Das Märchen der drei Gaben

15 3 0
                                    

Das Mädchen, das sich als Erste aus der Gruppe löste und sich zu Kiara, Arek und Fynn gesellte, hätte Areks weibliches Spiegelbild sein können. Ihre blonden Haare glänzten wie gesponnenes Gold und fielen ihr bis zu den Schultern. Der größte Unterschied bestand wohl darin, dass Arek das Haar zusammengebunden trug und sie offen. Im Feuerlicht wirkten ihre Augen mehr goldbraun als moorgrün. Sie trug schlichte, praktische Kleidung und hielt einen hölzernen Becher in der Hand.

»Da seid ihr ja endlich!«, begrüßte sie sie fröhlich. Als ihr Blick auf Kiara fiel, nahm er einen verwunderten Ausdruck an. »Bist du die Neue, von der Fynn erzählt hat?«

»Ist sie«, antwortete dieser kurz angebunden und drängelte sich an ihr vorbei zu einem freien Platz auf den Baumstämmen, die als Sitzbänke dienten.

Arek lächelte betreten. »Nimm es ihm nicht übel«, bat er Kiara leise. »Fynn ist normalerweise ein echt netter Kerl, aber ich glaube, sein Ausflug hat ihn recht mitgenommen und er kann nicht sonderlich gut mit Fremden umgehen. Er meint das nicht böse.«

Ob sie ihm da zustimmte, wusste Kiara nicht wirklich. Sie fand Fynn nicht sonderlich sympathisch. Noch immer musste sie daran denken, wie unfreundlich er sie abgewiesen hatte. Nicht sonderlich gut mit Fremden hin oder her, sie fand, das gehörte sich einfach nicht. Man sollte helfen, wo immer man helfen konnte.

»Ganz im Gegensatz zu dir, Bruderherz«, kommentierte das Mädchen schmunzelnd. Arek setzte zu Protest an, doch in genau diesem Moment knurrte Kiaras Magen so laut, dass einer der anderen Jungen, die am Feuer saßen und neugierig zu ihnen sahen, lachen musste.

»Ich glaube, wir sollten uns mal um was zu essen kümmern. Macht es dir etwas aus, wenn Rev dich den anderen vorstellt und ich was hole?«, fragte Arek sie. Kaum hatte Kiara auch nur minimal den Kopf geschüttelt, verschwand er in die Richtung des großen Feuers.

Die Blondine, Rev, hakte sich bei Kiara unter und zog sie sacht mit zu den anderen. »Meine schlechtere Hälfte hast du ja scheinbar schon kennengelernt und Fynn auch«, plapperte sie munter drauf los. »Ich bin Revana, aber sag bitte Rev. Alles andere ist so sperrig.« Sie kamen am Rand des Feuers zum Stehen.

Rev deutete auf ein drittes Mädchen mit Sommersprossen und Haaren, die aussahen, als wären sie Teil der Flammenbrunst. »Das ist Lucinda. Und die anderen drei da sind Nabor, Asterion und Finn mit I.« Nacheinander zeigte sie auf die drei Jungen, die einen Stamm weitersaßen. Jeder von ihnen hatte eine andere Schattierung von Braun als Haarfarbe. Der ganz links hätte im richtigen Licht auch blond wirken können, der rechts hatte so dunkles Haar, dass es beinahe mit dem sich schwarz färbenden Himmel verschmolz.

Kiara blinzelte irritiert. »Finn mit I?«, hakte sie nach.

Fynn seufzte. »Es ist kompliziert.«

»Ist es nicht«, warf einer der drei Jungen ein, Nabor, wenn Kiara sich nicht irrte. »Du sagst das bloß immer, um es nicht besprechen zu müssen.«

»Fynn schreibt man mit Y«, erklärte Lucinda mit einem Lächeln. Auf den ersten Blick kam sie Kiara wie eine von der zurückhaltenden Sorte vor. Zur Sicherheit zeigte sie auf den dunkelhaarigen Fynn. »Aber bei der Aussprache fällt das nicht sofort auf. Deswegen Finn mit I und Fynn mit Y.«

»Oder manchmal auch Areks Fynn und der andere Fynn«, warf Rev von hinten mit einem Lachen ein und setzte sich wieder auf ihren Platz neben Lucinda. Sie sah zu Kiara hoch. »Magst du dich dazusetzen?«

Für einen Moment stand Kiara wie in Bernstein gegossen da. Das eigenartige Gefühl von alles übertünchender Freude hüllte sie ein wie eine Wolke aus Glück. Sie fühlte sich, als hätte jemand Feuerholz nachgelegt. Aus ihrem Gesicht breitete sich ein Strahlen aus, als sie sich neben Rev auf den Holzbalken sinken ließ und den Becher mit Wasser entgegennahm, den Asterion ihr hinhielt.

Tänzerin der SchattenWhere stories live. Discover now