28.

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Die paar Meter zum Späti wären vermutlich zu jedem anderen Zeitpunkt reibungslos verlaufen, doch ausgerechnet in der Minute, die ich von Tür zur Tür brauchte, schaffte es ein Hund an meinen Beinen hochzuspringen, ehe ich reagieren konnte. Erschrocken hielt ich die Luft an und stolperte einen Schritt zurück.

„Sorry, ich hab kurz nicht aufgepasst und die Leine zu locker gelassen und... hey, wir kennen uns doch!"

Ich starrte noch immer nach unten auf den Hund, der jetzt mit etwas Abstand zu mir neben den Beinen seines Herrchens wartete.

„Johns Schwester, oder?"

Mein Blick wanderte nach oben, direkt in die dunklen Augen, die mich nun freudig musterten.

„Ähm, ja, richtig. Hi."

Max, den mir mein Bruder damals auch als Kontra K vorgestellt hatte, stand vor mir und lächelte mich freundlich an. Ich erkannte ihn gleich wieder, auch wenn ich ihn erst einmal persönlich getroffen hatte.

„Alles gut? Hat Tuko dich erschreckt? Tut mir leid, er ist manchmal etwas stürmisch."

„Schon in Ordnung, ich hab's nur nicht so mit Hunden."

Max sah ebenfalls runter auf seinen Hund, der sich nun brav neben ihn gesetzt hatte. Tuko sah irgendwie ähnlich aus, wie sämtliche Hunde im 187 Umfeld, doch ich kannte ihn nicht, weshalb ich lieber etwas Abstand hielt.

„Seid ihr gerade bei Raf im Studio?", nickte Max in die Richtung des Gebäudes, aus dem ich eben erst gekommen war.

„Ja, also nur John, sonst keiner. Ich wollte nur mal schnell zum Späti."

Max war zwar gerade erst aus der entgegengesetzten Richtung gekommen, begleitete mich aber trotzdem bis zur Ecke, an der sich der Späti befand.

„Denkst du, ich kann mal schnell mithochkommen und hallo sagen? Oder sind die gerade komplett in ihre Arbeit versunken."

Wie selbstverständlich kam er, samt Hund, mit in das kleine Geschäft, grüßte den Mann an der Kasse kurz und musterte meinen Einkauf mit skeptischer Miene.

„Gesunder Einkauf", kommentierte Max die Verpackungen, die ich mühevoll auf meinem Gipsarm stapelte.

„Du klingst wie Raf, ehrlich."

Natürlich fiel mir eine Verpackung nach der anderen runter, weshalb Max mir netterweise half, alles zur Kasse zu bringen.

„Ich denk mal schon, dass du mitkommen kannst.", beantwortete ich schließlich seine Frage.


Zu zweit war es wesentlich leichter, meinen Einkauf ins Studio zurück zu tragen. Dass eine Tüte vielleicht sinnvoll gewesen wäre, fiel mir natürlich erst ein, als wir den Laden längst verlassen hatten.

„Erzähl mal, warum der ganze Süßkram? Ist es mit den beiden so unerträglich, dass nur Süßes hilft?"

„Raf hat absolut nichts da und John und ich stehen kurz vor der Unterzuckerung. John meinte, ich soll einen Vorrat kaufen."

Max lachte und ich konnte erstmal die Grübchen erkennen, die sich hierbei neben seinen Mundwinkeln bildeten.

„Ich bin wohl noch extremer als Raf, was meine Ernährung und vor allem Sport angeht. Ich verstehe ihn da schon."

„Oh Gott, wo bin ich hier nur gelandet.", grummelte ich, nicht all zu ernst gemeint, vor mich hin und holte mit der linken Hand umständlich den Schlüssel hervor, den mir Raf anvertraut hatte.


„Bombe, das ging ja schnell.", hörte ich meinen Bruder rufen, als ich die Tür zum Studio öffnete.

„Max, geil, was machst du denn hier?", wurde John noch euphorischer, als er den dunkelblonden Mann hinter mir erkannte.

„Hoffe, dass war okay...", setzte dieser gerade an, wurde jedoch von John, der sich in kürzester Zeit an mir vorbei gequetscht hatte, seitlich in eine Umarmung gezogen.

„Tuko, was geht?", widmete sich mein Bruder als nächstes Max Hund, der nun schwanzwedelnd an ihm hochsprang.

Raf und Max begrüßten sich ebenso erfreut, während ich meine Einkäufe auf dem Tisch ausbreitete. Max legte das restliche Zeug dazu, das John schon gierig musterte.

„Du hast jetzt ernsthaft für 50€ Süßigkeiten gekauft?", fragte Raf kopfschüttelnd, als John und ich schon die ersten Packungen aufrissen.

„Klar. War gar kein Problem. Max hat mir zum Glück beim Tragen geholfen."

Ich hatte tatsächlich sämtliche verschiedenen Sachen mitgebracht, auf die ich Lust hatte. Schokolade, Gummibärchen, Cookies, Chips, Schokoriegel, Kaubonbons, Kekse. Mein Bruder und ich waren im Paradies und stopften uns erst mal so richtig voll.

Der Zuckerschock blieb, vor allem bei John, nicht aus und Raf warf mir immer wieder mahnende Blicke zu, so als hätte er genau damit gerechnet und müsste Johns Zustand jetzt meinetwegen ertragen. Ich konnte darüber nur lachen, denn es war schon witzig mitanzusehen, wie überdreht John war und wie Raf sich immer wieder zusammenreißen musste.


Nach ungefähr zwei Stunden stellte Max fest, wie schnell die Zeit vergangen war und dass er so langsam los muss. Kurz bevor Max sich von uns verabschiedete, kam Marten ins Studio. Er begrüßte Max und auch Tuko und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zwischen mir und dem überfüllten Tisch hin und her.

„Frag einfach nicht.", kommentierte Raf, wurde jedoch von Johns „Bedien dich!" übertönt.

Marten schnappte sich direkt eine Packung Oreos und kam zu mir.

„Nerven die beiden dich noch nicht?"

Ich wippte mit dem Kopf hin und her und beobachtete, wie John sich auf seinem Stuhl drehte und Raf konzentriert am Bildschirm klebte.

„Hm, geht noch. Was machst du hier?"

Marten zuckte die Schulten und stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab.

„Ich bin später noch mal unterwegs. Wollte mal sehen, wie ihr so vorankommt."

Max war inzwischen gegangen, weshalb die anderen beiden wieder halbwegs am Arbeiten waren. Immer mal wieder nahmen sie einzelne Sequenzen auf, saßen jedoch auch noch viel an den Texten und an anderen Einzelheiten. Vor allem Raf wirkte unfassbar konzentriert und perfektionistisch bei allem, was er tat.

„Habt ihr heute noch was geplant?", fragte Marten, nachdem er auf seine fette Uhr geschaut hatte.

Die Begeisterung für den ganzen Schmuck und die teuren Uhren verstand ich bis heute nicht, aber ich hatte mich damit abgefunden, dass man das in deren Umfeld wohl haben ‚musste'.

„Keine Ahnung, glaub nicht. Raf wollte später aber noch kochen, soweit ich weiß."

Im Gegensatz zu meinem Bruder benutzte Raf seine Küche regelmäßig und ich wusste bereits, dass er ein recht guter Koch war.

„Lasst mir mal was übrig, falls ich später dann Hunger habe."

„Falls Abudi nicht wieder spontan zum Essen vorbei kommt, sichere ich dir einen Rest. Versprochen."

Hey Brother (Bonez MC)Where stories live. Discover now