Maskenball VII - Soukoku

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Chuuya zuckte zusammen und zog den Kopf ein.

Schüsse, kam es ihm in den Kopf, Bomben!

Unbewusst klammerte er sich an die nächstbeste Gelegenheit, die ihm Schutz bot: Dazai.
Der war stehen geblieben, hatte so ihren Tanz unterbrochen und betrachtete ungläubig den Kleineren.
Er war ihm so nah, dass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Seine Hand krallte sich in seine Schulter, er verbarg den Kopf in Dazais Halsbeuge.
„Bitte nicht jetzt", jammerte er kaum hörbar, da seine Stimme von Dazais Körper gedämpft wurde.

Da ging das Geschrei los.

Chuuya runzelte die Stirn.
Irgendwie hatte er sich die große Panik anders vorgestellt.
Die Schreie klangen erstaunt, mit sehr viel weniger Todesangst als erwartet.

Da spürte er Dazais Hand in seinem Haar, die leicht seinen Kopf anhob.
Chuuya blickte in zwei warme, schokoladenbraune Augen, die seinen Blick sanft erwiderten. Keine Spur mehr von der Kälte, die noch vor wenigen Minuten darin gewesen war.

Als der Mafioso sich umsah, konnte er alle Gäste auf oder vor dem Balkon stehen sehen.
Sie sahen nicht aus, als würden sie sich auf einen Kampf vorbereiten. Ehrfurchtsvoll standen sie da, während der Lärm einfach nicht aufhören wollte.
Wie in Trance machte Chuuya sich von Dazai los, um die Halle zu durchqueren und sich durch die Menschenmenge zu zwängen, bis er draußen in der kühlen Nachtluft stand. (Wie man hier sieht, hat es auch Vorteile, klein zu sein :3)

Er beobachtete die Menschen. Weder die Detektive noch seine eigenen Leute schienen irgendeine Gefahr wahrzunehmen. Sie alle starrten mit in den Nacken gelegten Köpfen in den Himmel.

Chuuya ahnte etwas.

Sein Blick glitt nach oben.

In den Wolken explodierten Unmengen an Farben. Es knallte und ballerte, sobald die Funken im Nachthimmel auseinander stoben.
Durch die Anwesenden gingen immer mal wieder ‚Oohs' und ‚Aahs'.

„Ein Feuerwerk", brachte Chuuya hervor.

Dazai hatte ein Feuerwerk organisiert.
Es war kein Anschlag, es war keine Gefahr.
Es war lediglich ein Feuerwerk.

Chuuya stützte sich ans Geländer des Balkons und schlug sich die Hand vors Gesicht.
Gott, er schwor sich, an diesem Abend keinen Tropfen Alkohol mehr zu trinken.
Was hatte sein Job nur mit ihm angerichtet? Er flippte direkt aus, jedes Mal, wenn er einen Knall hörte? War das sein Schicksal?

Da fiel ihm ein, wie er sich an Dazai geklammert hatte.
Himmel, wie peinlich!
„Großer Gott", murmelte er, „Lass das einfach nie passiert sein...!"

Sein Herz raste immer noch. Vor lauter Hass.
Dieser elendige Bastard hatte ihn mit seinen Psychospielchen dazu gebracht, mit ihm zu tanzen und in Panik zu verfallen. Er hatte es bestimmt drauf angelegt, dass er sich ihm so näherte. Ihn so zu manipulieren und auszunutzen - was für ein Vollarsch.

Chuuya war so sehr in Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, wie das Feuerwerk sich dem Ende neigte.
Er bemerkte auch nicht, dass die Partygäste nach und nach wieder im Ballsaal verschwanden, sodass er nach einiger Zeit allein draußen stand.
Fast allein.

„Gib es zu", meinte Dazai schmunzelnd und trat von hinten an ihn heran, „Damit hast du nicht gerechnet, hm?"
Chuuya zwang sich, seine verkrampfte Hand vom Geländer zu lösen und sich zu ihm umzudrehen.
„Nein", sagte er nur und verschränkte die Arme.
Er verfolgte mit den Augen, wie Dazai sich mit dem Rücken zum Geländer neben ihn stellte. Als der Detektiv ihn ansah, wandte er den Kopf ab.

„Ist alles okay?", fragte Dazai sanft.
Chuuya schnaubte. „Ja", erwiderte er schroff.
Dazai legte den Kopf schief und lächelte entschuldigend.
„Ich will dir nicht zu nahe treten", meinte er vorsichtig, „Aber... Ich muss zugeben, dass ich mit so einer Reaktion von dir auch nicht gerechnet habe."
Chuuya fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Seine Nerven waren einfach zum Zerreißen angespannt, immer und überall. Dass sie ausgerechnet so einen Ausfall haben mussten, wenn er in Dazais Nähe war, war natürlich wieder mal typisch.
„Ich war einfach erschrocken", meinte Chuuya ausweichend.
Dazai musterte ihn. „Erschrocken", echote er, „Du hast dich freiwillig an mich gehangen, als wäre ich der letzte Rettungsring auf der Titanic. Was war los?"
Chuuya knurrte leise.
„Bist du meine Mutter?", keifte er, „Was kümmert's dich?"
Dazai packte ihn behutsam an der Schulter, was Chuuya die Stirn runzeln ließ. Er wusste, dass Dazai wollte, dass er ihn ansah, aber er konnte nicht.

„Hör mir zu", sagte Dazai leise, „Ich weiß, du bist wütend und enttäuscht. Immer noch wegen damals. Du würdest mir liebend gern eine verpassen oder mich ewig weit weg von dir wünschen. Dazu hast du jedes Recht. Aber akzeptiere endlich, dass auch ich das Recht hatte, diese Entscheidung für mich und mein Leben zu treffen."
Chuuya atmete geräuschvoll aus.
„Ich hatte meine Gründe", fuhr Dazai fort, „Sieh es ein oder lass es. Aber ewige Wut auf mich macht dir das Leben auch nicht leichter."
Chuuya sah genervt zu ihm hoch.
„Ich war auch schon wütend auf dich und konnte dich nicht leiden, noch bevor du die Mafia verlassen hast", meinte er schnippisch.
Dazai kicherte. „Sag das nicht", grinste er, „Wenn du es dir zu oft einredest, glaubst du es irgendwann noch tatsächlich."
Chuuya musste schmunzeln. „Dafür ist es schon zu spät", seufzte er.

Dazai drehte sich um und lehnte sich auf das Geländer, um die Stadt mit ihren geschmückten Straßen zu begutachten.
Chuuya sah über die Schulter und das leuchtende Stadtbild machte ihn sofort weniger aggressiv.

„Du willst also nicht drüber reden, was das vorhin war?", fragte Dazai vernünftig.
Chuuya ließ den Kopf sinken und seufzte.
„Ich bin einfach ausgebrannt für dieses Jahr", erklärte er zerknirscht, „Das ist alles. Ich bin fix und fertig. Es ist viel passiert... aber auch wieder nicht so viel, dass man damit begründen könnte, dass das Jahr so schnell vorbei ging. Die Zeit rennt und das macht mich kaputt. Dazu kommt noch die Angst vor der Zukunft... und die ganzen kleinen Alltagssorgen..."
Dazai lächelte freudlos. „Also theoretisch nichts großartig Neues", meinte er traurig.
Chuuya nickte. „Alles wie immer."

Der Größere richtete sich auf und klatschte in die Hände.
„Weißt du, Chuuya, das bespricht man am besten nicht auf leeren Magen. Und vor allem nicht nüchtern. Lass uns was trinken gehen."
Der Rothaarige stieß sich vom Geländer ab und folgte Dazai über die Terrasse.
„Meinetwegen", brummte er, „Aber wehe du füllst mich ab und versuchst komische Sachen!"
Dazai kicherte nur, was den Kleineren rot anlaufen ließ.
„W-was sollte denn das Gelächter!?", stammelte er, „Erwischt oder was?"
Dazai tätschelte ihm den Kopf. „Unsinn", meinte er belustigt, „Ich finde es nur süß, wie laut sich deine Hackenschuhe auf dem Boden hier anhören...!"
„DAZAI!!"

Wurde bisschen deeper als gedacht, aber ich hoffe, das hat euch nicht abgeschreckt.
Fröhliche Weihnachten, meine Süßen! ♡︎

Bungou Stray Dogs Short StoriesWhere stories live. Discover now