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Der letzte Bissen von Mirellas Apfelkuchen bleibt mir beinahe im Hals stecken.
Ich würge ihn herunter und starre dabei meinen Bruder an, der Apfelstückchen über seinen Teller schiebt.
Mom, Dad und Jennifer sind in ein oberflächliches Gespräch verfallen, dem ich bis jetzt keine Sekunde Aufmerksamkeit geschenkt habe.

Alles, was ich will, ist hier raus zu kommen, bevor Dad mich zurückpfeifen kann. Ich weiß, dass er genau das will. Mit dieser neuen Information, die ihm bestimmt als eine weitere Erklärung für mein Fehlverhalten dient, will er sicherlich die nächste Diskussion heraufbeschwören - bei der ich natürlich den Mund zu halten habe.
Und bei meinem heutigen Wohlbefinden habe ich dafür einfach keinen Nerv.

"Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich aufstehen", sage ich in zuckersüßem Ton und lege meine Gabel beiseite.
Dad blickt kaum auf und nickt mir kurz zu.
Ich glaube, meine Augen spielen mir einen Streich, aber ich meine, Mom in meine Richtung lächeln zu sehen.

Ich verlasse das Esszimmer mit gelassenen Schritten und beschleunige erst, als ich in der Eingangshalle angekommen bin. Da höre ich den nächsten Stuhl über den glatten Boden schaben.
Oh nein! Bitte alles, jeder, nur nicht Dad.
Ich haste zur Treppe, will nur meine Sachen aus dem Zimmer holen und mich dann aus dem Staub machen.

Ich werfe einen Blick über meine Schulter und erblicke Ben.
Ein erleichtertes Aufatmen entkommt mir.
"Was? Hast du gedacht, ich bin dein alter Herr, der dir die Hölle heiß machen will, weil du anscheinend einen Typen flachlegst, der nicht Samuel Kites heißt?"
Er lacht auf, klingt dabei fast wie der Teufel höchstpersönlich.

Ich drehe mich um, klammere mich am Geländer fest und halte seinem emotionslosen Blick stand.
"Erstens, lege ich niemanden flach, du Idiot. Zweitens: Bildest du dir wirklich ein, du könntest mir so kommen?"
Ich deute auf seine provokante Körperhaltung und das plötzliche Grinsen, das seine Mundwinkel hebt.

"Wir wollen doch nicht das Sam davon erfährt und sein Dad uns die Hölle heiß macht", säuselt er und wirft seine Haare zurück.
Ich lege die Stirn in Falten.
"Was soll das jetzt wieder bedeuten?"

Ben verschränkt die Arme und rutscht mit seinen Socken über die Marmorfliesen.
"Na, denk doch mal nach. Wenn Mr. Kites Wind davon bekommt, dass die sichere Partie für seinen Sohn vergriffen ist, wird es ziemlich ungemütlich für Dad und dich."
Mein Mund klappt auf.
"Könntest du bitte aufhören, von mir zu reden, als wäre ich ein Gegenstand?"

Meine Knöchel am Handlauf treten bereits weiß hervor, verblenden sich mit der Farbe des Marmors.
Ben zuckt nur mit den Schultern.
Ich beiße die Zähne zusammen, bis meine Kiefer schmerzen.
Ich glaube, kaum jemand versteht, wie sehr ein solches Verhalten vom eigenen Bruder schmerzen kann.

Er hasst mich, spuckt mir praktisch ins Gesicht, seitdem ich für ihn da sein will.
Er lacht mich aus.
Und dann hat er mir auch noch meine Mom weggenommen, die schon immer ihn bevorzugt hat.
"Es reicht", ringe ich unter Tränen hervor.

Ein Lachen hallt von den Wänden wieder.
"Jetzt heul nicht", schleudert er mir gehässig entgegen.
"Manchmal habe ich wirklich keine Worte mehr für dich übrig."
Ich kann nichts dagegen tun, meine Stimme gibt preis, wie ich mich fühle.
 
Bens dunkelbraune Augen verfolgen mich, als ich mich über das Geländer lehne.
Jetzt dienen meine blonden Haare mal als mein Schutzschild.
Seine Arme sind immer noch vor der Brust verschränkt und die Unterlippe ist in den Mund eingesogen.
Er sieht lächerlich aus.

"Hast du wirklich gar kein Bedürfnis, mir gestern Nacht zu erklären?"
Meine Frage bleibt nicht lange unbeantwortet, er muss nicht überlegen.
"Warum? Ich war du, du hast mich gesehen. Was muss ich da groß erklären?"
Ungläubig schüttele ich den Kopf und schnaube.

"Vielleicht solltest du mir versichern, dass du dort keine Drogen eingeworfen hast, dass du James dort nur durch einen beschissenen Zufall getroffen hast. Oder du solltest vor mir auf die Knie fallen und mich anbetteln, dass ich Mom und Dad nichts davon erzähle. Du weißt, dass es Mom dieses Mal zerstören würde, oder?"

Ben lässt den Kopf zurückfallen und lacht, so laut, dass die Erwachsenen am Esstisch sicherlich ihre Gespräche unterbrochen haben.
"Das ist mir sowas von egal! Von mir aus kann diese Frau an ihren Tränen ersticken. Ich bin fertig mir ihr, mit jedem hier in diesem Haus. Der Alte hat euch doch so in der Hand, dass ihr nicht mal mehr selbstständig geradeaus gucken könnt, selbst wenn ihr wolltet."

Ich lecke meine Lippen und streiche mein Schutzschild nun doch von meinen Wangen. Ich brauche es nicht. Ich bin nicht wie Ben, der sich verstecken muss und nur Menschen, vor denen er keine ernsthaften Konsequenzen befürchten muss, die Mauern fallen lässt und sein hässliches Ich zeigt.
"Du bist abscheulich."
Strähniges Haar fällt in seine Augen, während er sich anerkennend vor mir verneigt.

Ich ringe um Fassung und nach Luft.
"Ich sehe schon", bringe ich mit zitternder Stimme zustande zu sagen. "Du denkst, du kannst dich aufspielen, wie du willst. Du scheinst wirklich zu glauben, dass du dir alles erlauben kannst! Du tust gar nichts mehr für diese Familie -"
"Weil es diese Familie für mich nicht mehr gibt!", unterbricht mich der Ältere und reißt die Arme in die Höhe.

Ich weiche auf der Treppe zurück. Auch wenn mir bewusst ist, wie viel Abstand zwischen uns liegt.
Einfach weil ich weiß, dass er schon des Öfteren handgreiflich geworden ist.
Ich schüttle den Kopf.
"Du bist ein gottverdammtes Kind, Ben. Und du tust mir so leid! Du entschuldigst dich nie! Alles, was du tust, ist, Menschen ausnutzen", zähle ich an meinen Fingern auf. "Du brichst deine Versprechen und reißt damit andere Menschen mit dir in den Abgrund! Und dabei merkst du nicht, wie armselig dein Verhalten ist!"

Seine dunklen Augen verfolgen mich weiterhin.
Er zeigt aber keinerlei Regung. Ich hasse Situationen wie diese.
Alles soll einfach wieder so werden, wie es an diesem späten Nachmittag am Strand war.
Als die Sonne vom Himmel brannte und das Meer fast so glatt wie ein Spiegel war und Ben und ich uns noch etwas zu sagen hatten.

"Merkst du denn nicht wie armselig dein Verhalten ist?", fragt er gefasst und wirkt beinahe amüsiert, als er auf mich zu schlendert.
Das sind sie, denke ich. Das sind die Drogen, die aus ihm sprechen.

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Song: Stay - The Kid LAROI, Justin Bieber

Mit dem heutigen Tag bin ich zweimal geimpft :) I'm super happy. Auch wenn ich 1 1/2 Stunden warten musste, OBWOHL ICH EINEN FUCKING TERMIN HATTE. Was soll ich sagen. Landleben, unfähige Menschen hier - nur unfähige Menschen. 

Ich rede jetzt gar nicht erst vom Rest meines Tages, sonst zerstört es die Freude über meine Impfung. Mir geht es soweit supi, bis jetzt keine Nebenwirkungen :) 

Wie sieht es bei euch mit dem Impfen aus?

All my Impf-Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Donde viven las historias. Descúbrelo ahora