule erstarrte. Er achtete mehr auf den Schutz der Thronfolgerinnen, als Jane, deren Aufgabe es eigentlich war. Im Gegensatz zu ihm hätte sie jedoch gewusst, was seine körperliche Vertrautheit für Gamze bedeutet. Sie würde sich schleunigst etwas einfallen lassen müssen, um ihre eifersüchtigen Anhänger zu besänftigen.

Jane fischte ihr Tablett aus einer geheimen Tasche ihres Kleids. Sie hatte sich schon vor einer Weile eine Hülle besorgt, die aussah wie ein Buch, damit sie es auch außerhalb ihres Zimmers nutzen konnte. Sie tippte auf Gamze und anschließend auf einen Button, den sie den beiden nicht erklärt hatte. Sie kam zu einer Ansicht, die die aktuelle Stimmung von Gamzes Sponsoren zeigte. Der Graph machte exakt in dem Moment, da Asher sie berührt hatte eine drastische Kurve nach unten. Schnell klappte Jane das vermeintliche Buch wieder zu und schob es zurück.

Der ältere Mann überging sehr würdevoll, dass er gesehen hatte, was Jane da tat. Vielleicht würde er es verpetzen, sobald er das Schloss verließ, aber darüber würde Jane sich später Sorgen machen müssen. Erstmal musste sie die Vorbereitungen final bestätigen. Sie wollte gerade zum nächsten Punkt auf ihrer Liste kommen, als sie wieder Ashers Stimme über den Lärm der Frauen hörte.

Der goldene KäfigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt