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Requiescat in Pace

Ezio lief einfach los. Ace sah kurz zurück. Würde sie nun wirklich dieses Haus verlassen müssen? Dieser Gedanke kam ihr so weit entfernt vor und doch war er da. Als der Assassine schon einige Meter entfernt war setzte auch Ace sich in Bewegung und lief neben ihm her. "Woher weißt du eigentlich, wo wir hinmüssen?", wollte Ace mit der üblichen Ironie in der Stimme wissen. Die Trauer war verflogen, sie kam sich so schwach vor wenn sie weinte. Und das mochte sie ganz und gar nicht... "Ich weiß es nicht. Ich dachte du würdest es mir erläutern", antwortete er eher beiläufig und sah sich um. Ace verzog missmutig das Gesicht. Sie würde es ihm gern nicht sagen damit er sich schön dumm vorkam - aber sie mussten ihre Mutter warnen! Laut Ezio war sie in Gefahr und irgendwie glaubte sie ihm das sogar. "Sie ist entweder am Rathaus oder in der Schmiede am Fluss", erklärte Ace kurz angebunden und deutete vage in die jeweiligen Richtungen. Ezio nickte nur knapp und sprintete los. Ace lief einfach hinterher. Kondition hatte sie schon, immerhin musste sie oft als Lauf'bursche' von einem Kunden zum anderen laufen und das nutzte sie um etwas Sport zu machen. Wieso sich Ezio in der Stadt auskannte war ihr auch nicht klar. Aber er lief den richtigen Weg und so kamen sie bald am Rathaus an. Das imposante, ockerfarbene Gebäude erhob sich in der Mitte der gegenüberliegenden Gebäude und war etwas hervorgehoben durch seine vielen Verzierungen und den prunkvollen Säulen aus Quarz. Ace sah sich um. Wenn, dann würde ihre Mutter im Zimmer rechts unten sein. Dort lief sie hin, ohne auf die Menschen in der Umgebung zu achten, und sah durch die Scheibe. Ihre Mutter war nicht da. Schnell! Zum Fluss! Gerade wollte sie sich umdrehen als Ezios starker Griff an ihrer Schulter sie daran hinderte. Als sie ihn böse ansah legte er nur seinen Zeigefinger auf die Lippen und nickte in Richtung Fenster. Durch die Sonnenstrahlen, die auf das Fenster schienen, konnte man eine leichte Staubschicht erkennen. "Geh aus der Sonne", murmelte Ezio finster und zog Ace zur Seite, gerade als drei Personen den Raum betraten. Eine davon war Agisto, die andere sein schleimiger Berater Franco und die dritte Person kannte Ace nicht. Sie schienen sich zu unterhalten, man verstand aber nichts da es auf dem Platz vor dem Rathaus relativ laut war. "Cazzo...", fluchte Ezio, tippte Ace an und deutete an der Hauswand nach oben. Sie verstand nicht und sah fragend in die Luft. "Was denn? Häh?" Ezio gab ein Geräusch von sich, das klang wie eine Mischung aus unterdrücktem Lachen und empörtem Schnauben. "Hochklettern. Jetzt. Da hoch", erklärte er knapp und begann auch schon, sich nach und nach an den Säulen hochzuziehen. Ace sah ihm verblüfft nach. Was? Wieso das jetzt? Sie griff nach einer Verzierung um sich daran hochzuziehen, was besser klappte als sie sich vorgestellt hatte. Trotzdem war sie nach kurzer Zeit am Ende ihrer Kräfte wobei Ezio immer noch mit geschmeidigen Bewegungen an der Fassade hinaufkletterte. Sobald er oben angekommen war ging er am Rand des Daches in die Hocke und sah zurück. Er lachte leise, das hörte Ace. Die hätte ihm nun gern böse Worte an den Kopf geworfen wenn sie nicht damit beschäftigt gewesen wäre, nach oben zu kommen ohne herunterzufallen. "Du erregst bei Weitem zu viel Aufmerksamkeit", hörte sie den Assassinen von oben spotten. Sie sah nach unten. Einige Leute beobachteten sie argwöhnisch. Shit, was sollten sie denken wenn sie Ace mit diesem Mörder sahen? Sie zwang sich dazu, weiterzuklettern. Ein schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit. Sie war es gewesen, die den Assassinen bei sich aufgenommen hatte. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer Mutter. Er ist dein Patient. Solange ich nichts damit zutun habe, erdulde ich es. Gut, sie hatte es nicht direkt so gesagt, aber diese Botschaft hatte in ihren Worten gesteckt. Und nun hatte sie den Namen ihrer ganzen Familie in den Dreck gezogen. Das... Ace blinzelte die Tränen weg und kämpfte sich weiter voran. Sollten die Leute doch schauen. Dann brachte sie diesen Bastard vor ihren Augen um und der Name D'Oro wäre wieder reingewaschen. Aus ihren Armen war jegliche Kraft entwichen, sie fühlten sich zittrig und kraftlos an. Ihre Fingerspitzen brannten - und das alles nach nur 10 Metern klettern. Sie war enttäuscht von ihren Fähigkeiten. Noch einen Meter... Einen halben... Gerade als sie das Gefühl hatte, ihre Finger würden so oder so ihren Griff lösen weil sie nicht mehr kräftig genug waren, spürte sie Ezios Hände die jeweils einen Arm von ihr ergriffen und sie nach oben zogen. Er war schon stark, das musste man ihm lassen. Ace lag auf dem Rücken auf dem Dach, die eine Hand neben sich, die andere auf dem Bauch. Sie spürte wie sie nach Luft schnappte. Die Augen hielt Ace geschlossen da die Sonne, die sich immer weiter auf ihren höchsten Punkt zubewegte, ihr ins Gesicht schien. Sie musste dringend zu ihrer Mutter - aber ihre Beine und Arme fühlten sich an wie Gummi. "Vollidiot", zischte Ace ohne sich zu bewegen. Ezio saß neben ihr in der Hocke, sah sich um und lachte amüsiert. "Ich hätte ein 'Danke' auch akzeptiert. Immerhin lägst du nun da unten, hätte ich dir nicht geholfen." Ace öffnete blinzelnd die Augen um Ezio finster anzusehen. "Pah! Wärst du nicht gewesen, wäre ich überhaupt nicht hier sondern Zuhause", giftete Ace ihn an und rappelte sich auf. Sobald sie sich aufstützte gaben ihre Arme nach. Verdammt! Sie musste zum Fluss. Ezio stand auf. "Über die Dächer geht es nunmal schneller - sofern man das Klettern beherrscht." Er grinste nur leicht spöttisch. "Und was ließ Euch vermuten, dass ich es beherrsche?" Ihr war aufgefallen, dass Ezio sie duzte. Und das wollte sie vermeiden. Sie sah ihn grimmig an und stand dann doch etwas wackelig auf. Ezio schien zu überlegen, ob er ihr helfen sollte. Nein, dachte Ace, das schaffe ich auch selber. So lief sie entschlossen los und sprang auf das nächstgelegene Dach - wo sie sofort wieder zusammenklappte. Scheiße, wieso hatte er sie dazu gebracht, zu klettern?! Sie hatte Angst, Angst um ihre Mutter. Zusammengesunken vergrub sie das Gesicht in ihren Händen. Nein. Nein. Nein! Das war einfach zu viel. Sie hörte, wie Ezio leichtfüßig auf dem Dach landete. Er musterte Ace nachdenklich und ging neben ihr wieder in die Hocke. "Darf ich Ihnen helfen, Signorina D'Oro?", fragte er charmant, nicht so wie vorher - und hielt ihr eine Hand hin. Sie sah auf und musterte seine Hand. Was hatte sie schon für eine Wahl? Wenn sie zu ihrer Mutter kommen wollte brauchte sie Hilfe. Sie nahm Ezios Hand und ließ sich von ihm hochziehen. "Und? Wie willst du mir helfen?" Sie biss sich auf die Zunge. Die Gleichgültigkeit war ihr gelungen, aber wieso zur Hölle hatte sie 'du' gesagt?! Ezios Gesicht lag in dem Moment völlig im Schatten sodass sie nicht sehen konnte, was er tat. "Ich kann Euch tragen" Hey, er duzte sie nicht mehr! Sie schmunzelte leicht, was aber nicht ganz gelang da sie immer noch einen Kloß im Hals hatte. "Tragen? Niemals." Diesmal war sie sich sicher, dass er grinste. "Dann nicht. Ich besorge uns Pferde." Mit einem Sprung verschwand er vom Dach. Erschrocken sah Ace ihm nach. Aus dieser Höhe würde er sich noch das Genick brechen! Doch Ezio kletterte flink die Hauswand hinab, ohne sich irgendwas zu brechen. Nur wenige Minuten später stand er mit zwei Pferden unten. Er sah hinauf. "Springt!", rief er auffordend und wartete. Ace saß an der Dachkante und sah ihn ungläubig an. "WAS?!" Ezio hob beschwichtigend die Hände mit den Zügeln. "Ganz ruhig, ich fange Euch auf", antwortete er mit beruhigender Stimme. Ace beruhigte sich aber ganz und gar nicht. Panisch sah sie nach unten. Okay, sie musste wohl oder übel. Sie kniff die Augen zusammen und sprang. Kurze Zeit fühlte sie sich, als könnte sie fliegen. Dann landete sie mit viel Schwung in Ezios Armen, der sie gerade so fangen konnte ohne die Pferde unnötig zu erschrecken. Sofort befreite Ace sich und nahm ihm einen Zügel aus der Hand. Sie strich sich unauffällig die blonden Haare aus dem Gesicht. "Und? Wie soll das gehen? Stehen kann ich jetzt, aber reiten?" Ezio stieg auf sein Pferd und drehte es um. "Euer Pferd folgt meinem ganz von allein, Ihr werdet sehen" Woher dieser plötzliche Umschwung von 'du' zu 'Ihr'? Ace nickte nur und stieg mit wackeligen Beinen auf. Zu viel Zeit war unnötig verstrichen. Ezio ließ sein Pferd losgaloppieren und wirklich, Ace' Pferd lief automatisch hinterher. Sie fühlte sich wie ein nasser Sack... Mit Muskeln aus Gummi... "In was für einer Gefahr ist meine Mutter denn?", wollte sie nun wissen während sie sich mit Mühe im Sattel hielt. Ezio schwieg eine Weile und Ace dachte schon, er hätte sie nicht gehört. Doch dann antwortete er: "Ich fürchte, nun schwebt sie in Lebensgefahr." Ace erschauderte. Nein! Das - war einfach unmöglich! Das ging nicht! Sie wollte es nicht wahrhaben, dass ihre Mutter sterben konnte, nur wegen ihrem Fehler! Sterben! Völlig durch den Wind bemerkte Ace nicht, wie die Pferde plötzlich hielten. Erst als Ezio abstieg und zu ihr lief um ihr herunterzuhelfen wurde sie wieder in die Realität zurückgebracht. Sie ließ sich von dem Assassinen helfen und lief mit unsicheren Schritten auf die große Schmiede zu. Sie stand am Stadtrand außerhalb der Mauern an einem Weg, neben dem der Fluss floss. Ace sah sich mit aufgerissenen Augen um. Wo war sie? Wo war ihre Mutter? Sie rannte los, stolperte aber konnte sich gerade noch fangen. Plötzlich sah sie sie. Da stand sie, die blonde Frau, und redete mit dem Schmied. Erleichtert rannte sie schneller, hörte gar nicht das Ezio hinter ihr lief nachdem er die Pferde angebunden hatte, und sie warnte. Sie solle nicht so auffällig sein. Doch diese Warnung überhörte sie. Sie wollte nur zu ihrer Mutter. Schon bald bemerkte die Frau sie, beendete das Gespräch mit dem Schmied und wartete strahlend und mit ausgebreiteten Armen auf ihre Tochter. Ace flog förmlich in ihre Arme, drückte sich an sie und sog ihren vertrauten Geruch ein. Nein, anhänglich war sie nicht. Nicht mit 17 Jahren. Aber sie hatte Angst gehabt, sie würde ihre Mutter nie wieder sehen. Die Sonne schien warm auf Ace' Rücken und der frische Wind ließ ihre blonden Locken flattern. Sie spürte die wohlige Wärme die ihr nie angenehmer vorgekommen war als jetzt. "Ace, was ist denn los? Was ist denn passiert, mein Schatz?", murmelte ihre Mutter, die ihr Kinn auf Ace' Kopf gelegt und ihre Augen geschlossen hatte. Sie freute sich über den Besuch ihrer Tochter, auch wenn es hieß, dass irgendwas los war. Ezio hatte sie noch nicht bemerkt, wobei sich dieser auch im Hintergrund hielt und sich wachsam umsah. Tränen liefen aus Ace' Augen, jene, die sie den ganzen Tag zurückgehalten hatte. Sie fühlte sich entkräftet, physisch wie mental. "Ich... es geht dir gut!", murmelte Ace erleichtert und beruhigte sich langsam. Ihre Mutter lächelte nur sanft und gab Ace einen Kuss auf den Scheitel. "Ja, mir geht es gut. Und nun sag, was ist los?" Sie nahm ihre Tochter an den Schultern und schob sie soweit zurück dass sie ihr in die Augen sehen konnte. Ace schluckte ihre letzten Tränen herunter. "Ezio - der Assassine - er hat gesagt wir seien in Gefahr! Wir müssen hier Weg!" Nun drängte Ace sie regelrecht. Ihre Mutter wirkte nun verwirrt. "Was sagst du da?" Ace nahm den Arm ihrer Mutter und versuchte sie mitzuziehen, was nicht wirklich gelang weil sie sich befreite. "Was?" Sie runzelte die Stirn. "Was ist passiert?" Nun bemerkte sie auch den Assassinen. "Ace, was hast du angestellt?" Ihre Stimme klang hart. Ace sah ihre Mutter entgeistert an. "Ich habe gar nichts gemacht! Da waren Wachen... Und die haben unser Haus betreten... Und wollten zu dem Assassinen weil sie ihn hängen wollten... Und..." Ace' Stimme versagte. Er hatte sie umgebracht. Alle. Die Augen ihrer Mutter wurden groß. "Was?!", schrie sie panisch und atmete kurz danach tief durch. "Dann hat er recht. Wir müssen weg hier. Zu deinem Vater, ihm Bescheid sagen..." Nun wirkte die blonde Frau gefasst. Sie sah zu Ezio. "Hey, du! Wir brauchen noch ein Pferd" Ezio sah sie stumm an. Dann schüttelte er den Kopf. "Was soll das denn heißen?!", rief ihre Mutter empört. Ezio kam nun näher, so nah dass er flüstern könnte. "Bitte, Signora, seid nicht so laut. Ich werde nicht mitreiten", erklärte er knapp und hielt den Kopf so gesenkt, dass kaum Licht darunterfiel. Kurz herrschte Stille, dann nickte sie. "Gut." Ohne auf Ezio zu achten lief sie nun auf die Pferde zu. Doch kaum hatte sie zwei Schritte getan hörte man das Surren von Pfeilen. "Oh mein Gott!", entfuhr Ace' Mutter ein schriller Schrei. Sie duckte sich hilflos und rannte nun los. Ace riss die Augen auf und sah sich um. Von dem Weg kamen nun Wachen, viele Wachen mit Armbrüsten, Bögen und Schwertern. Ezio zog schnell sein Schwert mit dem Adlerkopf und rief: "Rennt zu den Pferden! Jetzt!" Ace' Mutter war schon bei den Pferden als diese scheuten und angsterfüllt davonrannten. Ace blieb starr stehen. Was lief hier ab? Woher wussten die Wachen dass sie hier waren? Sie war völlig überfordert mit dieser Situation. Hilfesuchend sah Ace' Mutter zu ihrer Tochter. Doch diese war genauso ratlos. Ezio bekam noch mit, dass die Pferde verschwunden waren, musste sich aber bereits gegen die ersten Wachen verteidigen. Plötzlich zog Ace' Mutter einen Dolch, was Ace sehr überraschte. Ihre Mutter war so eine gutmütige und menschenfreundliche Frau, da hätte sie keine Waffen erwartet. Auch wenn ihre Mutter Ezio nicht kannte half sie ihm, die Wachen zu bekämpfen. Wo hatte ihre Mutter gelernt, so zu kämpfen? Sie traute ihren Augen nicht. Doch tatenlos herumzustehen war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung. Besonders nicht wenn ihre Mutter in Gefahr schwebte! Und was war mit Vater? Der war noch unwissend in Tertia! Ace schnappte nach Luft. Was tun? Was tun? Ihr wurde warm und kalt zugleich. Diese Frage war das einzige in ihrem Kopf. Sie war unbewaffnet und hatte keine Deckung. Die Waffen der Kämpfenden klirrten laut, wenn das Metall aufeinander traf. Es war warm geworden, die Sonne stand hoch. Nach und nach schlugen die beiden ihre Gegner zurück. Sobald der letzte mit Hilfe eines Wurfmessers von Ezio fiel rannte Ace zu den beiden. An manchen Stellen bluteten sie, doch es schien nichts Schlimmes zu sein. Als Ace zu ihrer Mutter und Ezio kam redeten die beiden etwas. Sie klangen erschöpft aber glücklich. Immerhin hatten sie gewonnen. Vorerst zumindest... Sie mussten hier weg. Als Ace bei den beiden ankam schloss sie ihre Mutter in die Arme und vergrub ihr Gesicht in ihrer Schulter. Immerhin war sie schon größer als sie. Ezio stand nur still daneben und wartete. In den nächsten Sekunden passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ace' Mutter atmete erschrocken auf, drehte sich sodass Ace nun auf der anderen Seite stand und keuchte dann auf. Als Ace zurücktrat sackten ihrer Mutter die Knie weg und Ace versuchte sie so gut wie möglich aufzufangen. Ezio stand plötzlich neben ihr und half ihr, ihre Mutter auf die Seite zu drehen. Ein Pfeil steckte unter ihrem rechten Schulterblatt in ihrem Rücken. Ein roter Kreis zeigte, dass es blutete. Man konnte nicht sagen wie tief es war. Wenigstens hatte es nicht ihr Herz getroffen - und doch, Ace war geschockt. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Jetzt hatte ihre Mutter einen Pfeil für sie abgefangen! Scheiße! Sie konnte sterben! Ace unterdrückte ihre Tränen und sah Ezio fragend an. "Hilfst du mir, sie zu einem Arzt zu bringen?", fragte sie mit erstickter Stimme. Ezio schwieg erst und wirkte, als wollte er widersprechen. Doch dann nickte er und half Ace, ihre Mutter zu tragen. Sie wusste, dass es besser war, den Pfeil erstmal in Ruhe zu lassen. Ansonsten würden sie die Wunde nur noch größer machen. Ace' Mutter kniff die Augen zusammen und zwang sich, ruhig zu atmen. Der Weg bis zum Arzt kam allen vor wie eine Ewigkeit. Der Arzt hieß Ray Dante. Ace kannte ihn seit sie klein war. Damals war ihre Mutter mit ihr dorthin gegangen, nun war es umgekehrt. Schweren Herzens ließ sie ihre Mutter, gestützt von Ezio, zurück und klopfte an die Tür des Arztes. Während sie wartete, sah sie ein Stück Papier, das jemand an die Wand geheftet hatte. Und es versetzte ihren einen unangenehmen Stich im Herzen. Dort waren ihre Mutter, ihr Vater und Ace abgebildet - auf einem Steckbrief! Für stolze 5.000 Vens (die dortige Währung) wurden sie als Gesucht gemeldet. Hoffentlich hatte diese Nachricht noch nicht Tertia erreicht! Die Tür öffnete sich und ein junges Mädchen mit dunklen, zerzausten Haaren und braunen Augen sah Ace fragend an. "Ja?" Ace hoffte, dass der Arzt ihnen durch die gute Freundschaft zu ihrer Familie trotz der Steckbriefe helfen würde. "Holst du mir Dante?", bat Ace die Kleine lächelnd und sah in den Raum hinter sie. Ace hatte ihn immer bei seinem Nachnamen genannt. Wieso? Das war wohl einfach eine Angewohneit. Das Mädchen musterte ihr Gegenüber misstrauisch. Ace wurde nervös - doch völlig grundlos. Ein paar Sekunden später rief das Mädchen nach ihm. Es war seine Tochter. Wie kam es dass Ace seine Tochter nicht kannte? Plötzlich stand der ziemlich große, breitschultrige Mann in der Tür. Er trocknete gerade Geschirr mit einem Tuch und sah Ace erst fragend, dann mit großen Augen an. Er stoppte seine Tätigkeit und sah sich hastig um. Da sein Haus in einer engen Gasse lag fiel nicht allzu viel Licht der warmen Mittagssonne auf die Straße. "Wo ist sie?", wollte er mit rauer Stimme wissen. Ace war klar, dass er ihre Mutter meinte. Die beiden waren Freunde seit sie laufen konnten. Und manchmal hatte Ace das Gefühl, dass Ray sogar etwas verschossen in ihre Mutter war. Aber er hatte eine Tochter, also konnte das nicht so schlimm sein. "Dahinten. Jemand hat einen Pfeil auf sie geschossen. Mach schnell, sonst verblutet sie noch!", erklärte Ace hastig und deutete hinter sich. Rays Augen wurden schmal. "Ist das der Assassine?" Ace war kurz vor dem Ausrasten. "Nicht jetzt, Dante! Hilf meiner Mutter!", rief sie aufgebracht und winkte die beiden her. Ace' Mutter hielt die Augen erschöpft geschlossen und der eine Arm war um Ezio gelegt der selbst im Schatten noch eine Kapuze trug. Als Ray das sah nickte er knapp und ließ die drei eintreten. Mit einem etwas älteren Jungen, der aussah wie Ray und wahrscheinlich dessen Sohn war, bereitete Ray eine Liege vor und half Ezio, Ace' Mutter dort draufzulegen. Sie musste auf dem Bauch liegen, da der Pfeil immer noch im Rücken steckte. Ace drückte sich die Hände auf den Mund um nicht irgendein Geräusch zu machen. Der Anblick war... schrecklich! Die eigene Mutter mit einem Pfeil im Rücken! Dante schickte Ezio und Ace aus dem Haus. Er würde den Pfeil in Ruhe entfernen und sie holen sobald es Ace' Mutter besser gehen würde. Schweren Herzens verließ Ace das Haus und setzte sich draußen auf eine schlichte Holzbank. Sie presste sich weiter die Hände auf den Mund und versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. Das war einfach zu viel. Sie war erschöpft und mit den Nerven am Ende. Ihre Mutter war verletzt worden und nun durfte sie nicht einmal bei ihr sein. Sie unterdrückte ein Schluchzen und starrte den sandigen Boden hier in der dunklen Gasse an. Dante musste sie einfach wieder gesund bekommen. Was sollte sie tun wenn er es nicht schaffte? Ezio setzte sich neben sie auf die Bank, nahm seine Kapuze ab und fuhr sich durch die vom Kampf verschwitzten Haare. "Ich hoffe deine Mutter wird wieder, piccina", murmelte er und sah Ace schief an. Die rang mit den Tränen. "Das kannst du so einfach sagen. Ich meine du hast ja deine Mutter noch nie in Lebensgefahr gebracht oder?" Ezio schluckte, ließ den Kopf hängen und schwieg. "Meine Mutter und meine Schwester konnte ich retten. Meinen Vater und meine Brüder nicht." Seine Stimme war rau, sie merkte sofort dass er nicht gern darüber sprach. Er hatte seine ganze Familie in Gefahr gebracht? So wie sie selbst? Obwohl... eigentlich war er ja Schuld daran. Wäre er hier nicht aufgetaucht... Doch es brachte nichts, darüber nachzudenken was hätte sein können. "Sag... lieber nichts darüber. Ich will es nicht wissen." Ezio hob den Kopf und musterte Ace kurz, doch sie erahnte eine gewisse Dankbarkeit in seinem Blick. "Bene", antwortete er und nickte. Eine Weile saßen sie schweigend da, dann schwang plötzlich die Tür auf und Dante winkte sie hastig herein. "Was? Was ist los?", wollte Ace sofort beunruhigt wissen. Dantes Blick verriet nichts Gutes. "Ich konnte den Pfeil perfekt entfernen. Aber... sie hat bereits zu viel Blut verloren. Kommt, schnell!" Wenn Ace sich nicht täuschte zitterte die Stimme des Arztes etwas. "W-wird sie sterben?", fragte Ace nun mit bebender Stimme und sah Dante mit Tränen in den Augen an. Sie biss sich auf die Lippe. Bleib stark, Ace. Er nickte nicht, schüttelte aber auch genauso wenig den Kopf. "Ich weiß es nicht. Aber es sieht schlecht aus...", erklärte er zögernd und deutete ins Haus. "Los, sie will dich sehen." Kurz

warf sie einen Blick auf den Assassinen, dann trat sie erneut ein. Ihre Mutter lag nun auf dem Rücken und ein Verband umschlang ihren Oberkörper. Sie atmete flach. "Ace?" Das blonde Mädchen zuckte erschrocken zusammen und lief zu ihrer Mutter. "Ja, ich bin hier." Ace' Stimme zitterte. "Bitte, Mum, du darfst nicht sterben!" Ein mildes Lächeln bildete sich auf den Lippen ihrer Mutter. "Der Tod ist nicht das Ende, Ace. Danach kommt man an einen besseren Ort." Sie hustete kurz und kniff die Augen vor Schmerz zusammen. Ace griff nach ihrer Hand und drückte sie. "Versprich mir, dass du deinen Vater warnst. Und versprich mir, dass du mit dem Assassinen reitest", verlangte sie mit leiser Stimme. Ace musterte sie verwirrt. "Aber...", setzte sie an, doch ihre Mutter unterbrach sie: "Er beschützt dich. Gib niemals auf, Ace!" Ihre Stimme wurde immer schwächer. Und obwohl Ace flehte und flehte, ihre Mutter schloss die Augen und atmete ein letztes Mal aus. Ihr Gesicht wirkte friedlich, doch Ace sah nur noch verschwommen. Tränen sammelten sich in ihren Augen. "Mum!", flüsterte sie gepresst und unterdrückte den Drang, laut loszuweinen. Dante trat neben sie und legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter. "Sie hat es selbst gesagt. Sie ist nun an einem besseren Ort", versuchte er sie aufzumuntern. Nun betrat sogar Ezio den Raum. Als er die blonde Frau regungslos auf der Liege liegen sah senkte er den Kopf. "Requiescat in Pace"
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Version 1.1 - überarbeitet: 1 mal

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⏰ Last updated: Jul 19, 2015 ⏰

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The Whisper of FortuneWhere stories live. Discover now