𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟽 - 𝙳𝚒𝚎 𝚉𝚞𝚐𝚏𝚊𝚑𝚛𝚝 𝚣𝚞𝚖 𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚘𝚕 (𝟸/𝟸)

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Katniss Prove

Ich bleibe noch lange am Fenster stehen, auch als sich schon längst der Wald zwischen mich und meine Heimat geschoben hat. Zwölf ist mehr als das Distrikt, in dem ich lebe. Es ist der Ort, an welchem sich meine Mutter in meinen Vater verliebt hat, an dem meine Schwester Prim und ich aufgewachsen sind, an dem Gale und ich uns kennenlernten und an dem mein Vater gestorben ist. 

Diesmal habe ich nicht die geringste Hoffnung auf Rückkehr. Damals, vor meinem ersten Spielen, hatte ich Prim versprochen, dass ich alles tun würde um zu gewinnen. Aber nun habe ich mir selbst geschworen alles zu tun damit Peeta am Leben bleibt. Diesmal wird es kein zurück geben. Ich hatte mir sogar schon letzte Worte an meine Angehörigen zurecht gelegt. Hatte mir überlegt, wie ich die Türen am besten verschließen und meine Lieben voller Trauer, aber in Sicherheit hätte zurücklassen können. Doch auch das hat das Kapitol mir gestohlen.

"Wir schreiben Ihnen, Katniss", sagt Peter hinter mir mit einem einfühlsamen Ton. "Das ist bestimmt sowieso besser. Dann haben Sie etwas von uns, woran sie sich festhalten können. Haymitch wird die Briefe für uns überbringen, falls... Sie überbracht werden müssen."

Ich nicke. Dann gehe ich auf direktem Weg in mein Abteil und setze mich aufs Bett. Ich weiß, dass ich diese Briefe nie schreiben werde. Wie die Rede, die ich nie niederzuschreiben versucht habe, um Rue und Thresh in Distrikt elf zu Ehren. In meinem Kopf und auch als ich zu der Menge sprach, war alles klar, aber aus dem Stift wollten die Worte einfach nicht heraus fließen. Abgesehen davon müssten diese Worte von Umarmungen und Küssen begleitet werden, ich müsste Prim dabei übers Haar fahren, Gale übers Gesicht streichen, Madge die Hand drücken. Unmöglich können sie zusammen mit einer Holzkiste überbracht werden, in der mein erkalteter steifer Körper liegt. Ich bin zu traurig, um zu weinen. Ich will mich nur noch auf dem Bett zusammen kauern und schlafen, bis wir morgen früh das Kapitol erreichen. Aber ich habe eine Mission. Nein, mehr als eine Mission. Es ist mein letzter Wille. Peeta retten. So unwahrscheinlich es angesichts der Wut des Kapitols auch scheinen mag, dass mir das gelingt, so wichtig ist es, dass ich alles gebe. Und das kann ich nur, wenn ich meinen Lieben zu Hause nicht länger nachtraure. Lass sie los, sage ich mir. Sag Lebewohl und vergiss sie. Ich gebe mein Bestes, denke an jeden einzelnen, entlasse sie die Vögel aus den schützenden Käfigen in mir und verschließt die Türen, damit sie nicht zurückkommen.

Als Effie anklopft und mich zum Abendessen ruft, fühle ich mich leer. Aber diese Leichtigkeit kommt mir nicht ganz ungelegen. Die Stimmung beim Essen ist gedrückt. So gedrückt, dass lange Zeit überhaupt niemand etwas sagt oder Schweigen nur durch das abräumen des Einganges und das Auftragen des Nächsten unterbrochen wird. Eine kalte passierte Gemüsesuppe. Fischfrikadellen in Limonen-Creme. Diese Hühnchen in Orangen Sahne Sauce, dazu Wildreis und Brunnenkresse. Schokoladenpudding, garniert mit Kirschen. Ab und zu versuchen Peeta und Effie eine Unterhaltung in Gang zu bringen, die aber bald erstirbt.

"Ich finde deine neue Frisur toll", sagt Peter.

"Danke. Sie sollte extra zu Katniss Brosche passen. Wenn wir noch ein goldenes Armkettchen für dich finden und für Haymitch vielleicht einen großen goldenen Armreif oder sowas, dann sehen wir aus wie ein Team, dachte ich", erklärt Effie. Offenbar weiß sie nicht, dass meine Spotttölpel-Brosche inzwischen den Rebellen als Erkennungszeichen dient. Zumindest in Distrikt acht. Im Kapitol ist der Sporttempel immer noch eine nette Erinnerung an eine besonders aufregende Ausgabe der Hungerspiele. Was auch sonst? Echte Rebellen tragen ihre geheimen Erkennungszeichen doch nicht auf etwas so beständigem wie einem Schmuckstück. Sie prägen sie in ein Stück Brot, dass notfalls bin einer Sekunde aufgegessen werden kann.

"Ich halte das für eine großartige Idee", sagt Peeta. "Was meinst du, Haymitch?"

"Von mir aus", sagt Haymitch. Er verkneift sich das Trinken, aber ich weiß, dass er es nur zu gern täte. Als Effie bemerkt, wie viel Kraft es ihn kostet, hat sie auch ihr eigenes Glas Wein abräumen lassen, aber Haymitch steht trotzdem auf dem Zahnfleisch. Wäre er selbst der Tribut, dann wäre er Peeta nichts schuldig und könnte sich nach Herzenslust betrinken. So jedoch muss er alles dran setzen, dass Peeta in der Arena überlebt, in der es von alten Freunden wimmelt, und wahrscheinlich wird er scheitern.

ɔıε тяıвυтε νσп ραпεм  - ɔεя ƨρσтттöʟρεʟ υпɔ ɔıε пαcнтıɢαʟʟWo Geschichten leben. Entdecke jetzt