4. Kapitel

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Während Tilo sich eine beachtliche Menge Zucker in seinen Kaffee kippte, musterte ich mein belegtes Brötchen und fragte mich, warum ich mir überhaupt etwas zu essen bestellt hatte.

Mir war der Appetit gründlich vergangen, weswegen ich das Brötchen auch erstmal liegen ließ.

Ich sah aus dem Fenster und dachte einen entsetzlich langen Augenblick, jemanden von der Presse zu sehen. Aber dann war es nur irgendein Idiot, der eine Sprachnachricht auf seinem Handy aufnahm und dabei hektisch an dem Café vorbei hastete.

"Glaubst du wirklich, er würde Kontakt mit uns oder meinen Eltern aufnehmen?" Tilos Stimme durchschnitt die Stille und ich riss meinen Blick vom Fenster los, da ich schon den nächsten Passanten analysierte und nach Hinweisen von der Presse suchte.

"Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zu. Der Gedanke daran, dass der Entführer von Mia sich bei Tilos Eltern melden würde, machte mir Angst. Oder dass er sogar Kontakt zu uns suchen würde.

Was würde er wollen? Wollte er die Angehörigen erpressen? Ihnen drohen? Und warum war davon bisher überhaupt nichts in die Öffentlichkeit gelangt?

Immerhin hatte ich gerade am eigenen Leib erfahren, wie wissbegierig die Presse war und auch, dass die Journalisten mehr wussten, als sie in den Medien schrieben. Wer hatte ihnen diesen Maulkorb verpasst?

Tilo trank einen Schluck von seinem Kaffee und knallte die Tasse mit einem würgenden Geräusch zurück auf den Tisch. Ich zog meine Augenbrauen hoch.
"Zu viel Zucker."

"Das hätte ich dir auch vorher sagen können." Er schnaubte auf und lehnte sich dann ein bisschen zurück. Während er mich nachdenklich musterte, widmete ich mich dann doch meinem Brötchen. Es schmeckte so hervorragend wie immer, aber ich war eindeutig der Meinung, dass es sonst eindeutig noch besser schmeckte.

"Ich frage mich, wer dahintersteckt. Ich meine, wieso Mia? Wieso wir?" Während mir die Remoulade die Finger herunter lief, dachte ich über diese Fragen nach. Klar, Mia war nicht das erste Kind, was entführt wurde in den letzten Wochen, oder waren es schon Monate?

Ich wusste es gerade nicht mehr. Aber natürlich fragte man sich, wieso es ausgerechnet uns passieren musste. Ich überlegte, ob ich deswegen ein schlechtes Gewissen bekommen sollte, aber ich entschied mich dagegen. Die anderen Familien werden sich sicherlich das gleiche gefragt und keine Antwort bekommen haben.

"Entschuldigung?" Ich hob den Blick und sah in das Gesicht einer jungen Frau. Sie hatte einen Notizblock in der Hand und mein Herz fing an zu rasen. "Sind sie Tilo Conroy?" Tilo beäugte die Frau kritisch und verschränkte dann seine Arme vor der Brust, ohne eine Antwort zu geben. Das schien für die Frau jedoch ein eindeutiges "Ja" zu sein, da sie schnell einen Stift hervorholte.

"Dann hätte ich ein paar Fragen an Sie."
"Nein."
"Nein?" Die Frau sah Tilo enttäuscht an und ließ ihren Stift sinken. "Oh Verzeihung, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, ich bin Maike Fernandés." Sie streckte ihm ihre Hand hin und ich stopfte mir derweil schnell den letzten Bissen von dem Brötchen in den Mund.

"Sehr schön", grummelte Tilo und sah mir abwartend dabei zu, wie ich meine Hände und den Mund von der Remoulade zu befreien. Kaum hatte ich die Serviette auf den Tisch gelegt, sprang er auf und zog mich im Vorbeigehen vom Stuhl.
"Wir müssen jetzt gehen", teilte er der Frau mit, die verdattert am Tisch stehen blieb und uns hinterher sah. Auf dem Parkplatz fiel Tilo ein, dass er unser spärliches Frühstück besser noch bezahlen sollte und ging hektisch wieder hinein.

"Vielleicht können Sie mir sagen, ob..." Ich erschrak fürchterlich und fuhr zu der Frau herum, die wie aus dem Nichts wieder hinter mir erschienen war. Unsicher sah ich mich um, aber von Tilo war weit und breit nichts zu sehen, andere Journalisten sah ich glücklicherweise jedoch auch nicht.

Sacrifice - Don't touch herWhere stories live. Discover now