Ein Wunsch für Cency

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Lästige Fliegen. Ich wedelte genervt mit meiner Hand vor meinem Gesicht, um die surrenden Mücken, die um meinem Kopf herum schwirrten, zu vertreiben. Es hingen Plakate, überall, an jedem Haus. Mit Gesichtern verschiedener Leute, die noch niemand von uns gesehen hatte, und trotzdem wurden sie angesehen wie ein Held. Je ein Spruch stand unter jedem der Leute, die ihre Ideen für die Zukunft verkörpern sollten. Sie alle hatten sich für den Posten als Anführer gemeldet. Sie alle versuchten, die Stimme der Bürger zu gewinnen. Ich streifte durch die Gassen und sah mir die Gesichter, die in die Kamera grinsten, genauer an. Ein älterer, bärtiger Mann mit Glatze hatte ein arrogantes Lächeln. Er hieß Uschuld Micken, und ich wusste, das niemand ihn wählen würde. Sein Spruch lautete: Wenn man Pläne für die Zukunft schmiedet, wird man immer gestresst leben. Spontane, überraschende Entscheidungen sind das, was die Menschen wollen. Niemand will das jedoch. Die Menschen brauchen etwas, an was sie sich orientieren können. Die nächste. Eine Frau mit strohblonden Locken, die ihr locker zur Schulter fielen. Sie war mitte dreißig, hatte eine Lesebrille aufgesetzt, schaute aber nicht wie die anderen grinsend in die Kamera, sondern las mit ernster Miene die Zeitung. Ihr Leitspruch hieß: Als Anführer hat man die Entscheidungen nicht selbst zu treffen. Man muss auf die Bitten seiner Untertanen eingehen. Sie hieß Miev Kimpas, und hatte hier im Dorf einige Stimmen gesichert, jedoch regten sich sehr viele auch über sie auf. Sie kritisierten das Wort Untertanen, und meinten, jemand an diesem Posten solle Wissen was er will. Obwohl sie viele Fans hatte, war sie in meinen Augen schon längst aus dem Spiel. Mein Auge fiel auf das nächste Poster. Es war etwas größer als die anderen, ein alter Mann war darauf abgebildet, ein triumphierendes Lächeln als hätte er bereits gewonnen, spielte auf seinen Lippen. Seine Augen waren so blau, dass sie funkelten wie ein geschliffener Diamant. Ich kniff die Augen zusammen und musterte seine schneeweißen, kurzen Stoppelhaaren und sein kleiner, ebenfalls weißer Bart. Sein Name war Klark Andersion. Die Vergangenheit ist genauso ein Geheimnis wie die Zukunft. Doch wir leben im hier und jetzt und müssen auch in diesen Worten handeln können. Das rätselhafte und geheimnisvolle in diesem Spruch ließ die Bürger über ihn nachdenken, und machte ihm zum Star der Wahl. Man sagte, er wüsste wie man die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen würde. Jeder schwärmte von ihm, aber niemand dachte darüber nach, ob er Gutes oder Schlechtes mit diesem Rätsel brigen wollte. Niemand stellte infrage, dass er gute Pläne hatte. Dabei hatte er ebenfalls nichts darüber verraten, was er vorhatte, genauso wenig wie bei Miev, jedoch hatte er weit aus mehr Fans als Hasser. Mir jedoch war er nicht geheuer. Wenn ich sein breites Grinsen sah, bekam ich immer Gänsehaut, weil sein so perfekt geformtes, symetrisches Gesicht mir so vertraut vorkäme, als wäre er mein Nachber. Dabei würden die Menschen ihre künftigen Anführer erst nach der Postwahl zu sehen bekommen, das bedeutete, dass ich noch nie im Leben diesen Mann gesehen haben könnte. Er jagte mir unerklärliche Angst ein, und bei seiner Fernsehrede musste ich mich beherrschen, um nicht zu flüchten. Dabei würde es wahrscheinlich demnächst unser Vorgesetzter sein! Jemand, der jährlich einen Schulbesuch machen würde, dem ich jedes Jahr die Hand schütteln müsste, und bei einer monatlichen Rede auf dem Platz seinen Worten lauschen müsste. Schon bei der Vorstellung grauste es mir. "Jeaney!", ertönte eine aufgedrehte Stimme. Vuliem. Ich drehte mich ruckartig um und meine haselnussbraunen Haare flogen durch die Luft. Im Fliegen sogar konnte ich die helleren Strähnen darin erkennen. Eigentlich schmunzele ich, wenn Vuliem kommt, doch daran kann ich gerade gar nicht denken. Mir ist einfach nicht danach. Ich schaue ihm zu, wie er auf mich zurennt, mein Blick fällt auf seine blonden Locken, die beim rennen auf und ab springen, und seine weit aufgerissenen blauen Augen. "Jean!", rief er erneut und erreichte mich, völlig aus der puste. "Jep. So heiße ich", sagte ich und er grinste. "Es ist Cency!", sagte er und wirkte wieder ernst. Ohne weiter nachzufragen rannte ich den Weg durch die schlecht beleuchteten Gassen. Ich rechnete mit dem schlimmsten. Vuliem nahm die Verflogung auf, hatte aber kaum eine Chance gegen meinen jahrelang erprobten Sprint. Ich lief schneller und schneller und zwang mich, kein Tempo zu verlieren. "Jeaney!", schrie Vuliem hinter mir. Seine Stimme klang keineswegs beängstigend, dass beruhigte mich, dennoch trieben mich meine Muskeln weiter und erlaubten mir keinen Halt. Ich hatte die Gassen hinter mir und rannte über den Marktplatz. Ich entdeckte die Menge am hinteren Ende des Platzes und war mir sicher, Cency dort zu finden. Meine 12- jährige, jüngere Schwester, mein Ebenbild nur drei Jahre jünger. "Cency?", rief ich von weitem und versuchte mich zu beruhigen, um nicht allzu besorgt zu klingen. Pinth, ein Junge aus Cencys Klasse, der oft zu Besuch war, drehte sich grinsend zu mir um. Mein Herz machte einen erfreuten Satz. Cency ging es offenbar gut. "Und warum bitte nicht?", hörte ich meine Schwester kreischen. "Weil Sie unter 15 sind, junge Dame", erklärte eine andere Stimme ruhig. Meine Schwester atmete tief durch. Ich schob mich durch die Menge, verschränkte die Arme und schaute kopfschüttelnd meiner Schwester zu. "Cency...", begann ich schmunzelnd, doch sie ließ mich mit einer schnellen Handbewegung verstummen. "Guter Mann, wie oft hatten wir das schon?", seufzte sie empört und sah sich in ihrem Puplikum um. Alle lachten amüsiert. "Das interessiert mich überhaupt nicht! Das steht nirgenwo! Ich will mein Gesicht auf einem Plakat mit der Unterschrift: dafür, dass auch die jungen Menschen eine Stimme bekommen! Mir wurde verboten, mitzubestimmen, wer unser nächster Anführer ist, und ich finde es ist mein gutes Recht, wählen zu dürfen, damit kein Doofgesicht dafür sorgt, dass ich überlebe!", schrie sie mit einem tadelnden Unterton am Ende und die Menge krümmte sich vor Lachen. Cency sorgte oft für Spaß, aber das war ihr bisher bester Auftritt im öffentlichen Straßenbereich. "Cency, ich denke wir sollten etwas Essen. Du kannst dein Glück nachher nochmal versuchen", sagte ich, nahm sie an der Hand und führte sie aus der lachenden Zuschauermenge fort.  Cency sträubte sich nicht, sondern ließ sich einfach von mir zum Haus ziehen. "Wie war ich?", fragte sie beim gehen. "Furchtbar", entgegnete ich. Da tauchte Vuliem auf und grinste mich an. "Du machst dir viel zu viele Sorgen.  Wer hat denn gesagt dass Cency etwas zugestoßen ist?", fragte er und grinste ununterbrochen weiter. "Genau. Du schiebst immer zu viel Panik", stimmte Cency ihm zu. "Was kann ich denn das du mit weit aufgerissenen Augen auf mich zustürmst?!", erwiderte ich mürrisch und warf Vuliem einen enttäuschten Blick zu. Doch das bemerkte er gar nicht. "Du warst grandios, Cency!", lobte er meine Schwester. "Ehrlich?" Cency wirkte erleichtert. "Würde mich nicht wundern wenn sie für dich die Regeln ändern", sagte Vuliem überzeugend und zwinkerte meiner Schwester aufmunternd zu. Ich wusste dass er es nur gut mit ihr meinte, trotzdem fühlte ich mich in dem Moment verraten. Ich ließ Cencys Hand los, und schob sie zu Vuliem. "Bring sie nach Hause, Vul, ich muss noch was erledigen", meinte ich. Musste ich nicht. Trotzdem rannte ich den gegangenen Weg zurück. Noch eine Woche bis zu den wahlen. Und ich musste wählen. Spätestens in sieben Tagen musste ich mich entscheiden. Da kam Pinth zu mir uns musterte mich. Er stammte aus ärmeren Verhältnissen und streunerte jeden Tag durch die Straßen, um seiner Familie aus dem Weg zu gehen. Ich mochte den kleinen, rothaarigen Jungen. Er war immer höflich und anständig, und hatte es nicht verdient jeden Tag das selbe zu tragen. Und trotz allem war er meistens gut gelaunt. "Hey Pinth", sagte ich als er sich mir anschloss und neben mir durch die Gassen trottete. "Hey Jeaney!", sagte er und strahlte. "Warum so gut gelaunt?", fragte ich und bei dem Anblick des lächelnden Jungen ging es mir gleich viel besser. "Ich hab heute Geburtstag", sagte er und ich lächelte überrascht. "Alles Gute Pinth", gratulierte ich ihm und er warf mir einen dankbaren Blick zu. Ich fragte nicht ob er ein Geschenk bekommen hatte, denn ich war mir sicher, das hatter nicht. "Cency ist wirklich der Hammer. Sie könnte Schauspielerin werden", sagte Pinth. "Ja vielleicht könnte sie das. Aber niemals würde sie hier aus diesem Dorf rauskommen und es in die Stadt schaffen" Ich seufze denn ich weiß, dass es Cencys Wunsch ist, groß rauszukommen. "Liebst du Cency?", fragte Pinth nach einer Weile stillem gehen. Ich stutzte. "Ja natürlich!", rief ich. "Dann bewirb dich. Du bist 15, alt genug also, und du hast das Potential dazu, jemanden anzuführen. Hier würde dich sicherlich jeder wählen", sprudelte Pinth hervor. Geschockt über diese Worte sah ich ihn an. Er wollte, dass ich Anführer wurde? Eines ganzen...Volkes? Ich dachte darüber nach. Das Potential hätte ich? "Ich würde so etwas niemals können", sagte ich leise. "Doch, bestimmt! Du führst doch auch den Schwertkurs", versuchte Pinth es nocheinmal. "Das ist etwas völlig anderes", wehrte ich ab. Der Schwertkurs war ein Kurs, in dem ich jüngeren Kindern von 7-13 den Umgang mit Schwertern beibrachte. "Mein Bruder Muise ist 10 und geht in den Kurs. Am Ende ist er immer völlig fertig und berschwert sich darüber, dass ihr zu wenige Pausen macht, dass die Übungen zu anstrengend sind und dass du zu viel herumkommandierst. Aber er sagt auch, dass du wie dafür gemacht bist, und dass er auf dich hört weil er weiß, dass du weißt was du tust. Sogar die kleinen hören also auf dich, Jeaney Miwkar, und die größeren würden es sicherlich auch tun", erzählte er und ich dachte erneut darüber nach. "Du könntest mit deiner Familie in die Stadt ziehen und Cency damit einen Herzenswunsch erfüllen. Sie hat das verdient!", bettelte Pinth. Ich durfte ihm nicht mehr zuhören, er durfte mich nicht davon überzeugen. Dazu wäre ich nie im Leben gewachsen. "Du bist ein guter Freund für Cency", sagte ich trocken, machte kehrt und lief wieder richtung nach Hause. Gott, was mussten sich die Leute bloß denken wenn ich ständig hin und her lief? Ich ing den gepflasterten Weg zurück und hatte fast den Marktplatz erreicht, als Pinth mir noch etwas hinterherrief. "Ich will nicht das Klark Anführer wird!", schrie er und schien verzweifet. "Das möchte ich auch nicht", sagte ich laut und sah als ich mich kurz umdrehte, dass sich Pinths Gesicht hoffnungsvoll aufhellte. "Aber er wäre ein besserer Anführer als ich"

Before my lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt