Arya pov
Mir war sofort klar, wer dort sprechen musste. Abartige und über alle Maßen grausame Schriften an der Decke, vermodernder Gestank, Diener ohne Schmerz, Rituale in Katakomben, es passte alles zu meinem Bild vom wahnsinnigen Kult des Helgrind. Wenige Sekunden später wurde ich in dieser Spekulation bestätigt und weiter noch mit etwas verschändet, was sie vielleicht als Ehre wahrnahmen. Vier Novizen trugen auf einem goldenen Thron den Körper des Oberpriesters, oder das wenige, was davon noch übrig war. Verschändet daher, dass es für mich, Angehörige einer Art, die das Leben über alles schätzt, nichts schlimmeres gab, als das Verhalten dieser Geisteskranken.
Mein Volk aß kein Fleisch, weil dazu einem Tier Leid zugefügt werden musste und nutzte Magie, um den Bäumen die Kraft zu geben, Dinge nach unseren Vorstellungen hervorzubringen. Selbst zu früheren Zeiten, als wir noch nicht so langlebig und tief mit der Natur verbunden waren, hätte es fast einen Krieg gegeben, einzig und allein, weil die Menschen begonnen hatten, die Bäume Du Weldenvardens für ihre Zwecke zu fällen. Alleine durch die Vermittlung der Reiter war es zu einer Abmachung gekommen, dass den Menschen Abholzung am Rand gestattete, jedoch Vordringen in tiefere Gebiete des Waldes verbot.
Anders als in den Städten der Menschen liefen Wildtiere in Ellesméra frei auf den Wegen entlang, weil sie nichts zu befürchten hatten. Scheu blieben sie von Natur aus, aber keines von ihnen verhielt sich uns gegenüber ängstlicher als einem anderen Fluchttier gegenüber. Was hier jedoch geschah... Die Zwerge mochten lediglich die Realität aussperren, zumindest zum Teil, es hatte mein Weltbild gewaltig ins wackeln gebracht, als Percy und Annabeth uns von der Existenz der Götter berichtet und dabei Beweise vorgelegt hatten, sodass auch ich es nicht mehr als Schwachsinn abtun konnte. Trotzdem war die Darstellung der Zwerge nur ähnlich, nicht gleich der Realität.
Dies hier war jedoch eine vollkommen andere Art von Fanatismus. Die Jünger dieser Vergötzung von was auch immer brachten ohne annähernde Festigung anhand der Realität Menschenopfer, die bei lebendigem Leibe gefressen wurden und Schnitten sich selbst Körperteile ab, den Texten, die ich an der Decke des ersten Abzweigs gelesen hatte, zufolge machte sie das reiner in den Augen ihres dunklen Gottes. Was für ein Schwachsinn, wenn es irgendetwas tat, dann beschmutzte es die Seele und zeigte, dass man das Leben nicht respektierte.
Ich war stark dazu veranlagt, die Dinge, die ich nicht wahrnehmen oder verstehen konnte, ohne irgendeine Form von Verständnis als falsch und sinnlos abzutun, doch auch dabei waren nunmal Abstufungen möglich. Den Glauben der Zwerge verstand und respektierte ich nicht, aber ich konnte so viel Verständnis aufbringen, meinen Streit auf die Priester zu beschränken. Bei dieser Manie hier jedoch hielt ich jeden freiwilligen Anhänger von Grund auf für beschränkt. Es war schlichtweg abstoßend.
Die abscheuerregende Kreatur vor mir, deren Gesichts Proportionen zumindest annähernd ahnen ließen, dass es sich vielleicht um einen Mensch handeln könnte, begann nun zu sprechen. Ein Wunder, dass er seine Zunge nicht auch schon abgeschnitten hatte. Besser wäre es gewesen. In seiner rauen Stimme, vielleicht hatte er sich ja die Hälfte der Stimmbänder amputiert, krächzte er mit einem klar hörbaren Abscheu, der meinem eigenen ihm gegenüber nicht um viel nachstand, „Elfe, Reiter, welch ein hässlicher Besuch. Der König will euch lebend, doch nach allem, was ihr uns angetan habt, ganz besonders du, abtrünniger Sohn des Abtrünnigen, hast dich des schlimmsten Verbrechens schuldig gemacht, das man nur begehen kann, ist euer Tod wichtiger als die Gunst des Königs. Göttermord. Vielleicht wird euch ja Gnade gewährt werden, wenn ihr der ehrwürdigen Alten Nachwuchs zum Futter dienen werdet."
Meine benebelten und von Wut leicht verzerrten Gedanken brauchten eine Weile, um die Bestandteile dieses Satzes zusammenzusetzen. Ich konnte eine einzige gute Sache darin erkennen. Er glaubte immernoch, dass Eragon Morzans Sohn war. Das war's aber auch mit dem Guten und das Tempo, in dem es von da an abwärts ging, war leider beeindruckend. Galbatorix wollte uns lebendig, aber die Priester wollten unseren Tod. Noch nichts besonderes schlimmes, zwischen Tod nach Folter oder Versklavung nach Folter und direktem Tod unterschied ich in der Angenehmheit nicht mehr so genau. Göttermord jedoch. Bereits bei diesem Wort lief es mir kalt den Rücken hinunter und mein Unterbewusstsein begann zu realisieren, was meine eigenen Gedanken noch erfolgreich als Idee verweigerten. Als er jedoch zu Ende sprach, war klar, dass es keine andere Möglichkeit gab. Wen sollte Eragon getötet haben, den ich nicht getötet hatte? Seit Belatona hatte auch ich einen Schatten auf dem Gewissen, ausnahmsweise im positiven Sinne. Die einzigen Wesen, die Eragon bereits getötet hatte, ich aber nicht, waren Ra'zac. Die Wesen deren eigentlicher Existenzgrund das Morden von Menschen war.

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Die Macht ist mit mir, oder?
Fanfiction*ABGESCHLOSSEN* Der Krieg - ein weiterer genau genommen, denn in seinem Leben gab es schon jetzt mehrere - scheint zu Ende zu sein, doch auf Percy wartet eine Überraschung nach der anderen. Aufgrund von einigen Verschiebungen in der Machtverteilung...