3. Dezember: Jean x Reader

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Nachdem ich das bestimmt neunte Mal laut und genervt aufseufzte, gab Jean endlich nach, sich einen freien Tag zu nehmen. Freudig sprang ich von dem Stuhl am langen Tisch auf und zog sie direkt hinter mir her, aus dem Büro und direkt raus aus dem Hauptquartier. Der Himmel war grau und wolkenbedeckt, der Schnee, der in der Nacht zuvor gefallen war, jedoch schon geschmolzen und restlos verschwunden. Ich führte die Großmeisterin quer durch die ganze Stadt, meine Hand mit ihrer verschränkt und mein Blick zielstrebig nach vorne gerichtet.

Wir überquerten die Brücke zum Festland und ich verlangsamte mein Tempo, blieb schließlich stehen, schloss meine Augen und atmete tief ein. Ich genoss es für einen Moment, raus aus dem ganzen Trubel zu sein und als ich meine Augen wieder öffnete, hatte Jean sich neben mich gestellt, sah mich mit ihren blau strahlenden Augen offen an und lächelte schwach.

„Endlich.", seufzte ich, blickte hoch in den Himmel und drückte die Hand meiner Freundin etwas fester. Wann hatten wir das letzte Mal Zeit für uns zwei? Es musste eine Ewigkeit her sein. Seit Großmeister Varka losgezogen und Mondtstadt in Jeans fähige Hände übergab, hatte die Ritterin kaum noch freie Zeit. Nicht dass die Ritter nicht befugt waren, Urlaub zu beantragen oder gelegentlich einfach eine Pause zu machen, nein. Jean war einfach unheimlich perfektionistisch und um das Wohlergehen aller besorgt. Rund um die Uhr organisierte sie Patrouillen, die Schichten der Wachen, kümmerte sich um Papierkram und die Bitten der Bewohner und Ritter, plante Expeditionen und Veranstaltungen, klärte Streits und musste sich privat auch noch um die kleine Klee kümmern und aufpassen, dass sie nichts anstellte.

Mir war das natürlich nicht entgangen, ich war oft damit beschäftigt, einfach nur nach ihr zu schauen und sicherzustellen, dass sie nicht umkippte, brachte ihr Tee und Kaffee, Frühstück, Mittag- und Abendessen, da sie es glatt vergessen würde und sorgte dafür, dass sie täglich mindestens zwei Stunden Schlaf bekam - zu mehr hatte sie sich nicht überreden lassen. Und heute hatte ich endlich die Chance, etwas mit ihr zu unternehmen. Die anderen Mitglieder des Ordens, unter anderem Rittermeister Kaeya, die Bibliothekarin Lisa und Ordensschwester Barbara, wussten lange von unserer Beziehung und haben ebenfalls bemerkt, wie oft ich versuchte, Jean von der Arbeit weg zu bekommen, deswegen hatten sie heute alles organisiert und ihre Arbeiten unter den Rittern aufgeteilt. Jean hatte heute somit nichts mehr zu tun, außer mit mir zu entspannen.

„Also, was hast du geplant?", fragte Jean, mich lächelnd von der Seite anblickend.

„Nichts.", sagte ich der Wahrheit entsprechend und fügte hinzu: „Lass uns einfach ein wenig spazieren gehen und die Zeit zu zweit genießen." Jean nickte. Ich lächelte.

So liefen wir Hand in Hand die Kreuzung jenseits der Brücke geradeaus und in Richtung Windstieg. Bevor wir das Wahrzeichen von Mondstadt erreichten, bestätigte sich, was die Wolken am Himmel angekündigt hatten und es fing an, leicht zu nieseln. Wir störten uns nicht daran, der Regen war zwar kühl, doch nicht besonders dicht und unsere Kleidung warm genug, das abzuhalten. Dann jedoch wurde der Regen dichter und heftiger. Die Tropfen wurden größer und platschten mittlerweile laut auf den bereits matschigen Boden. Dann kamen mit dem Regen auch kleine Hagelkörner vom Himmel gefallen.

„Das wird ja immer schlimmer.", sagte ich durch den Regen, die Sicht verschlechterte sich und die Umrisse Jeans wurden schemenhaft.

„Gehen wir zu den Wurzeln des Baumes, dort sollte es etwas geschützt sein.", antwortete diese etwas lauter, um den größer werdenden Hagel zu übertönen. Ich nickte zustimmend und hoffte einfach, dass sie es im dichten Grau erkennen würde. Wir beeilten uns, zum großen Baum zu kommen, denn die Hagelkörner prasselten hart auf uns herab und prellten vom Boden ab. Am Stamm des Baums schafften es kaum noch Hagelkörner durch das Blätterdach und wir hockten uns unter eine der großen herausragenden Wurzeln.

Die Luft war eisig geworden, nichtmal der riesige Baum der Vanessa konnte die Kälte ganz abhalten und ich merkte, wie Jean neben mir etwas näher an mich heran rutschte und leicht fröstelte. Deswegen legte ich meinen Arm um ihre Schulter und zog sie an mich heran. Obwohl das Unwetter nicht mit eingeplant war, war es doch schön, hier so mit ihr in den Armen unter dem schützenden Geäst zu sitzen und einfach nichts zu tun.

Nach einer Weile hörte ich, wie Jeans Atem ruhiger wurde und als ich zu ihr herunter sah, erkannte ich, dass sie eingeschlafen war. Lächelnd dachte ich: Wenigstens ruht sie sich so ein wenig aus. Ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter und ich legte meinen leicht auf ihrem ab, blickte in die Ferne und hörte dem rhythmischen Atem der Retterin und dem stetigen Prasseln der Hagelkörner auf dem weiter weg gelegenen Boden zu, bis ich schließlich selbst einschlief. 

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