22: Was nun?

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Merle schaute durch ein Fenster und ging einmal um die Hütte. Ich hingegen stand einfach nur blöd da und wusste nicht, was ich tun sollte. Dann kam er wieder nach vorne und öffnete die Tür, welche erstaunlicherweise nicht abgeschlossen war. Ich folgte ihm ins innere der Hütte und sah mich um. Ein Sofa, ein Sessel, ein kleiner Schrank und ein Tisch standen dort... Sah eigentlich ganz gemütlich aus, dennoch verstand ich nicht, was er hier wollte.
"Und was machen wir jetzt hier?"
"Warten"
"Warten? Auf was?"
Er kam ein paar Schritte auf mich zu und sah mich an. Ich erinnerte mich wieder an unsere erste Begegnung und ging ein paar Schritte zurück, sicher ist sicher... Dann wendete er sich jedoch dem Schrank zu, öffnete ihn und kramte etwas darin herum. Als er was gefunden hatte, kam er wieder auf mich zu.
Er reichte mir eine Dose und einen etwas verbogenen Löffel. Ich schaute auf das Etikett. Bohnen. Mein Leibspeise! Nicht... Aber besser als garnichts.
Ich öffnete die Dose und aß die Bohnen... hatte ich schlimmer in Erinnerung. Während ich die Dose noch im stehen, mitten im Raum, leerte, hatte Merle es sich schon mit seiner Dose auf dem Sofa gemütlich gemacht. Als ich fertig war, stellte ich die leere Dose mit dem Löffel auf den Tisch und ging zu dem Sessel, lies mich fallen und atmete einmal durch. Wie lange habe ich jetzt schon nicht mehr auf sowas bequemen gesessen?
Ich schaute in Merles Richtung
"Also? Was ist das hier? Und auf was warten wir?"
Er sah mich einen Moment lang einfach nur an und sagte dann:
"Das, Jenna, nennt man Waldhütte."
Er lachte, aber ich warf ihm nur einen genervten Blick zu.
"Ok. Schön. Hätt ich nicht gedacht. Und jetzt hätte ich gerne mal ne ernste Antwort."
"Wir warten auf Daryl."
"Auf Daryl, hmm? Aber er ist doch vor uns abgehauen, müsste er dann nicht schon hier sein?"
Er überlegte kurz, stand dann auf und kickte seine Dose durch den Raum.
"Er... Ich... Scheiße! Nein! Er war immer hier! Also warten wir!"
Er schrie schon fast, also verkniff ich mir weitere Fragen. Aber nachdem er ein paar mal durchs Zimmer gestapft ist, setzte er sich wieder auf das Sofa und drehte sich zu mir.
"Hör zu! Daryl und ich... Unser Vater... Wie auch immer... Als er klein war und weggelaufen ist, hab ich ihn später immer hier gefunden. Er muss hierher kommen!"
Er ließ sich zurück fallen und schloss die Augen. Vorsichtig wagte ich mich an eine Gegenfrage...
"Was hat er denn gesagt... Als er weggegangen ist? Also wo er hin will?"
Merle hob seinen Kopf und sah mich durchdringlich an. Ich wich seinem Blick nach wenigen Sekunden aus und tat so, als würde ich mich umsehen.
"Er meinte nur, dass er mal Abstand braucht und... Und ich ihn schon finden würde."
"Abstand? Von..?"
Wieder sah er mich an und lächelte, ja, er lächelte, kein Grinsen, kein Lachen, nein, einfach ein nettes Lächeln. Was hab ich verpasst? Sowas kann er?
"Bekommst du denn garnichts mit, Schätzchen?"
Ich sah ihn einfach nur fragend an und jetzt wurde das Lächeln wieder eher zu einem Grinsen.
"Ach... Das überlass ich mal lieber ihm... Oder euch, oder wie auch immer..."
Ich war verwirrt. Ja. Kann der nicht mal normal reden? Aber ich beließ es jetzt dabei...
"Und was machen wir in der Zeit, in der wir warten?"
"Gute Frage."
Er stand auf und ging wieder zu dem Schrank. Nach einer Minute kam er wieder und warf mir eine Glasflasche zu.
"Nicht dein Ernst?"
"Lass mal überlegen... Ähm... Doch!"
Er schraubte eine weitere Flasche auf und setzte sie an.
"Du bist doch bescheuert!"
"Und wenn?"
Ich atmete genervt durch, das hatte doch keinen Sinn... Er ließ sich wieder auf das Sofa fallen und trank immer wieder ein paar Schlucke aus der Flasche.
Jetzt schaute ich auf die Flasche in meiner Hand, es war kein Etikett darauf und sie war halb voll. Ich schwenkte die braune Flüssigkeit etwas und öffnete die Flasche dann. Aber statt zu trinken roch ich nur kurz daran. Nein danke!
Mittlerweile holte Merle zwei weitere Flaschen aus dem Schrank und setzte sich mit ihnen. Das musste ich mir nun nicht ansehen. Ich stand auf und ging zur Tür.
"Wo willst du hin, Schätzchen?"
Lallte Merle und ich sah ihn mitleidig an.
"Mach du, was du machen willst, aber das sehe ich mir nicht mit an."
Damit ging ich raus und schaute mich etwas um. Es war total ruhig, hier in der Umgebung waren überhaupt keine Beisser. Ich kletterte mit Hilfe eines Baumes, der in der Nähe der Hütte stand, auf das Dach und legte mich hin. Durch die Baumkronen drangen ein paar wenige warme Sonnenstrahlen... Wenn man davon absieht, dass die Erde am Ende steht, es kaum noch Menschen gibt und vor allem kaum noch nette, dafür aber umso mehr lebende Tote, könnte das hier echt schön sein...

Nightmare or Fairytale? Teil 1Where stories live. Discover now