Kapitel 16 - Der Traum des Echnaton

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Bevor die Cheops-Pyramide etwa 2600 v. Chr. erbaut wurde, war diese Landschaft nur ein unbewohnbares Wüstengebiet gewesen. Aber seitdem die drei großen Pyramiden aus dem Boden gewachsen waren und die Sphinx in ihrer vollen Farbenpracht über diese Monumente wachte, errichteten nachfolgende Pharaonen, Gaufürste, Tempelpriester, Gelehrte und weitere einflussreiche Persönlichkeiten des Landes ebenfalls dort ihre Grabstätten. Zugleich siedelten immer mehr Menschen dorthin, sodass bereits während Ende des Alten Reichs eine Nekropole (Totenstadt) entstanden war. Arbeit gab es dort zu genüge und diese wurde angemessen entlohnt. Diese Stadt benötigte keinen Namen, denn es genügte zu erwähnen, dass man zur großen Leuchtenden reisen wollte. Später, über zweitausend Jahre später sogar, würde diese Nekropole einmal Gizeh genannt und ein Stadtteil der Metropole Kairo werden.

In der Nekropole lebten überwiegend bodenständige Menschen in Lehmhütten, hauptsächlich waren sie Handwerker, Händler oder gingen ihrer Arbeit als Friedhofswächter nach. Die Friedhofswächter waren meist ausgebildete Söldner, schließlich waren die prunkvollen Gruften sowie Mastabas mit unsagbaren Schätzen gefüllt – der Anblick der Pyramiden versprach weitaus mehr – und Grabräuber waren schon immer organisierte, skrupellose Verbrecher gewesen, die einen Mord billig in Kauf nahmen und von der ägyptischen Streitmacht strafrechtlich verfolgt wurden. Ebenso rentierte es sich, in der Totenstadt eine Taverne mit Pension zu eröffnen, denn jährlich pilgerten abertausende Menschen aus allen Herren Ländern herbei, um die strahlend weißen Pyramiden zu bestaunen, und diese anzubeten. Die Nekropole war zu Tutanchamuns Zeit längst zu einer Pilgerstätte geworden, wobei nebenbei auch emsig Handel betrieben wurde. Pharao Chufu erreichte letztendlich, was er einmal vor sehr, sehr langer Zeit angestrebt hatte: Unsterblichkeit. Nur eines war ihm, wie allen Pharaonen vor und nach ihm niemals gelungen; seine eigene Dynastie für alle Zeiten aufrechtzuerhalten und fortzuführen. Lange bevor Tutanchamun geboren wurde, erschien eines Tages ein junger Krieger vor dem Pharao Echnaton, der Ägyptens Historie sowie das Schicksal der 18. Dynastie entscheidend beeinflusste.



20 Jahre zuvor ...

Seit zwei Jahren verehrte das ägyptische Volk ihren neuen Pharao Amenophis IV, der kurz nach seiner Krönung seinen Geburtsnamen ablegte und sich fortan Echnaton nannte. Der ursprünglich vorgesehene Thronfolger, sein jüngerer und einziger Bruder Thotmoses, war zuvor verunglückt und sein Vater Amenophis III lag seitdem von Krankheiten gezeichnet im Sterbebett. Der alte Pharao vermachte seinem geächteten Sohn zwar notgedrungen die Doppelkrone, aber der sterbenskranke König verkündete trotzdem allen Großen des Landes verbissen, dass er insgeheim immer noch der wahre Pharao sei und erteilte Amenhotep, wie er seinen Sohn beharrlich nannte, weiterhin Anweisungen. Aber Echnaton ignorierte stets seine Befehle und waltete nach eigenem Ermessen, schließlich trug er nun die Doppelkrone auf seinem Haupt. Irgendwann war es soweit gewesen, dass Echnaton seinen Vater gemieden und sich bei ihm nicht mehr hatte blicken lassen. Ab jetzt herrschte nur noch Pharao Echnaton, der neue König von Ägypten. Pharao Amenhopis III war nur noch ein Schatten der Vergangenheit.

Echnaton hatte eine Vision von einer neuen Stadt, die bereits auf Skizzen existierte, seitdem er ein Jugendlicher war, welche er selbst entworfen und auf Papyrus gezeichnet hatte. Es war schon immer sein Traum gewesen, eine eigene Stadt zu erbauen, mit einem monumentalen Königspalast. Gewaltig und pompös sollte seine Stadt werden, bestückt mit einem riesigen Tempel, der selbst den monumentalen Amuntempel in Theben in den Schatten stellen sollte. In seiner Stadt würde man nur Reichtum und ein unbeschwertes Leben erwarten, denn die Armut ängstigte ihn und er verabscheute sie. Nun hatte er die Macht dazu errungen, seinen Traum in die Realität umzusetzen und die Bauarbeiten hatten längst begonnen. Seine Traumstadt in der Wüste wuchs wöchentlich empor, aber seine Residenz blieb derweil die Sonnenbarke, weil er den Königspalast in Theben ächtete, weil er die kränkliche Gegenwart seines Vaters verpönte. Audienzen wurden ausschließlich auf dem Bootsdeck sitzend abgehalten, was ranghohen Regierungsbeamten insgeheim widerstrebte, aber sie stillschweigend hinnehmen mussten.

Imhotep - Der Junge aus Heliopolisحيث تعيش القصص. اكتشف الآن