10.1: So oft es nötig ist.

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Die Nacht hatte entspannt angefangen, was jemandem mit einem Kater gelegen kam.

In der Zeit, in der Weberin Anatol für die Bearbeitung der DE einspannte, gönnte sich Chander eine Dusche. Eigentlich hatte er danach nur einen flüchtigen Blick den Flur hinunter Richtung Aufenthaltsraum Schrägstrich Esszimmer werfen wollen. Er blieb aber an den versammelten Leuten hängen, die mit glänzenden Augen Weberin und Anatol anfeuerten.

„Scheiße", schrie Weberin und schlug mit der Faust auf den Tisch. Ihre Reaktion deutete auf Frustration hin, aber ihr Lächeln offenbarte pure Freude. „Gleich noch ein Versuch, okay?"

„Solange du noch genug Energie hast", stimmte der Reine zu.

„Ich mach garantiert nicht vor dir schlapp, mein Guter." Sie strich sich die Locken zurück, band sie in einem Zopf zusammen und verdrehte die Augen. „Tu mir nur den Gefallen und presche nicht immer so vor."

Chander verschwand in seinem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen.

Vor so vielen Jahren war es einfach passiert. Thot war ihm gefolgt, weil er kein Interesse daran hatte, die Führung zu übernehmen. Die Schwestern, Jongleur und Adler hatten sich dann einfach hinter dem Erfinder eingereiht. Es war einfach passiert, es gab keinen wirklich guten Grund, dass sie ihn als Anführer anerkannt hatten. Er hatte ihnen Ziele aufgezeigt und sie hatten es möglich gemacht, egal wie waghalsig es war. Wahrscheinlich war ihnen das in den vergangenen Jahren, in denen sie sich ein gutes normales Leben aufgebaut hatten, auch aufgefallen. „Scheiße", murmelte er und rieb sich die Schläfen, um nicht seine Handflächen zu malträtieren. Er straffte sich. Über die Zukunft konnte er sich Gedanken machen, wenn er mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte. Bis dahin würde ihre vor Jahren geknüpfte Kameradschaft ausreichen.

Einige Stunden hatte er dann im Wechsel damit verbracht, alte Zeitungen im Online-Archiv des Landraer Kuriers zu sichten, um sich auf den neuesten Stand zu bringen, und vor sich hin zu dösen. In einer Phase von Letzterem wurde er schließlich gestört.
Erst war zaghaftes Klopfen zu hören, das wie Regen in seinen traumähnlichen Zustand eindrang, dann klang es, als würde jemand mit seiner Faust gegen seine Tür hämmern.

„Was!?", brüllte Chander vom Bett aus und rieb sich den Sabber vom Kinn.

Weberin stolperte herein, gefolgt von Anatol. Sie hatten beide gerötete Wangen und Augenringe.

„Wir haben es hinbekommen." Stolz lächelte sie auf ihn herab. „Spuren von zwei verschiedenen Gestaltwandlern, die in Frage kommen, wurden am Tatort gefunden. Wohingegen deine Spuren dort mit großer Wahrscheinlichkeit im Nachhinein platziert wurden. Einer der Gestaltwandler ist momentan in Landra, ich habe schon alles über ihn herausgesucht. Was nicht viel ist, Wandler sind so ein geheimniskrämerisches Pack, aber er ist definitiv nicht so gut gesichert wie ein Bulle. Am anderen bin ich dran, aber der ist noch glitschiger. Außerdem wurde im Bericht notiert, dass das lunarische Schiff 84 kg zu schwer war. Unser Kommissar ging davon aus, dass irgendetwas geschmuggelt und das Schiff deswegen abgeschossen wurde."

„Gut gemacht", lobte er knapp und erhob sich. „Ich erhoffe mir nicht zu viel, aber dann statten wir diesem Wandler hier mal einen Besuch ab. Komm, Happy."

„Sei nicht so ein Sklaventreiber", mischte sich Weberin ein, „lass ihn sich ausruhen."

„Happy kann noch, oder?"

Die Augen des Reinen zuckten von Chander zu Weberin zu Chander zurück. Sie beide hatten die Arme verschränkt und verlangten wortlos Zustimmung.
„Kein Problem." Anatols Lächeln verlor an Strahlkraft, bevor er leiser nachschob: „So lange du dich dieses Mal zurückhältst."

Der Tanz von Sonne und MondWhere stories live. Discover now