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Das Taxi hat noch keine Sekunde gehalten, befindet sich im Ausrollmodus und nicht annähernd in einem Zustand des Haltens, da öffnet Jonathan schwungvoll die Tür und übersieht dabei eine Gruppe Damen mittleren Alters, welche in bunten luftigen Sommerkleidern gekleidet kichernd durch die Nacht stolpern. Er prallt gegen den üppigen Busen der einzigen Blondine in dieser feuchtfröhlich ausgelassenen Runde und verzieht angewidert das Gesicht. Ein dezenter Fluch und lautes losgelöstes Lachen sind die Folge des Genusses von prickelnd fruchtigen Schaumweinen und nicht selten zu dieser Tageszeit in einer lauschigen Freitagnacht zu sehen. Sie rufen meinem wütenden Partner hinterher, doch dieser ignoriert die Gruppe gekonnt und verschwindet mit langen Schritten hinter der rotlackierten Tür und lässt mich mit dem jetzt noch müder wirkenden Taxifahrer allein zurück.

"Wer bezahlen?", fragt dieser mit hochgezogen Augenbrauen. War ja klar das Jonathan mich in dieser äußerst prekären Situation allein zurück lässt. Flucht und Verdrängung waren schon immer sein beliebtes Mittel um unangenehmen Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Das macht er ständig, seit wir uns kennen und ebenso endete auch unsere hitzige Diskussion am Abend als mich ein Flugzeug über den Ozean und zu Alec brachte. Vieles blieb ungesagt und obwohl die Antworten bereits auf dem Tisch vor uns lagen, bewiesen wir mal wieder unser Talent für das Umschiffen unangenehmer Dinge.

Seufzend reiche ich dem Fahrer ein paar Scheine und bemerke erst beim Verlassen das Wagens das reichliche Trinkgeld. Scheiß drauf, wie auf so vieles. Mein Leben, meine Liebe, die Beziehung die noch zu Beginn des Abends in Takt war und ganz besonders, scheiß auf die anzüglichen Bemerkungen der rothaarigen Dame im viel zu kurzen Sommerkleid.
"Nicht so stürmisch Süßer. Die Nacht ist noch jung", flötet sie und kommt mir dabei gefährlich nahe. Zu nahe, ich rieche ihren alkoholisierten Atem und das süßlich-pudrige Vanilleparfum lässt mich unweigerlich Würgen. Der blumige Duft kitzelt in meiner Nase und ich niese verhalten in meine Armbeuge. Na toll.

"Erkältet? Bei dem wenigen Stoff an deinem Körper auch kein Wunder. Soll ich dich etwas wärmen? Oder die Brust einreiben?" Ihr knorriger Finger bohrt sich ungefragt in meine Brust, sie leckt sich mehrfach über ihre stark mit kirschrotem Lippenstift geschminkten Lippen und bevor sie ihre Erkundungstour über meinen Körper starten kann, unfasse ich sanft aber fordernd ihr Handgelenk. Ihre schwarzen dichten Wimpern klimpern mir lüstern entgegen, das Lächeln ist fast unschuldig, doch das Funkeln in ihren Augen verrät die wahre Absicht.
"Sorry meine Gute, falsches Team", antworte ich und meine verstellte nasale Stimme erinnert mich unweigerlich an den fischigen Schmierlappen. Noch immer kann ich es kaum glauben. Jonathan macht mir Vorwürfe, dabei schreit dieser Kerl doch regelrecht seinen Triumph meinen Freund gefickt zu haben in die Welt hinaus. Ungefragt.
"Oh. Schade", kichert sie.
"Dein Freund? Mann? Egal, zwei Sahneschnittchen seid ihr auf jeden Fall", sagt sie ungeniert, deutet auf die Tür hinter der Jonathan vor einer Weile verschwunden ist und ich schüttele energisch den Kopf.
"Hören sie, ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend. Aber ich muss jetzt wirklich gehen."

"Falls du dich doch noch umentscheiden solltest...", ruft sie mir energisch hinterher.
"Wohl eher nicht", murmele ich und spüre die Blicke der Damen in meinem Rücken und ein unangenehmes Gefühl macht sich breit. Ich schäme mich nicht für meinen Körper, das Make-up oder die Narben auf meiner Haut. Dennoch trifft mich diese Begegnung auf seltsam bedrückende Weise. Vier Stockwerke, ich verzichte auf den viel zu langsamen und wackeligen Aufzug und erklimme die Stufen zu unserer Wohnung mit langen Schritten. Diese sportliche Betätigung ist ungewohnt für meinen Körper und zum wiederholten Male an diesem Abend schlägt mein Herz viel zu schnell und kräftig in meiner Brust. Keuchend suche ich Halt am hölzernen Holm und verziehe angeekelt das Gesicht. Eine glibberige grün-gelbliche Schleimspur ziert den Handlauf, Rotz, Eiter, andere Körperflüssigkeiten? Es könnte alles sein und ich möchte nicht genauer darüber nachdenken. Doch leider funktionieren Menschen nicht so und mein Verstand hat schon eine ganze Enzyklopädie an möglichen Fakten hervorgebracht.

Ashamed - Maybe one dayWhere stories live. Discover now