Sich der Angst stellen

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Kakashi war sich nicht sicher, ob Yuna den Tag darauf dem Trainingsgelände erscheinen würde. Doch pünktlich wie sonst auch wartete sie dort auf ihn. „Morgen", begrüßte sie ihn – so als wäre der gestrige Vorfall nie passiert. Kakashi beschloss nicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen. Er würde sie mitten im Training mit einem weiteren Chidori konfrontieren und anhand ihrer Situation reagieren. Heute würde er sie nicht einfach davonlaufen lassen.

Zwei Stunden später beobachtete er Yuna genau, wie sie den Kunais auswich und mit ihrem Schwert abwehrte. Er beschloss zu warten, bis das letzte Kunai geschossen worden war. Denn ansonsten würde sie sich vermutlich verletzen, wenn sie inmitten der Kunais erstarrte. Doch auch wenn das ihr den Ernst der Lage mehr verdeutlichen würde – es war nicht seine Absicht sie auch noch körperlich damit zu schädigen.

Sofort als sie es hörte, begann ihr Körper wieder darauf zu reagieren. Die Erinnerungsfetzen schossen wieder durch ihren Kopf. „Die Versiegelung bricht Das ist nicht real. Das ist das Ende Ich habe überlebt. Er wird dich durchbohren Er wird mir nichts tun. Du wirst sterben Ich werde heute nicht sterben", sagte sie sich innerlich. Immer noch stand sie wie versteinert an der gleichen Stelle, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. „Du wirst sterben Du wirst sterben Du wirst sterben" Yuna atmete tief durch. Ein – aus – ein – aus. „Lauf um dein Leben Lauf um dein Leben Lauf Lauf Lauf" Ein – aus – ein – aus. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten. „Ich werde nicht davonlaufen."

Langsam drehte sie sich in seine Richtung. Sie sah ihn an. Sah direkt in seine Augen. Und sie sagten ihm, dass alles okay war. Dass er ihr nicht wehtun würde. „Nicht dieses Mal." Sie sah die geballte Energie in Kakashi Hand. Für einen Moment stockte ihr der Atem und sie wusste nicht, was sie denken oder fühlen sollte. „Lauf Lauf Lauf Lauf Ich werde nicht davonlaufen" Yuna atmete tief ein und aus. „Ich bin nicht verflucht. Er wird mich nicht töten" Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. „Ich bin nicht verflucht. Er wird mich nicht töten. Ich bin nicht verflucht." Sie stand etwas mehr als eine Handlänge von ihm entfernt. Ein – aus – ein – aus. „Du wirst sterben Er wird dich durchbohren Du wirst sterben Er wird dich, ohne zu zögern töten Ich werde nicht sterben" Sie sah Kakashi tief in die Augen. „Ich weiß, dass er mir nichts tun wird."

„Tu es", sagte sie entschlossen.

Innerhalb einer Sekunde hatte er seine Hand ausgestreckt. Sie war eine Handbreite von ihrer Brust entfernt. Yuna war nicht einmal zusammengezuckt. Entschlossen sah sie ihn immer noch an. Kurz blieben sie so stehen. Dann zog Kakashi seine Hand zurück und unterbrach das Chidori.

Yuna schloss kurz die Augen und atmete tief durch. „Das war fantastisch. Wirklich. Ich hätte mit allem gerechnet, aber...damit nicht", sagte Kakashi. Yuna nickte leicht. „Ich wusste, dass ich mich der Angst stellen muss. Ich kann nicht riskieren dadurch angreifbar zu sein. Ich kann nicht riskieren jedes Mal zu erstarren, wenn ich das Geräusch höre." „Zugegeben, eigentlich hatte ich vor, dass ich dich die nächsten Wochen langsam dazu bringe, aber...anscheinend hast du das in einem Tag erledigt..."

Yuna läuft und läuft und läuft. Ihr Herz rast, ihre Lungen nehmen kaum Sauerstoff auf. Als sie weit genug gelaufen war, blieb sie stehen. Ihr war schwindelig und sie lehnte sich an die Hausmauer. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Wie soll ich jemals wieder als Ninja arbeiten, wenn ich mich fürchte? Wie solle ich mit Kakashi zusammenarbeiten, wenn mir ständig durch den Kopf geht, dass er mich töten wird?", fragte sie sich. Lange Zeit saß sie nur an der Hausmauer gelehnt und versuchte sich zu beruhigen. „Ich hab mich nicht von ganz unten zurückgekämpft, nur um jetzt daran zu scheitern." Sie stand auf.

Zuhause setzte sie sich im Schneidersitz auf den Boden. Sie versuchte zu meditieren. Langsam ließ sie die Erinnerungsfetzen an den Moment zu. Das Siegel bricht. Der Fluch übernimmt. Das Chidori. Die Wucht. Der Aufprall. Yuna reißt die Augen auf. Schnell atmend sieht sie sich um. „Das war nicht real. Ich bin nicht verflucht. Ich bin nicht tot", sagte sie sich, um sich zu beruhigen. Sie schluckte. „Ich bin nicht tot. Er hat mich nicht getötet." Sie atmete tief durch und meditierte danach erneut. Und noch einmal. Und noch einmal. So lange, bis sie nicht mehr hochschreckte. So lange, bis sie das akzeptieren konnte, was ihr passiert war.

„Ich weiß nicht, ob ich es schaffen kann", sagte sie leise. „Wovon sprichst du?" „Die Chunin-Auswahlprüfung...Ich weiß nicht, ob...ob ich es schaffe...den Turm zu betreten..." Kakashi setzte sich neben Yuna. „Yuna, sieh mich an." Sie tat, was er sagte. „Gestern hab ich ein Chidori aufgeladen und du bist erstarrt und davongelaufen. Heute bist du eine Handbreite von meinem aufgeladenen Chidori entfernt gestanden und hast nicht mal mit der Wimper gezuckt. Wenn es also jemand schaffen kann nach so einem Trauma den Ort des Geschehens erneut aufzusuchen, dann du." „Glaubst du das wirklich?" „Ich habe absolut keinen Zweifel daran, dass dem so ist." Yuna wirkte etwas erleichtert.

Dennoch wusste Kakashi, dass seine Worte vermutlich nicht viel Wirkung haben würden. Er konnte jedoch nichts anders tun als abzuwarten und Yuna so gut es ging vorzubereiten. Den Todeswald und den Turm zu betreten jedoch konnte er ihr weder beibringen, noch abnehmen. Das waren die letzten zwei Schritte hinweg über das Trauma. Und Kakashi hoffte, dass sie sie gehen und nicht umkehren und davonlaufen würde...

Der Weg eines Geninحيث تعيش القصص. اكتشف الآن