Kapitel 7

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Am nächsten Morgen wurden wir sehr früh geweckt. Sofort merkte ich, dass wir alle daran gewöhnt waren einer Familie zu dienen, denn keiner beschwerte sich. Still verließen wir in einer Reihe das Zelt. Einer nach dem anderen bekam ein trockenes Stück Brot in die Hand gedrückt und aß es, während wir eine kurze Pause auf der Wiese rund um das erloschene Feuer bekamen.
Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht uns allen etwas zu trinken abzufüllen. Wir mussten zu einem großen Topf in der Mitte des Platzes gehen und mit den Händen Wasser aus diesem schöpfen. Doch das war mir nur recht, denn so wurde nicht bestimmt, wie viel man trinken durfte. Oft hatte ich so wenig zu trinken bekommen, dass ich das wenige trockene Essen nicht einmal wirklich runter bekommen habe. Wie oft hatte ich schon Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen gehabt, nur weil man seine Dienerin ja nicht richtig versorgen musste. Es war traurig zu sagen, aber das hier gerade war ein wirklich entspannter Morgen. Theoretisch hätten wir sogar miteinander reden können, doch das tat natürlich keiner. Die meisten hatten sich hinter eine feste Fassade und ein ausdrucksloses Gesicht zurückgezogen.
Stumm verlief der ruhige Morgen. In mir sammelten sich die ängstlichen Gedanken von Gestern. Ich hatte mich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnt mein Leben aufs Spiel zu setzen. Anders als Gestern fiel es mir jedoch heute schon deutlich leichter eine verschlossene Maske aufzusetzen.
Nach einer halben Stunde zeigt sich nun auch der Anführer dieser Veranstaltung. ,,Heute werden wir bis an die Grenze zu Ralia vorrücken. Je weniger Probleme ihr macht und je schneller ihr lauft, desto mehr Schlaf bekommt ihr noch bevor wir in der Nacht angreifen werden. Und jetzt los!", er schrie das ganze über die Menge und es war wirklich schwer nicht darauf zu reagieren. Jeder wusste jetzt, was er zu tun hatte und es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis wir alle in einer Reihe aufgestellt waren. Neben uns ritten Wachen auf Pferden her. Wir gingen zügig, denn wer sich nicht an das Tempo der Vordersten anpasste konnte schnell mitgezogen werden. Keiner würde für einen Anhalten, denn keiner wollte die Wachen auf sich aufmerksam machen. So lief es immer. Wenn es um das eigene Leben ging, und mehr besaß keiner von uns, war Freundschaft und Nettigkeit nur ein schnellerer Weg zum Tod. Und wer würde den Weg schon gehen, solange auch nur die kleinste Hoffnung bestand noch einen Tag länger zu leben?
Erst als es langsam zu dämmern anfing erreichten wir unser Ziel. Hier gab es kaum noch Leben und schon von weitem konnte man das Blut und die Leichen der letzten Tage riechen. Das Land bestand aus mehreren Hügeln, die uns Deckung gaben, jedoch wusste ich schon jetzt, dass wir beinahe auf dem Schlachtfeld standen. Ganz in unserer Nähe mussten sich die Lager von Ralia befinden.
Kurz darauf wurde uns allen dickere Kleidung gereicht. Sie war schwarz und nur an wenigen Stellen silbern. In meinen Händen fühlte sich der Stoff deutlich härter an, als er sein müsste und als ich den Stoff umdrehte sah ich, dass er von innen mit Leder verstärkt worden war. Wirklich schützen würde es mich nicht, aber es war auf jeden Fall besser, als das dünne silberne Kleid.
Schnell zog ich mich um. Dagegen, dass mich alle sehen konnten, konnte ich nichts machen. Ich stand, wie alle anderen auch, umgezogen zwischen den Soldaten und überreichte ihnen meine alte Kleidung.
Zum einen war ich froh nicht mehr das silberne Kleid zu tragen, zum anderen hieß das, dass der Krieg nun endgültig kommen würde.
Auch wenn ich wusste, dass ich den Schlaf brauchte konnte ich nicht einschlafen. Immer wieder drehte ich mich unsamft auf dem Boden von einer Seite zur anderen. Wir hatten nicht einmal die Decken zum schlafen bekommen und so versuchten wir nun alle irgendwie auf dem harten Boden zu schlafen. An wenigen Stellen war der Boden nass und da es in letzter Zeit nicht geregnet hatte, war ich froh, dass ich diese Stellen nicht sehen konnte, auch wenn ich wusste, dass es Blut sein musste. Es war schrecklich zu wissen, dass ich gerade versuchte mitten auf einem Schlachtfeld zu schlafen. Um mir herum waren so viele Menschen gestorben und vielleicht würde bald auch ich hier sterben.
Nach einiger Zeit fielen mir schließlich dennoch die Augen zu, doch vor Albträumen konnte mich hier nichts schützen.

Alisa - kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt