𝙴𝚙𝚒𝚕𝚘𝚐 - 𝙼𝚎𝚗𝚝𝚘𝚛𝚎𝚗𝚙𝚛𝚘𝚐𝚛𝚊𝚖𝚖

229 19 15
                                    

Seit über siebzehn Stunden verfolge ich nun ununterbrochen das Geschehen auf dem großen Bildschirm in der Sponsorenlounge, zusammen mit den begeisterten Sponsoren und Kapitols-Menschen, welche ein kleines Vermögen bezahlt haben, um mit uns Mentoren und ehemaligen Sieger im Loft des Trainingscenters das Finale der vierundsiebzigsten Hungerspiele zu sehen.

Es ist erst mein zweites Jahr als Mentorin für das Distrikt zehn, weshalb das alles hinter den Kulissen noch ziemlich neu für mich ist. Wir begleiten die Tribute von dem Tag ihrer Ernte bis zu dem Tag, an dem sie in die Arena geschickt werden. Wir geben ihnen nicht nur Ratschläge, wie sie sich vor den Kameras am besten präsentieren sollten, sondern auch Überlebenstechniken und Strategien. Ehrlich gesagt fällt es mir noch sehr schwer mich bei potentiellen Sponsoren für meine Schützlinge einzuschleimen und Interesse an ihren Geschäften vorzuheucheln, aber das ist der zweite Teil der Mentoren-Arbeit. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele schwitzige Hände ich schütteln oder ekelhafte Kommentare ich ertragen musste.

Warum genau ich das auf mich genommen habe obwohl es wider meiner Natur ist, kann ich nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen. Der Start mit den diesjährigen Tributen war etwas schwierig. Das Mädchen Dakota hatte ihre Probleme mich als vollwertigen Mentor anzuerkennen, weil ich gerade einmal sechzehn Jahre alt bin. Daraufhin hat sie sich stur gestellt, bis ich ihr klargemacht habe wie gleichgültig es mir doch ist, ob sie sterben wird oder nicht. Der achtzehnjährige Jeremy war kooperativer, doch an seinem Blick konnte ich auch sehen, dass er meine Hungerspiele noch frisch im Kopf hat, nicht verwunderlich dass er da mehr Respekt an den Tag gelegt hat. Im Endergebnis ist das Mädchen noch am ersten Tag am Füllhorn abgestochen worden, der Junge hat es relativ gut bis zum achten Tag durchgehalten. Doch nach einem kleinen, unsinnigen Fehler haben die Karrieros seine Spur aufnehmen können. Es klingt hart, aber man sollte sich nicht an seine Tribute gewöhnen, schließlich werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit sterben. Sich ihren Tod anzurechnen ist nur Selbstfolter, schließlich haben wir Sieger schon einige Menschen auf dem Gewissen. Doch obwohl ich kein sonderlich sentimentaler Mensch bin, sitze ich aus Respekt vor ihren Familien in Distrikt zehn weiter hier. Beruhigt schlafen würde ich sowieso nicht.

Behutsam ziehe ich den weichen Fleecestoff des dünnen, großen Überwurfschals enger um meinen Oberkörper und schließe für einen Moment meine schweren, müden Augenlider. Die meisten der anderen Sieger haben sich für einige Zeit in ihr Appartement zurückgezogen, denn durch die hochmoderne Tonanlage hallen schon die ganze Nacht die Schreie und wimmernden Laute des männlichen Tributs aus Distrikt zwei, welcher nun schon über Stunden von Mutationen am Fuße des Füllhorns zerrissen wird. Anscheinend war es zu viel für einige der anderen, beispielsweise Annie Cresta. Die Menschen aus dem Kapitol scheinen diese besonders grausame Folter der Spielmacher jedoch mit jedem ihrer Atemzüge zu genießen und unterhalten sich lachend amüsiert, während der achtzehnjährige Junge qualvoll zerfleischt wird. Manche zeigen kichernd auf den Bildschirm und mimen spaßeshalber einen Schrei nach.

Ich verziehe das Gesicht und wende mich wieder dem Monitor zu, wodurch ich auf die weiter vorne im Augenwinkel Haymitch entdecken kann. Sein Whiskyglas hat er auf den Boden neben sich abgestellt und ich kann das Zucken seiner Hand danach erkennen. Eigentlich hat er was zu Feiern, seine beiden Sieger sitzen auf dem Füllhorn in Sicherheit und müssen nur abwarten, bis die Zuschauer ihr großes Finale genug ausgekostet haben. Aber wie gesagt, für uns Sieger ist das diesjährige Endspektakel wohl besonders grausam.

Was mich angeht, mich beschäftigt etwas ganz anderes. Die Hungerspiele erfüllen eine einzige Funktion: Sie sind eine Mahnung, sie sollen die Distrikte einschüchtern und daran erinnern, dass sie alle der Macht der Regierung schutzlos ausgeliefert sind. Vierundsiebzig Jahre lang schicken sie jedes Jahr vierundzwanzig zufällig ausgeloste Tribute in die Arena, eine Ausnahme gab es nur bei den fünfzigsten Spielen. Und es gibt immer nur einen Sieger, nur einer kann lebend aus der Arena kommen. Und dieses Jahr wirft der oberste Spielmacher Seneca Crane diese goldene Regel einfach über den Haufen und verkündet ganz Panem, dass es dieses Jahr zwei Spieler schaffen können, solange sie aus dem selben Distrikt stammen. Ich könnte mir niemals vorstellen, dass Präsident Snow diesem Vorschlag zustimmen würde und eine jahrzehntandauernde Tradition bricht.

ɔıε тяıвυтε νσп ραпεм  - ɔεя ƨρσтттöʟρεʟ υпɔ ɔıε пαcнтıɢαʟʟTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang