᯽Kapitel 11᯽

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Der Wolf krabbelte flink in die Höhle. Ich zögerte einen Moment. Sollte ich da wirklich mit reingehen?

Was zum Teufel tat ich hier eigentlich?
Um mich zu beruhigen, lief ich Kreuz und Queer vor dem Baueingang entlang.
"Okay Yandra, es ist alles normal. Du gehst jetzt in diesen Bau und hast absolut gar keine Angst mehr vor Wölfen. Und es ist auch überhaupt nicht komisch, dass du mit einem Wolf reden kannst. Nein, das tun alle Menschen! Ist ja nicht so, dass andere dich dafür umbringen würden. Nein, so überhaupt nicht!"
Verdammt, was soll ich bloß machen? Ich kollabiere hier gleich vor Verzweiflung. Ich will nicht als komplett irre abgestempelt werden. Aber bin ich das vielleicht?
War ich wirklich verrückt? Bildete ich mir das alles hier nur ein? Dass der Wolf aufeinmal mit mir sprechen konnte, dass ich mit ihm sprechen konnte? Nein, das war keineswegs normal.

Wieso konnte ich es dann? War ich vielleicht wirklich das, für das man mich verfolgte?
Ayana ließ mich zusammenzucken. Wie lange stand sie da schon am Eingang zu ihren Bau?
Die weiße Wölfin, wie ich jetzt wusste, schloss kurz die Augen. Wenig später tauchte in meinem Kopf ein Gedanke auf.

Was tust du da? Warum machen Menschen das?

Für einen Moment wusste ich nicht, was er meinte, bis es mir klar wurde. Er wollte wissen warum ich gerade mehrere unnötige Bahnen hin und her gelaufen war. Tja aber erkläre mal einem Wesen was die Menschheit nicht versteht, dass wir das einfach nur so machen. Intuitiv, unfreiwillig, automatisch. Sowas verstand doch kein Wolf.
Etwas genervt legte ich die Hände wieder an die Schläfen und schloss die Augen. Bisher hatte ich noch keine einfachere Methode gefunden, um dem Wolf meine Gedanken zu schicken, aber vielleicht würde es mit der Zeit leichter werden, ihn zu verstehen, und mit ihm zu reden.

"Ähm..es beruhigt."

Gab ich deshalb kurz angebunden zurück. Immer noch wusste ich nicht so recht, ob ich dem Wolf trauen sollte. Er stellte so merkwürdige Fragen und redete unnatürlich oft mit mir, dafür, dass wir uns eigentlich gar nicht kannten.

as wusste ich denn schon von ihr? Toll, ich wusste, dass ihr Name Ayana war, aber das war's dann eigentlich auch schon. Weiteres kam mir nicht in den Sinn.

Ich beschloss, ihm endlich in den Bau zu folgen, mich aber bereit zu halten, falls er mich doch angreifen würde.
Auf seinen Blick hin kroch ich dem Tier hinterher. Der Gang war schmal und niedrig. Obwohl ich sonst keine Probleme damit hatte, fing ich nun doch an, ein wenig Platzangst zu bekommen. Gerade als ich wieder zurück gehen wollte, weil es mir zu gefährlich wurde, öffnete sich der Gang zu einer weitläufigen Höhle.
Das konnte sie niemals alleine gebaut haben. Es musste ein Rudel geben. Anders konnte ich mir das Ausmaß der Höhle nicht erklären. Ayana schien meine Unsicherheit bemerkt zu haben.

"Hier lebten vorher andere Tiere. Die Höhle war verlassen als ich sie fand."

Dabei musste der Wolf, anders als ich, keine abnormalen Bewegungen vollführen. Warum klappte es bei ihm besser als bei mir?
So ganz war ich zwar nicht überzeugt aber es reichte, um gänzlich in den Bau zu kriechen. Glücklicherweise war er hier etwas höher gebaut und so konnte ich einigermaßen aufrecht gehen.
Der Gang war eng gewesen, weshalb meine nasse Kleidung immer wieder die Seiten des Tunnels gestriffen hatte. Dementsprechend verdreckt sah ich jetzt auch aus. Dadurch dass sie nass war, blieb der Staub besonders gut hängen.

Der weiße Wolf hingegen war dünner als ich, und kannte sich in dieser Umgebung aus. Sein Fell war, wenn überhaupt, höchstens etwas angegraut.

Ich weiß echt nicht, was ich von einem Tierbau erwartet hätte aber es kam dem hier schon ganz nahe. Mehrere Gänge gingen vom Hauptteil ab doch jeder von ihnen schien für mich zu klein zu sein.
Ansonsten war der Bau ziemlich ordentlich und kahl. Bis auf einen Haufen voller vertrocknete und vor sich hin gammelnden Blättern, welcher sich später jedoch als Schlafplatz entpuppten. Die Decke war mit einigen Wurzeln bestückt und man konnte nur erahnen, was für Pflanzen darüber wuchsen.

Unsicher blieb ich mittend im Bau stehen. Wo Ayana war wusste ich nicht, jedenfalls konnte ich sie nirgends entdecken. Ich hoffte einfach mal, dass sie nicht gerade ihr Rudel zusammenrief, um mich zu töten.
Um meine Schuhe herum war der Boden dunkler gefärbt. Das Wasser, was von dem Leder tropfte, sickerte sofort in die trockene Erde und machte sie weicher.

"Schau mal, das hab ich gefunden."

Wieder einmal schreckte ich hoch. An diese Art von Kommunikation musste ich mich erst noch gewöhnen.
Aus einem der wegführenden Gänge trat die Wölfin hervor. Sie trug mehrere große Fetzen im Maul, Tierhäute, wie ich jetzt erkannte.
Achtlos ließ sie die Häute auf den staubigen Boden fallen und es stiebte. Dampf und Staub flog mir in den Rachen und löste dort ein kitzeln aus, was mich husten ließ.
Die weiße Wölfin war schon wieder drauf und dran zu gehen, da rief ich ihr, plötzlich, ganz ohne Anstrengungen etwas hinterher.

"Was soll ich mit diesem Häuten machen?"

Schockiert starrte ich auf meine Hände, die immer noch schlapp an mir herab hingen. Unmöglich, dass ich diese benutzt haben könnte. Ayana schien das ganze nicht aufzufallen. Jedenfalls antwortete sie völlig normal, in kurzen Sätzen, naja sofern ein Wolf nunmal ein normaler Gesprächspartner für einen Menschen war.

"Damit du schlafen kannst. Außerdem müssen deine Sachen trocknen."

Schlagartig drehte sie sich um und verließ endgültig ihren Bau. Wohin sie jetzt wohl ging? Ich meine, es war später Abend, als wir hier ankamen, warum ging sie dann jetzt nochmal los?
Ich brauchte gefühlt eine halbe Ewigkeit, um herauszufinden, was der Grund für ihr derzeitiges Verschwinden war.
Viele Tiere waren doch nachtaktiv. Vielleicht wollte sie genau solche Tiere jagen.
Immer noch darüber nachdenkend, machte ich mich daran, die verdreckten Schuhe von meinen Füßen zu lösen.. etwas klebten sie schon an meinen Socken.
Schichtartig schälte ich die nassen Kleidungsstücke von meinem Körper und legte sie möglichst dorthin, wo sie schnell trocknen konnten. Einige Sachen konnte ich sogar an ein paar der Wurzeln festmachen.

Shadows from the forestWhere stories live. Discover now