᯽Kapitel 9᯽

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Na toll. So war das nicht gedacht gewesen. Aber was musste dieser Wolf auch unbedingt jetzt über den Fluss? Hätte er damit nicht noch warten können?
Was sollte ich denn jetzt machen? Ich war zwar am Fluss aufgewachsen, aber das hieß ja noch lange nicht, dass ich für einen Wolf, der mich vermutlich fressen wollte, mein Leben aufs Spiel setzte.
Okay gut an seinem Tod wollte ich aber auch nicht unbedingt Schuld sein. Seufzend kletterte ich vom Baum herunter. Dass ich in meinem Leben jemals Wölfe retten muss, hätte ich echt nicht gedacht.

Der weiße Wolf hing immer noch an diesem Stamm dran. Ein Wunder, dass er sich daran noch festhalten konnte, bei der Strömung.
Immer näher wurde er an meine Stelle getrieben und ich rannte nochmals ein wenig weiter weg, um mich bereit machen zu können. Den Ast, von vorhin hatte ich sicherheitshalber trotzdem mitgenommen, auch wenn er vielleicht gar nichts brachte.

Ich verfestigte meinen Schritt, krempelte die Ärmel ein wenig hoch und wartete auf den schnell näherkommenden Stamm. Er sah breiter aus als ich gedacht hatte und ich war mir unsicher, ob ich ihn alleine halten konnte, ohne, dass ich mitgerissen wurde.
Nein, vermutlich würde ich es nicht schaffen. Schnell nahm ich den Ast und rammte ihn tief in den sandigen Untergrund des Flusses. Sollte ich wirklich den Halt verlieren, würde uns dieser Ast abfangen.
Der Wolf war mittlerweile nur noch wenige Meter von mir entfernt und die Angst in mir stieg. Ich war diesem Tier schon jetzt viel näher, als mir eigentlich lieb war.
Beruhig dich, Yandra. Bloß keine Panik!
Ich versuchte durch tiefes ein und Ausatmen ein wenig zur Ruhe zu kommen doch der herannahende Wolf verhinderte dies.
Mit zitternden Knien rutschte ich noch etwas näher ans Flussufer und streckte die Arme aus, um den Stamm abzufangen. Mit seiner ganzen Kraft traf er auf meine Arme. Ich krallte mich an dem Stammende fest und stemmte meine Füße in den Boden. Für einen Moment dachte ich, es würde klappen, und ich könne das Holz bequem herausziehen. Doch dann ging ein Rucken durch meine Arme und ich wurde nach vorne gezerrt. Loslassen war jetzt keine Option mehr. Das wäre mehr als nur feige gewesen und so sehr ich ihn auch mied, die Enttäuschung über den fehlgeschlagenen Rettungsversuch, wollte ich dem weißen Wolf dann doch nicht zumuten.

Schon spürte ich das kalte Wasser durch meine Kleidung dringen und die Haut darunter wurde durchnässt. Eckelhaft nass klebte meine Kleidung an mir und meine Schuhe fühlten sich so an, als wären sie aus Blei, doch ich kämpfte tapfer weiter gegen die Fluten. Gerade noch rechtzeitig verhackte ich meinen einen Fuß, an dem, aus dem Fluss ragendem Ast, und wir blieben stehen. Ein weiteres Mal durchfuhr ein kräftiges Ziehen meinen Körper aber diesmal wollte ich dem nicht nachgeben.
Mit letzter Kraft zog ich mich näher zu dem Ast. Ein Glück, dass dieser Stand hielt. Wenn nicht, dann wäre das vermutlich das letzte gewesen, was ich getan hätte.
Von der Panik geleitet, zog ich mich mit Hilfe des Astes an Land. Irgendwie schaffte ich es auch noch, einen Teil des Stammes ans Ufer zu ziehen, sodass der Wolf erst einmal nicht weggeschwemmt werden würde.
Ich warf nur einen kurzen Blick auf ihn, doch das reichte aus, um festzustellen, dass er die Augen geschlossen hatte. Vermutlich war er wieder einmal bewusstlos geworden.
Schnellstmöglich entfernte ich mich von dem Tier.

Meine gesamte Kleidung war vollkommen nass geworden. Wie sollte ich das jemals alles wieder trocken kriegen? Zumal die Sonne sich für heute schon fast verabschiedet hatte.
Wieso mache ich sowas eigentlich?
Wieso rette ich ihn?
Was erwartet ich mir davon?
Auf all diese Fragen fand ich jedoch keine Antwort.
Bei jedem Schritt den ich tat, quitschten meine Schuhe. Also zog ich sie kurzerhand aus. Das weiche Leder war auf jeden Fall hin.

"Danke."
Ich schnellte herum. Was zum Teufel war das?!
"Wer..Wer hat das gesagt?" Rief ich und die Panik in mir stieg wieder hoch.
Wie eine Waffe hob ich den nassen Stiefel vor mich. Es konnte ja alles mögliche sein, was das gerade gesagt hatte.
Mittlerweile traute ich so ziemlich jedem Wesen so etwas zu.
Moment, aber welches Wesen würde einfach so, ohne jeglichen Grund, ohne dass ich ihm geholfen hatte, 'Danke' sagen? Tief im Inneren wurde es mir langsam klar. Ich hatte bisher nur einem Tier wirklich geholfen.

Mit fragendem Blick drehte ich mich zu dem am Boden liegendem Wolf um. War es wirklich er, der gesprochen hatte?
Aber ich hatte ihn doch schon einmal was gefragt, und er hatte darauf keine Antwort gegeben. Wieso dann jetzt?
"Ähm..du.. kannst du mich verstehen?" Wagte ich einen ersten Schritt. Die Antwort drauf, war jedoch enttäuschend. Das Einzige, was der Wolf tat, war, den Kopf ein wenig hochzunehmen und die Augen leicht zu öffnen. Irritiert blickte er mich mit seinen Augen an.
Ich hatte fast schon das Gefühl, er könne mir damit in die Seele schauen, aber das war Einbildung.
"Kannst. Du. Mich. Verstehen." Wiederholte ich langsam, in dem Glauben dass es dann besser werden würde. Doch es kam keine Reaktion von dem Wolf. Entweder, machte er sich einen Spaß daraus, mir nicht zu antworten, oder er konnte mich wirklich nicht verstehen. Dann müsste es ein anderes Wesen gewesen sein, was 'Danke' gemurmelt hatte.
Aber wer? Hier war niemand außer dem Wolf und ich.

Ich wollte schon wieder aufstehen und mich meinen durchweichten Klamotten widmen, da hörte ich erneut die seltsame Stimme. Es schien eher so, als würden die Worte nicht von meinen Ohren eingefangen werden, sondern direkt in meinem Kopf, seinen Ursprung haben.
Wieder musterte ich den Wolf prüfend. Er hatte seine Schnauze nicht einmal geöffnet. Er konnte es also gar nicht sein, oder?
Aber war ich mir auch wirklich sicher, das Geräusch gehört, und nicht viel eher gedacht zu haben? Fing ich jetzt etwa schon an mit mir selbst zu reden? Nein, diese Erkenntnis wollte ich nicht wahrhaben.
Einen letzten verzweifelten Versuch startete ich.
Ungeübt legte ich die Hände an die Schläfen, um sämtliche anderen Einwirkungen abzuschirmen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nur auf einen Satz, bis sich dieser in meinem gesamten Kopf verfestigt hatte.
"Kannst du mich verstehen?"

Shadows from the forestWhere stories live. Discover now