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"Was war das denn?", frage ich irritiert und blicke Alec hinterher. Anmutig bewegt er sich durch den Raum und wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, dass er absichtlich aufreizend die Hüften bewegt. Aber warum sollte er das tun? Er gilt als Hetero. Hier vor den Menschen seiner Vergangenheit mit einem Mann zu flirten, den er vor Jahren um den Verstand vögelte, ist garantiert nicht das was er möchte. Dennoch bewegt er sich nicht so. Ganz im Gegenteil. Seine Kehrseite ist genauso schön wie der Rest von ihm. Ich muss ein erregtes Seufzen unterdrücken. Die Bilder in meinem Kopf, sie sind nicht verblasst und in einem antiken bräunlich-gefärbten Zustand. Sie sind farbenfroh und äußerst real. Alec auf dem großen Bett in meinem Hotelzimmer, bäuchlings mit dem Kopf auf den Armen ruhend und einem vor Lust verklärten Ausdruck als meine Lippen jeden Zentimer seines athletischen Körpers erforschten.

"Alec redet nicht viel. Das war in der Schule schon so", erklärt Jonathan schulterzuckend. Das habe ich anders in Erinnerung. Vor drei Jahren hat er ziemlich viel geredet. Schmutzige anzügliche Worte zwar, aber er hat geredet. Ich kann mir sein Verhalten gerade nicht erklären. Auch wenn wir unser kleines Geheimnis nicht hier vor allen Anwesenden Preis geben werden, so hätte er wenigstens eine Begrüßung über die Lippen bringen können. Es schmerzt, dass er mich so einfach ignoriert.
"Möchtest du noch etwas trinken?", frage ich Jonathan.
"Nein danke. Erstmal nicht", antwortet er und blickt sich wieder einmal suchend um. Was oder wen sucht er diesmal? Es ist mir ein Rätsel. Sein ganzes Verhalten seit unserem Gespräch Zuhause und überhaupt 'Er' sind mir ein Rätsel. Wann hat sich unsere Beziehung dermaßen verändert?

"Okay, also nur ich", sage ich und erhalte mal wieder keine Antwort. Jonathan ist schon die ganze Zeit extrem nervös und je länger wir hier sind, umso mehr verstärkt sich mein Gefühl, dass ich unerwünscht bin.
"Jona, ist alles gut?", frage ich und erhalte einen verwirrten Blick.
"Natürlich", kommt prompt seine Antwort und das falsche Lächeln welches ich im Taxi noch trug, ziert jetzt sein Gesicht.
"Gut", entgegne ich.
"Gut", antwortet er. Selten war unsere Kommunikation so einsilbig und eingeschlafen.
"Ich hole mir nur ein neues Bier. Bin gleich wieder da", sage ich und Jonathan brummt zustimmend. Seine Hand verlässt die meine und ich fühle mich seltsam erleichtert. Das beklemmende Gefühlschaos in meiner Brust welches seit dem Erkennen von Alec in mir wütet, richtet sich fokussiert auf den Mann in der Küche. Ich kenne nur noch ein Ziel und es ist mir sowas von egal in welche Richtung es Jonathan treibt.

"Wir finden uns", sagt dieser halbherzig an mich gewandt. Der Kuss auf meine Wange lässt mich schaudern. Nicht angenehm wohlig und mit Herzrasen bis zum nächsten Tage. Unangenehm, kalt und extrem fehl am Platze. Ohne ein weiteres Wort wende ich mich ab und gehe zielstrebig auf die verglaste Schiebetür zu. Mein Freund ist bereits auf halber Strecke zu einem Kerl mit blonden Locken und zuckersüßem Lächeln unterwegs. Ich kenne ihn nicht, aber dem Grinsen auf dem Gesicht des Mannes zu urteilen nach, mein Freund schon. Unschlüssig bleibe ich vor der Tür stehen und erhasche einen Blick auf Alec welcher mit gesenktem Kopf und stützenden Armen vor dem kleinen Küchentisch steht. Ich wüßte so gerne was in seinem hübschen Kopf vorgeht. Das seine Gedanken niemals still stehen und das Herz nach etwas schreit, was es niemals haben kann, ist nur für mich zu erahnen.

Nach unserer Vereinigung in dieser dunklen Londoner Nacht, mit einem Herzen voller Schmerz und den Verstand weit weg von uns, ließ Alec mich nicht allein. Warum er dies tat weiß ich nicht. Er ging nicht, kuschelte sich nach einer ausgiebigen Dusche welche wir überaus genossen, in die wärmende Decke und zog mich ohne ein Wort in seine Arme. Das war etwas, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Nach einem Orgasmus voll getränkter Lust und Begierde bereitete ich mich auf den schmerzenden Fall und die Scham vor. Doch nichtsdergleichen geschah.

Beschützend schmiegte Alec seinen Körper an meinen Rücken und hielt meine Beine fest umschlungen in einem Klammergriff. Ein Arm unter meinem Kopf hindurch geschoben ruhte Alecs linke Hand auf meiner Brust und zog kleine Kreise. Jede Berührung seiner Fingerspitzen auf meiner Haut schickte elektrisierende Funken durch meinen Leib. Seine warme Haut umhüllte mich und die Finger seiner rechten Hand verschränkten sich mit meinen. Ruhig lagen sie auf meiner Hüfte, kein lästiges Stück Stoff verhinderte die uneingeschränkte Wirkung von zwei dicht aneinander liegenden Körpern. Geborgenheit und Zuneigung legte sich wie eine schützende Decke über uns und ich seufzte als meine Augenlider immer schwerer wurden und ich langsam in den wohlverdienten Schlaf abdriftete. Der Sex mit Alec war mehr als befriedigend. Lange hatte ich mich nicht mehr so geborgen und vollkommen gefühlt. Ich war nie ein Mann mit nur einer Vorliebe. Wenn es mein Partner wünschte, dann war ich durchaus bereit auch ihn zu befriedigen. Aber um nichts in der Welt hätte ich es mir nehmen lassen, Alecs heißen pochenden Schwanz in mir zu spüren.

Ashamed - Maybe one dayDonde viven las historias. Descúbrelo ahora