Kapitel 22

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Sobald ich mir sicher war, dass keine Gefahr mehr drohte, öffnete ich die Tür. Dieses mal hatte ich vorsichtshalber eine der Scherben des Spiegels in der Hand. Was auch immer hier los war, ich würde nicht erneut alles auf Vertrauen setzten.
Das Zimmer war nach wie vor nur durch die eine Kerze auf dem Schreibtisch erleuchtet. Vor diesem saß nun das Mädchen auf einem Stuhl und schaute mich an. Dieses mal wollte ich nicht warten, bis mir jemand Lügen erzählte, sondern fing direkt an zu reden:,,Wer bist du?" ,,Das sollte ich wohl eher dich fragen. Aber wenn du es unbedingt wissen möchtest: Ich heiße Isabella, bin die Tochter eines angesehenden Offiziers und hier, um dem König bald eine gute Frau zu sein. Reicht dir das? Das weiß hier eigentlich sowieso jeder.", sagte sie in einem Ton, als hätte sie wenig Interesse daran ausgefragt zu werden. Doch ohne das zu beachten fuhr ich einfach fort:,,Und warum hast du mich nicht an die Soldaten verraten?" ,,Ich werde dir keine Antwort darauf geben können, die dich zufrieden stellen kann. Sagen wir es einfach so: Mein Gefühl hat mir gesagt, dass es wenig bringt, dich jetzt schon in den Tod zu schicken.", meinte Isabella mit gleichgültiger Miene. Und sie hatte Recht, diese Antwort stellte mich überhaupt nicht zufrieden. Allerdings gab es noch eine weitere Frage, auf die ich eine Antwort brauchte, oder besser gesagt, ein Problem, das ich lösen musste.
,,Wie komme ich aus dem Schloss raus, ohne erwischt zu werden?", fragte ich. Bei ihrer Antwort fingen ihre Augen geheimnisvoll an zu strahlen und sie fing an zu grinsen:,,Ohne Hilfe gar nicht,", beinahe verließ mich bereits die Hoffnung, ,,doch wenn du mir vertraust, kann ich dir helfen."
Die restliche Nacht hatte keiner von uns mehr etwas gesagt. Isabella hatte mir ein Kissen und eine Decke ausgeliehen, sodass ich auf dem kalten Boden im Badezimmer einigermaßen schlafen konnte. Auch wenn ich mein Bett vermisste, störte es mich nicht weiter. Schließlich hatte ich mehrere Wochen ohne Decke und Kissen auf dem kalten Steinboden in einer Zelle geschlafen. Noch lange hatte ich das Kratzen einer Feder im Nebenzimmer gehört und so wunderte ich mich am nächsten Tag nicht, dass alles still war, als ich aufwachte. Das Stück Stoff mit den Scherben und den Haarklammern hatte ich über Nacht neben mich gelegt. Noch immer war ich nur mit dem zerrissenen Kleid bekleidet, doch so schnell würde ich wohl nichts anderes mehr tragen. Da ich nicht wusste, wie bald ich wieder ein Bad von innen sehen würde, wusch ich mich knapp und nahm die Klammern aus meiner Tasche, um mir zwei Strähnen von meinen Haaren nach hinten zu stecken, damit diese mich nicht störten. Nach ungefähr 10 Minuten öffnete ich die Tür und stellte fest, dass Isabella schon wach war. Verschlafen saß sie auf ihrem Bett und schaute schon wieder in ihr Buch. Auch wenn sie dieses mal nichts schrieb, machte sie mich neugierig. Ich wollte unbedingt wissen, was in dem Buch stand. Als ich etwas näher an die heran trat, hob sie  ihren Kopf. ,,Guten Morgen.", sagte sie und gähnte, ,,Die letzte Nacht war zwar sehr anstrengend, aber ich hoffe, du bist bereit hier weg zu kommen! Da liegt eine Uniform der Diener. So wird es leichter, dich unbemerkt aus dem Schloss zu bekommen. Achso und lass alle deine Sachen am besten im Bad. Dann kann ich sie später entsorgen. Du besitzt ja sowieso nichts von Wert." Ich mochte es nicht, erneut alles hier zu lassen, doch ich nahm die Uniform, wie sie es mir gesagt hatte.
Im Badezimmer schaute ich in den Spiegel. Vor mir stand ein Mädchen mit heller Haut in einer dunklen Uniform. Auch wenn die grünen Augen mich anstarrten, sah es insgesammt sehr gepflegt aus. Als ich meine Hand hob und durch meine langenen offenen Haare ging, atmete ich einmal tief durch. Es war so weit. Jetzt würde ich erneut mein Leben in die Hand eines anderen legen, doch dazu war ich bereit. Würde ich es nicht in Isabellas Hände legen, wäre es bereits in den Händen des Todes. Ich hatte keine Wahl.
Eine Stunde später lief ich neben einem Diener durch die Gänge. Er war groß gewachsen und hatte bis jetzt noch nicht einmal gelächtelt. Nach einem viel zu kleinen Frühstück hatte er mich an Isabellas Tür abgeholt. Er hatte sie gefragt, ob sie mitkommen würde, doch sie hatte nur ,,Später." gesagt. Inzwischen hatte ich jede Orientierung verloren. Er hatte mir erklärt, dass wir nicht die Hauptgänge nehmen konnten, doch, dass wir so viele Umwege nehmen mussten, hatte ich nicht gedacht. Mir kam das Schloss immer größer vor. Zum Glück hatte mich noch keiner der Diener erkannt, doch trotzdem waren meine Muskeln zum zerreißen gespannt. Nach einer gefühlten Ewigkeit fing der Diener, der sich als Mark vorgestellt hatte, dann endlich an zu reden:

Alisa - kein Weg zurückDonde viven las historias. Descúbrelo ahora