15. Kapitel

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Das warme Wasser prasselte beruhigend auf mich nieder. Ich spürte den Wasserstrahl auf meiner Haut. Und spürte ihn irgendwie auch nicht.

Wenn es etwas gab, was ich in den letzten Monaten gelernt hatte, dann war es eine Sache: Mit meinen Gedanken aus meinem eigenen Körper zu fliehen. Abstand zu der Realität zu bekommen und sich in eine Welt zurück zu ziehen, in der alles in Ordnung war. In der man nicht von einem fremden Mann angefasst, missbraucht und geschlagen wurde.

Ich gab mir wirklich Mühe, auf Drew zu hören. Denn dann hielt er seine Versprechen. Ich durfte in einem Zimmer unter dem Dach wohnen. Auch den eingezäunten und bewachten Garten betreten durfte ich. Von da aus hatte man einen schönen Blick zu einem Fluss, der gar nicht so weit entfernt vom Grundstück durch die Landschaft floss. Aber manchmal war mir der Preis dafür zu hoch. Dann verbannte er mich zurück in den Keller. Natürlich erst, nachdem er sich mit Gewalt das genommen hatte, was er ursprünglich von mir wollte und ich ihm verweigern wollte.

Ich konnte nicht mehr. Ich wusste nicht, wie lange ich das noch aushalten würde. Wenn ich tat was er von mir verlangte, war er nicht so grob. Aber es änderte nichts an den Sachen, die er mit mir machte.

Langsam wusste ich nicht mehr, wie lange ich schon hier war. Bestimmt schon drei oder vier Monate. Jeder Tag war wie der andere. Jeder Tag war schrecklich und jeden Morgen könnte ich vor Verzweiflung weinend liegen bleiben. Aber das ging nicht. Dann kam er und ließ mich holen. Ich musste ihm gehorchen wie ein Hund.

Wenn ich bei ihm war, gelang es mir meistens die Fassade aufrecht zu erhalten. Mittlerweile vertraute er mir. Ich versuchte extra, sein Vertrauen zu gewinnen. Dann würde er mir vielleicht endlich mal sagen, warum er mich hergeholt hatte. Warum er mich so quälte und seinen Spaß daran hatte. Ich spürte, dass ich ihn bald so weit hatte. Aber ich wusste nicht, ob es bis dahin nicht schon zu spät war.

Ich kippte mir Duschgel auf die Hand und rubbelte mit den Händen über meinen Körper. Schrubbte meine Haut ab, aber die Erinnerungen verschwanden nicht. Stockend fuhr ich über meinen Oberkörper. Meine spannenden Brüste und dann über den leicht vorgewölbten Bauch.

Das war mir schon seit längerem aufgefallen. Ich dachte erst, ich hätte vielleicht zu viel gegessen. Oder allgemein einfach zugenommen. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass ich hier noch nie meine Tage gehabt hatte. Erst schob ich es auf die Umstellung. Neue Umgebung, neue Menschen. Meine innere Unruhe, sodass meine Monatsblutung ausblieb. Sowas konnte schließlich immer psychische Ursachen haben.

Jedoch schien es bei mir nicht so zu sein. Und das machte mich wahnsinnig.

Ich konnte mich abkapseln, ich konnte mich zurückziehen, in meine eigene Gedankenwelt flüchten. Drew von mir drängen. Er berührte nur von außen meinen Körper, drang aber nicht bis in mein tiefstes Inneres durch. Doch jetzt trug ich vielleicht etwas von ihm in mir. Davor konnte ich mich nicht schützen. Das konnte ich nicht von mir stoßen. Es würde in mir heran wachsen, immer größer werden und mich immer mehr an das erinnern, was passiert war.

Verzweifelt wusch ich mir den Schaum ab, fuhr mir mit den Händen über das Gesicht und durch die Haare. Mich hielt nur noch ein einziger Gedanke auf den Beinen. Es könnte auch noch von Tilo sein.

Kaum dachte ich an ihn, liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich brauchte ihn so sehr wie noch nie. Aber er war so unerreichbar weit weg. Für ihn musste es genauso schwer sein. Und sollte ich hier jemals rauskommen, würde es für ihn bestimmt unmöglich sein, weiter mit mir zusammen zu sein, wenn ich das Baby von einem Psychopathen in mir trug.

Zitternd stellte ich das Wasser aus und kletterte aus der Dusche. Barfuß lief ich bis vor den großen Spiegel. Ich erkannte mich nicht wieder. Mir blickten leere Augen entgegen, die nichts mehr mit den lebhaften, lachenden Augen von früher zu tun hatten. Meine Haut wirkte fahl, die Haare hingen mir nass und in Strähnen um das Gesicht bis auf die nackten Schultern hinunter.
Ich stellte mich seitlich hin und begutachtete das erste Mal so richtig meinen Bauch. Vorher hatte ich es verdrängt, versucht zu ignorieren. Doch das ging nicht mehr.

Sacrifice - Don't touch herWhere stories live. Discover now