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"Julia, hast du kurz Zeit für mich? Ich müsste etwas mit dir besprechen", fragte Jessy am nächsten Tag und setzte sich neben mich auf die Couch. Eigentlich sah ich mir gerade den 5. Teil der Fast-and-Furios-Reihe an, aber das konnte ich wohl gerade vergessen. Seufzend pausierte ich den Film, versuchte mir aber nicht anzumerken, wie genervt ich gerade war, und drehte mich breit lächelnd zu Jessy um. "Klar, was gibt's?", fragte ich, seit unserem Streit gestern Abend hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.

"Ich wollte mich nochmal bei dir entschuldigen. Es war echt nicht in Ordnung, dass ich Jake geschrieben hatte, dass deine ganze Familie gestorben ist. Vor allem, nachdem du mir auch noch ausdrücklich gesagt hast, dass ich das für mich behalten sollte. Und was mache ich? Ich posaune es zuerst vor Phil und dann vor Jake raus. Es tut mir wirklich leid. Nimmst du meine Entschuldigung bitte an?", bat Jessy hoffnungsvoll.

Da ich keine Lust auf Streit hatte, da ich wusste, wie schrecklich es war, wenn die letzte Konversation ausgeartet ist und man nicht mehr die Gelegenheit dazu hat, sich bei der Person zu entschuldigen, nahm ich Jessys Entschuldigung an. "Danke Julia", strahlte Jessy und umarmte mich fest. Zaghaft hob ich meine Arme und legte sie ebenfalls um Jessys Körper. So verweilten wir paar Minuten, bis sie mich schließlich losließ.

Anhand der Tatsache, dass sie wieder meinen Blick auswich, schlussfolgerte ich, dass das noch nicht alles gewesen war. "Du möchtest noch etwas von mir, oder?", hakte ich deshalb misstrauisch nach, weshalb Jessy resigniert ausatmete. "Oh Mann, ich komme mir gerade so schlecht vor", murmelte sie bedrückt und hob endlich ihren Blick, um meinem zu begegnen. "Was ist los?", fragte ich mitfühlend und legte ihr aufmunternd eine Hand auf ihre Schulter.

"Dan und ich wollen jetzt endlich zusammenziehen", gestand mir Jessy betreten, wobei sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen schlich. "Das ist ja großartig!", sagte ich so enthusiastisch wie möglich, obwohl ich mir schon denken konnte, weshalb Jessy ein schlechtes Gewissen hatte. Wenn Dan und sie zusammenziehen würden, müsste ich mir eine neue Bleibe suchen. Aber das änderte nichts daran, dass ich mich trotzdem für die beiden freute.

Der Zusammenzug der beiden war mehr als nur überfällig und ich gönnte es ihnen wirklich vom Herzen. "Ja, aber da gibt es ein Problem", druckste Jessy herum. Also ergriff ich das Wort. "Ich weiß, ich muss ausziehen", sprach ich das aus, was Jessy nicht aussprechen konnte. "Ja... Also du kannst ruhig hier bleiben, aber es wird auf Dauer doch dann ziemlich eng", äußerte sie ihre Bedenken.

"Naja, und ich dachte... also... vielleicht könntest du ja bei Phil einziehen?", schlug Jessy stotternd vor. "Oh... Ähm... Ich weiß nicht so recht Jessy. Phil und ich kennen uns ja noch nicht so lange und außerdem ist er ein Mann und..." "Suchst du gerade verzweifelt nach Ausreden, um nicht zu meinem Bruder ziehen zu müssen?", fragte Jessy belustigt.

"Ich glaube nur nicht, dass das so eine gute Idee ist. Ich möchte niemandem zur Last fallen", behauptete ich zerknirscht, wusste aber, dass ich sowohl Jessy als auch mir selbst eine Lüge auftischte. In Wirklichkeit hätte ich nämlich ein noch schlechteres Gewissen Jake gegenüber, wenn ich jetzt noch mehr Zeit mit Phil verbringen würde, als ich sowieso schon hatte. Außerdem befürchtete ich, dass Phil zu viel in meinen Einzug hineininterpretieren könnte.

"Du fällst Phil nicht zur Last, er würde sich sogar freuen, wenn du bei ihm einziehen würdest", versuchte mich Jessy zu überzeugen, das teuflische Grinsen in ihrem Gesicht sprach Bände. "Oh nein, du hast ihn schon gefragt, oder?", fragte ich entsetzt. "Genau. Eigentlich hat er mir sogar vorgeschlagen, dich zu fragen, ob du zu ihm ziehen möchtest. Dan möchte morgen bei mir einziehen und ich wollte dir eigentlich schon gestern davon erzählen, aber dann... kam ja etwas dazwischen", entschuldigte sich Jessy.

"Schon gut", winkte ich ab, haperte aber noch mit mir selber, weil ich eigentlich echt nicht bei Phil einziehen wollte. Hauptsächlich wegen Jake. Andererseits konnte ich bis morgen unmöglich eine Wohnung finden und selbst wenn könnte ich mir noch keine leisten. Und ich müsste mir dann auch keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich zur Arbeit komme, schließlich befand sich Phils Wohnung direkt über der Aurora.

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Where stories live. Discover now