Elijah

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Bevor ich nach Hause ging, schlug ich eine kleine Gasse zwischen zwei Häusern ein, die so eng war, dass ich mich kaum hindurchzwängen konnte. Hinter den Häusern breitete sich eine weite, grüne Wiese mit vielen bunten Blumen aus. Ich rannte ganze fünf Minuten lang über eine scheinbar endlose Wiese, bis ich den Waldrand erreichte. Erneute fünf Minute versuchte ich mich an den roten Stoffetzen an den Bäumen zu orientieren, bis ich mich schließlich an einem dünnen Fluss wiederfand. Ich zog meine Schuhe aus und watete durch das strömende Wasser. Die Steine bohrten sich in meine Füßen und das Wasser floss so stark, dass ich immer mehr nach rechts taumelte. Zum Glück war der Fluss zwar breit, aber nur kniehoch. Meine kurze Hose blieb unversehrt und trocken, als ich die andere Seite erreichte. Eine saftig grüne Wiese erwartete mich, mehrere Büsche, mit essbaren Beeren wucherten aus dem Boden und ich bediente mich gleich mit Himbeeren. Der süß-säuerliche Geschmack breitete sich bei dem ersten Biss sofort auf meiner Zunge aus und ich füllte mir meine Hosentasche voll mit den rötlichen Beeren. Cency würde sich freuen, ihre so seltene Lieblingsfrucht wieder essen zu können. Diese Beere war so gut wie aus dem ganzen Dorf verschwunden, wer sie zu kaufen bekam hatte Glück und viel Geld. Mit diesen Beeren konnte man ein Vermögen machen und ich beschloss, mich morgen nocheinmal auf diesen Weg zu machen, jedoch mit einem geräumigen Lederbeutel ausgerüstet. Ich zog meine Schuhe wieder an, und ging weiter die Wiese entlang. Eine kleine, kaum befahrenen Straße schlängelte sich durch die friedliche Landschaft, umringt von jungen Bäumen, darunter auch Apfel- und Birnbäume. Ich pflückte einen Apfel, und verspeiste ihn. Er war noch grün und sauer, genau mein Geschmack. Dann setzte ich mich an den Straßenrand und bewunderte die Autos, die alle fünf Minuten vorbeifuhren. Manche im Dorf besaßen ein Auto, und mit der Zeit wurden es immer mehr. Die meisten Familien jedoch gaben ihr Geld nicht für ein ziemlich teures Auto aus, wenn sie sowieso nirgends hinfahren konnten. Wenn man das Geld dafür hatte, bezweckte es eigentlich nichts, ein Auto zu haben, denn selbst wenn man bis zur Stadt käme, wenn man alle Kontrollen durchstanden hatte, würde man in der Stadt, in der alles doppelt so viel kostete wie hier, sich nichts leisten können. Und um in andere Dörfer zu fahren zahlte niemand auch nur einen Cent, denn die meisten anderen waren noch ärmer und armseliger wie unseres. Touristen gab es ebenfalls nirgendwo außer in der Stadt, Ausflüge waren überbewertet. Man konnte unser Dorf weder als arm noch als reich oder mittelmäßig bezeichnen. Manche waren sehr arm, anderw sehr reich, wieder andere waren mittelmäßig, doch mehr als die Hälfte waren wie ich, hatten genug Geld für ausreichend Essen, Wärme und Kleidung. Wir kamen gut zurecht. Ich war noch ganz in Gedanken versunken und nagte verträumt an dem Apfel. Da ertönte ein Hupen und ich erschrak so sehr, dass mein Apfel herunterfiel. Er landete ausgerechnet auf der angebissenen Seite in der braunen Erde. Ich ließ ihn liegen und sah auf. Ein Auto hatte gehalten, es war knallig rot, ein älteres, laut ratterndes Model, dass sogar die ärmeren Leute sich mit all ihrem Geld vielleicht leisten könnten. Ein Junge, etwa ein oder zwei Jahre älter, saß am Steuer und schaute mich fragend an. "Wartest du auf jemanden?", fragte er. Seine Stimme war unglaublich beruhigend. Ich lachte spöttisch auf. "Ja, dass mich jemand abholen kommt und weit weg fährt", sagte ich grinsend und er schaute mir in die Augen. "Ich bin auf dem Weg in die Stadt, ich fahre die Mineralien aus der Grube im Norden zu den reichen in die Stadt. Ob du es glaubst oder nicht, ich bin da in einer Stunde, und meine Partnerin ist krank. Es wäre noch ein Platz im Flugzeug frei", sagte er. Ich riss die Augen auf. Flugzeug? Mein Kindheitstraum könnte in Erfüllung gehen! Ich hatte noch nie in einem Flugzeug gesessen, ich sah sie immer nur am Himmel und wusste immer, dass ich niemals darin sein könnte, wenn sie über unser Dorf flogen.  Ich schüttelte schnell den Kopf. "Nein das geht nicht. Ich kann mein Geld nicht dafür verschwenden. Ich hebe es mir für mein Haus auf", sagte ich schnell und dachte an Cency, Mutter und Vater, die sich wahnsinnige Sorgen machen würden, wenn ich nicht mehr auftauchen würden. Und Sarto. Mein Gott, er würde ausflippen wenn ich nicht mehr zurückkehren würde. Von allen in meiner Familie, verstehen mein 17 jähriger Bruder Sarto und ich uns am besten. Er hat mir diesen Ort gezeigt, er versucht mir zu erklären, wie die Autos heißen, die hier vorbeifahren, er teilt seine Freunde mit mir und er hat mir beigebracht, nicht wie Cency die Stadt und all das, was sich darin befindet, zu begehren. Cency ließ sich allerdings nicht von ihm überzeugen, sie träumte noch immer von dem Tag, an dem sie zum ersten mal die Stadt von innen sehen würde. "Das kostet rein gar nichts, Mädchen. Ich bin immerhin Geschäftlich unterwegs", erklärte der Junge. "Ich kenne dich nicht und ich kann meine Familie nicht zurücklassen", redete ich mich raus. Ich würde so gerne mit in die Stadt, nur ein einziges mal. Aber ich durfte nicht nachgeben, was, wenn ich wegen dem Jungen nie wieder zurückkommen würde? "Mein Name ist Eljiah, und morgen um diese Uhrzeit können wir schon wieder zurück sein", fuhr er fort. In diesem Moment ertönte ein schwerer Knall, es folgte eine laute Sirene. Der Knall war ein Zeichen, dass das Haupttor geschlossen war. Ich hatte die Zeit verloren und müsste längst wieder im Dorf sein. Es wäre sehr umständlich, jetzt wieder zu versuchen einen Weg ins Dorf zu finden. Wenn das geschah, und ich außerhalb des Dorfes war, schlief ich oft im Wald und kehrte am nächsten Tag wieder zurück. Meine Familie war das gewohnt, und ich dachte kurz darüber nach, doch mit Elijah zu gehen, aber verwarf den Gedanken sofort wieder. Ich wäre erst wieder am Abend mit ihm zurück, das wäre zu lang. Doch vor allem um die Sirene machte ich mir Gedanken. Ich hatte sie schon mal gehört, wusste jedoch nicht wozu er gehörte. Als ich mich wieder dem Jungen zuwendete, bemerkte ich, dass er aschfahl war. "Steig sofort ein. Dass ist die Krisensirene. Wir müssen hier weg", sagte er. Genau, die Krisensirene! Alarmiert drehte ich mich wieder zu dem Dorf. Doch ich beruhigte mich schnell wieder. Egal was geschah, meine Familie war sicherer als jeder andere. Erstens hatten wir ein Werkzeug, mit dem wir den Zaun aufbrechen und somit fliehen könnten. Außerdem hatten wir einen unterirdischen Bunker unter unserem Haus gebaut, den sicherlich niemand entdecken konnte. Hinter unserem Haus war direkt der Zaun. Meiner Familie ging es gut. Die Wort meines Vaters hallten in meinem Kopf wider. "Wenn du außerhalb des Dorfes bist, und diese Sirene hörst, komm nicht so schnell wieder zurück! Uns geht es besser als jedem anderen!" Dabei hatte er aufmuntenrd und so überzeugend gelächelt, damit ich überhaupt gar keine Sorge hatte, ihm könnte etwas zugestoßen sein. Ihnen allen ging es gut. "Fahren wir!", rief ich, rannte um das Auto und stieg ein. Elijah fuhr sofort los. Er raste über die schmale Straße, bei ihm schien es so leicht zu sein, dass ich bei meiner allerersten Autofahrt überhaupt keine Angst hatte. Die Natur flog an mir vorbei, bis sie unscharf wurde und nur noch grüne Striche der Bäume zu sehen waren. Das Auto ratterte leise und holperte über die immer schlechter werdende Straße, doch es fühlte sich an, als würde ich fliegen. "Das ist der Wahnsinn!", sagte ich aufgedreht. Elijah lachte auf. "Ja, ich weiß. Wenn ich diesen Job nicht hätte, dann hätte ich mir niemals ein Auto gekauft" "Dann hast du Glück, dass du diesen Job hast", antwortete ich und Elijah nickte lächelnd. "Wir sind gleich da", verkündete Elijah ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden. Ich schaute ihn von der Seite an. Sein schwarzer Mittelscheitel, die grauen Augen und die dunklen Sommersprossen standen ihm zemlich gut. Ich hatte noch nie in meinem Leben so einen hübschen Jungen gesehen. Wenig später fuhren wir aus dem Waldstück, durch das wir schon minutenlang fuhren, wieder heraus. Die Sonne war schon untergegangen und der Himmel hatte sich orange-rosa gefärbt. Elijah bog in eine improvisierte Seitengasse neben einem Feld ab und holperte über den steinigen, unebenen Weg. Dann wurde aus dem Weg eine glatte Straße, das Maisfeld wurde zu einem bunten Blumenfeld in allen Farben und hüllte uns in eine bunte Farbenpracht ein. Ich kurbelte das alte Fenster herunter und atmete den süßen Duft der Blüten ein und lauschte den Bienen, die in so großer Anzahl vorhanden waren, dass sie den Motor übertönten. "Cency würde das gefallen. Meine Schwester", seufzte ich enttäuscht. Ich spürte, wie Elijah mich kurz ansah, dann wieder auf die Straße blickte. Die Blumen wurden immer weniger und irgendwann endete das Feld. Ein großer, gepflasterter Platz breitete sich vor uns aus, mindestens drei mal so groß wie der Marktplatz. Müde Leute kauerten am Rand, lasen Bücher, unterhielten sich, aßen oder schliefen, während sie auf ihre Flieger warteten. Ich war überrascht, wie viele Leute sich einen Flug leisten konnten, aber anhand der Kleidung und des Diamant-Schmuckes stellte ich schnell fest, dass es sich um Stadt-Bewohner handelte, die oft Urlaub in den Luxus-Häusern mitten auf dem Land machten. Elijah parkte auf einem dafür vorgesehenen Platz und stieg aus. Er seufzte und streckte sich, und ließ seine Finger, seinen Rücken und sein Genick knacksen. Ich stieg ebenfalls aus und sog gierig die frische Luft ein. Es tat gut, nach so langer Zeit muffiger Autoluft und lediglich einmal lüften etwas frisches in meine Lunge zu lassen. Dann stolzierte Elijah zum Kofferraum, zof einen Koffer heraus der die Größe eines 7- jährigen Kindes hatte heraus, und ließ ihn stöhnend aus dem Kofferraum sinken. "Die Diamanten", erklärte er. "Sind ziemlich viele" "Darf ich mal sehen?", fragte ich. Elijah zögerte. "Lieber nicht. Das machen wir in der Stadt", wehrte er ab. "Warum behälst du die Diamanten nicht für dich? Du könntest sicherlich viel damit bezahlen", überlegte ich laut. "Hatte ich mal versucht. Die Leute nehmen keine Diamanten als Ersatz für Geld an. Sie stellen daraus keinen Schmuck her und so etwas kann man nicht großartig weiterverkaufen. Die Stadt lohnt sich mehr. Die Leute gieren danach, Schmuck ist dort total angesagt", erzählte er und ich versuchte mir vorzustellen, wie Mädchen in meinem Alter durch die Gassen liefen, Top gestylt und mit Diamant-Schmuck übersät. "Verrückt", meinte ich schulterzuckend. "Allerdings", stimmte Elijah mir schmunzelnd zu, dann fuhr er einen Griff aus dem Koffer aus und schleppte ihn wortlos über den gesamten Flugplatz. Dutzende Männer und Frauen in grell gelben Uniformen und einem leuchtenden Blinklicht-Schild in der Hand marschierten pfeifend über den Platz und gaben den Menschen Anweisungen, wo sie auf ihren Flug warten sollten. Ein dickbäcuhiger, alter Mann mit grauem Schnurrbart und Glatze stiefelte auf uns zu und scwenkte sein Leuchtschild. "Elijah mein Junge!", rief er schon von weitem. Elijah setzte ein gezwungenes Lächeln auf. "Gortel!", grüßte er zurück. "Wieder mit dem Schmuck unterwegs?", fragte er und blickte gierig auf den Koffer, der mit wertvollen Mineralien gefüllt war. "Zukünftigen Schmuck", verbesserte Elijah nickend und erntete einen anerkenndenden Blick des Mannes. "So so", grummelte er vor sich hin. "Wartet da hinten auf den Flieger 307", kommandierte er, wir nickten höflich und liefen zu dem angegebenen Ort. Es wareine kleine türlose Hütte, darin standen bereits besetzte Stühle und Bänke, auf denen die Leuten ihre Zeit vertrieben. Zwei Kinder, etwa 10, unterhielten sich lautstark über einen neuen Film, die dazugehörigen Mütter plauderten mit einer hochschwangeren Frau, ein spageldürrer Mann schlief zusammengerollt auf dem Boden und ein blondhaariges Mädchen, etwa in meinem Alter, saß schweigend auf einem der Stühle und las ein dickes Buch. "Der Flug sollte etwa in 10 Minuten kommen", flüstert Elijah mir zu. Ich weiß nicht woher er das weiß, aber ich nicke brav und schaue einem kleinen Privatflugzeug zu, dass auf der Landefläche landet, und eine großgewachsene Frau, ein genauso großer Mann und zwei verzogene Kinder in das Flugzeug einsteigen. Die Frau trägt einen flauschigen, dicken Schaal, trotz der angehenden Sommerwärme und schimpft mir einem Angestellten, dass das Flugzeug zu spät sei. Sie brüllt so laut, dass ich jedes Wort deutlich hören kann, und ich muss grinsen. Verwöhnte Stadtbewohner waren echt amüsant wenn sie ausflippten weil sie etwas nicht so brekamen wie sie wollten. Ich hatte früher manchmal Leute aus der Stadt auf dem Markt gesehen, früher, als bei uns im Dorf noch Toristen unterwegs waren. Offentlichtlich hatte sie herumgesprochen, dass im Dorf alles arm und klein war, denn mittlweile ließ sich kein einziger Tourist mehr blicken. Oder es war einfach nicht mehr im Trend, in einen der kleinen Orte zu verreisen, wer weiß. Wir warteten und warteten, die anderen Leute hörten auf zu reden und gähnten stattdessen, das Mädchen hörte nicht auf zu lesen, die zwei lauten Kinder waren längst eingeschlafen, als der Flieger landete. Er war etwas größer als das Privatflugzeug, weiß mit blauen, fetten Streifen. Die Türen öffneten sich automatisch und eine Leiter fuhr heraus. Sofort weckten die Eltern ihre Kinder, das Mädchen verstaute ihr Buch und alle stiegen erleichtert ein. Ich riss erstaunt die Augen auf. Der Flieger war für die Leute der Stadt sehr klein, für mich war es ein Monstrum. Die breiten, kräftigen Flügel, der große Bau, die automatische Leiterfunktion...es war zu viel. Es war zu viel Luxus. Kurz hatte ich das Gefühl, ohnmächtig umzukippen, ich hatte jedoch lediglich den Mund staunend geöffnet und die Augen immer noch weit geöffnet. Elijah stubste mich grinsend mit dem Ellenbogen an und riss mich zurück in die Realität "Nicht übel, mhm?", sagte er und ich brachte nur ein Nicken als Antwort hervor. Ich war immer noch völlig überwältigt. Elijah drückte den Koffer einem der Mitarbeiter, die aus dem Flugzeug geeilt kamen, in die Hand und zog mich auf die Treppe. "Ich hoffe du hast nicht Höhenangst", erinnerte er mich. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich schon ewig mit ihm befreundet. Es fühlte sich gut an. "I-Ich weiß nicht...Ich war noch nie...", stotterte ich nervös. Über die enorme Höhe, die wir erreichen würden, hatte ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Ich atmete tief ein und aus, eine Methode meines Vaters um mich zu beruhigen. Großer Gott, mein Vater. Ob sie nun alle in Sicherheit waren? Was machte sie gerade und wie ging es ihnen? Schnell schüttelte ich meine Sorge ab. Mein Vater war ein Verantwortungsvoller Mann, der schon immer die Sicherheit für unsere Familie garantiert hatte. Er würde wollen, dass ich jetzt meine Angst überwinde, in den Flieger steige und so schnell wie möglich verschwinde, Spaß habe und als erste unserer Familie die Stadt von innen sehe. Ja genau, das würde auch Cency wollen. "Meinst du, ich kann meiner Familie etwas aus der Stadt mitbringen?", fragte ich vorsichtig und wechselte somt das Thema. Elijah überlegte kurz. "Ich denke nicht, ich meine, erstens hast du kein Geld dabei, zweitens ist die Stadt...teuer", sagte er und presste die Lippen aufeinander. "Shit!", fluchte ich. Ich hätte Cency wirklich gerne etwas mitgebracht. "Los jetzt" Er legte seine Hand ungeduldig auf meine Schulter und schob mich die Treppe herauf. Im Flugzeug war fast alles weiß. Die Sitze waren gepolstert, in einem matten, hellen blau. Der Boden war mit einem dunkelgrauen Teppich ausgelegt. Ansonsten war alles in einem strahlenden weiß das mich blendete. Ein großer Bildschirm hing alle drei Meter von der Decke herab, zeigte hin und wieder Bilder von der Stadt, dann wurde der Flugplan und die Dauer eingeblendet und eine lautlose Doku mit Untertitel begann, die jedoch nach wenigen Minuten von dem Flugplan und den Bilder unterbrochen wurde. Elijah führte mich zu zwei Plätzen recht weit hinten. Wir ließen uns auf unsere Sitze fallen und ich entdeckte zwei weitere Fernseher, in miniaturgröße. Auf diesen jedoch waren Kopfhörer angebracht, und unzählige Film standen auf der Home-Seite zur Auswahl. Fasziniert berührte ich den wertvollen Bildschrim. Wir hatten tatsächlich einen Fernseher daheim, aber lange nicht so einen hochentwickelten. Sofort wurde ein Film ausgewählt. Vorsichtig setzte ich die Kopfhörer auf. Der Film hatte bereits begonne, zwar war der Bildschrim noch schwarz, aber eine geheimnisvolle Musik erfüllte mein Gehör. Ich drückte die Kopfhörer fester auf meine Ohren, um die leise klimpernde Musik besser hören zu können. Ich bemerkte, wie Elijah neben mir grinste, als wäre ich ein unterentwickeltes Kind, beugte sich über meinen Schoß, und drehte an einem Rädchen an der Seite des Bildschirms. Die leise Musik verwandelte sich in Ohrenbetäubendes Schillern und ich drehte entsetzt das Rädchen zurück. Jetzt war die Lautstärke genau richtig, ich lehnte mich zurück in den angenehm gepolsterten Sitz und starrte aus dem Fenster. Kaum zu fassen, dass ich vor wenigen Stunden noch völlig ahnungslos durch die Gassen des Dorfes gestreift war, und jetzt in einem modernen Flieger in die Stadt saß, begleitet von einem reichen, hübschen Jungen, der die Stadt vermutlich so gut kannte wie ich das Dorf. "Danke", flüsterte ich. Er erwiderte etwas, aber wegen der Musik konnte ich ihn nicht verstehen. Egal. Ich warf ihm noch einmal ein glückliches und dankbares Lächeln zu, und wandte mich dem laufenden Film zu. Ein Wesen dass ich noch nie gesehen hatte wurde fokusiert. Es stand auf zwei Beinen, war riesengroß und hatte einen wolfartigen Körper, gefletschte Zähnen, und aus seinem Mund tropfte Speichel. Es jaulte und jaulte, und ich stellte mir vor, dass solche Kreaturen in dem Wald der Stadt leben könnten. Bei dem Gedanken, ein solches Geschöpf vor Gesicht zu bekommen grauste es mit. Eine Durchsage ertönte und Elijah zog mir die Kopfhörer aus. "Liebe Gäste, bitte legen Sie sich den Sicherheitsgurt an, lehnen Sie sich zurück und entspannen Sie sich. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen und kurzen Flug!", verkündete eine Frauenstimme und ein Kichern schwankte in ihre Stimme. Wie befohlen legten Elijah und ich uns den Gurt um. Sie wünschen uns einen kurzen Flug? Ich konnte es kaum erwarten in die Lüfte zu steigen wie ein Vogel,  und da hörte ich, dass die Menschen aus der Stadt den Moment ansehnten, an dem sie landen würden? Verrückt, wie sich Menschen so unterschieden.  Das Flugzeug hob ab und ich pausierte schnell meinen Film. Ich wurde in den Sitz gepresst. Der Boden entfernte sich und wir flogen immer höher, bis die riesigen Bäume zu kleinen, grünen Punkten wurden. Elijah setzte sich Kopfhörer auf und startete einen Film. Plötzlich durchfuhr ein gewaltiger Ruck das Flugzeug, und es drehte sich stark nach unten, flog direkt zum Boden zu. Panik stieg in mir auf, und für einen kurzen Moment dachte ich, wir sürden abstürzen. Ich bereute, dass ich den Flug nicht anbgelehnt hatte, betete für meine Familie und entschuldigte mich innerlich dafür, dass ich sie verlassen hatte. Auch Elijah setzte ein wenig alarmiert die Kophhörer wieder ab, versuchte aber ruhig zu bleiben. "Hier kann man nie einen Film anfangen, was?", sagte er ein wenig zittrig. Aufgeregtes Gemurmel machte sich im Flieger breit. Es wurde zu Schreien, die Leute wedelten panisch mit den Händen und beschimpften die Sicherheitsleute, die hilflos im Gang herumtaumelten und versuchten, die Menschen zu beruhigen. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man stirbt. Noch seltsamer fand ich es, dass die Leute sich so aufregten und dachten, ihr Geschrei würde etwas bringen. Ich lehnte mich zurück und schaute zu, wie schnell das Flugzeug den Bäumen entgegenraste. Ich dachte an Cency. Sie sollte niemals in einen Flieger steigen oder die Stadt sehen. Sie sollte dort bleiben wo sie war. Das war mein Wunsch. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen und schloss die Augen. Es würde nicht wehtun, nein. Ich schaffte es sogar, die Rufe der Leute komplett auszublenden. Es war totenstill, als ein heftiger Ruck mich unsanft hochhüpfen ließ. Entweder ich und alle anderen waren tot, oder es würde gleich passieren. Ich wagte es nicht meine Augen aufzumachen. Es blieb weiterhin komplett still. Bewundernswert, wie sehr ich die lauten Schreie ausblenden konnte. Oder blendete ich sie gar nicht aus? War es tatsächlich still? Eine neue Art von Angst stieg in mir auf. War ich etwa die einzig überlebende? Ich hatte Ansgt was ich sehen würde, wenn ich die Augen öffnen würde. Einen blutenden Elijah neben mir? Ein Flugzeug voll mit Menschen die nicht überlebt hatten? Mit geschlossenen Augen bewegte ich mein Handgelenk, drehte meinen Fuß und bewegte meine Finger auf und wieder zu. Nichts tat weh. Unmöglich das ich unverletzt war. Ich zwang mich meine Augen zu öffnen, ich musste meine Angst überwinden. Ich musste es wieder zurück zu Cency schaffen, und mit einer dämlochen Angst würde ich es nicht weit bringen. Ich müsste es sowieso irgendwann tun. Ich atmete tief durch, und öffnete meine Augen einen Spalt weit.

Before my lifeWhere stories live. Discover now