Epilog

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"My life's a thousand deaths." — John Wilmot Earl of Rochester

April 1912

Trotz Einbruch der Nacht schien die Stadt nicht zu ruhen. Laternen brannten, Autos fuhren durch die steinernen Straßen und Gruppen von Leuten trafen sich in den Pubs und feierten ihr unbeschwertes, sorgenfreies Leben. Die Themse wirkte trotz der vielen Laternen wie ein schwarzer Abgrund, dunkel, gefährlich, und dass kein Wind wehte, förderte das nur noch mehr.

Ein Mann gehüllt in einem schwarzen Mantel stand am Geländer gelehnt da, sah zu einer Zeitung, die auf dem Boden zurückgelassen wurde, ganz besudelt von Dreck und auf deren Titelseite man dennoch groß angekündigt die Abfahrt der Titanic am heutigen Tag lesen konnte.

Ein Lächeln erschlich sich auf dem Gesicht des jungen Mannes, der das las, und er wandte den Blick ab. Die Leute ahnten nicht, dass es bald eine noch viel größere Schlagzeile geben würde, wenn in wenigen Tagen die Titanic gegen einen Eisberg kracht und sinken wird, hunderte von Leuten mit in den Tod reißen würde. Er kannte diese Schlagzeilen, hatte sie schon einmal gelesen, doch das war viele, viele Jahre bereits her.

Ungeduldig zündete er sich eine Zigarette an, wartete auf jemand bestimmtes, der sich jedoch zu verspäten schien und das stimmte ihn nervös.

Er würde auftauchen! Er wusste, dass er es würde. Er hatte nicht all die Monate nach einem Moment in der Zeit gesucht, wo er ihn abfangen könnte, nur um sich letztendlich doch vertan zu haben.

Er nahm einen kräftigen Zug, füllte seinen Lungen mit dem giftigen Rauch und blies ihn wieder raus. Er sah sich unauffällig um, suchte nach Hinweisen, dass er hier sein könnte, er ihn vielleicht vorher entdeckt hatte, geflohen war, alles für umsonst gewesen wäre, doch in dem Augenblick sah er ihn.

Aus einer Seitengasse kam ein Mann in einem dunkelgrauen Mantel und einem passenden Hut auf dem Kopf heraus, lief direkt zu der Brücke, neben die der rauchende Mann wartete, hatte diesen bisher noch nicht bemerkt.

Er setzte sich in Bewegung, folgte ihm mit einigen Metern Entfernung, wusste, es war nur eine Frage von Sekunden, bis er bemerkt werden würde, doch er verfolgte keinen Idioten. Er verfolgte jemanden, der gewappnet für solche Momente war, der aufmerksamer war als jede Person sonst, die er kannte, und tatsächlich drehte er sich in der Mitte der Brücke um, hatte eine Waffe auf ihn gerichtet und verengte die Augen, als er erkannte, wer vor ihm stand.

„Reed", begrüßte er ihn und dieser warf seine Zigarette zu Boden, blies noch einmal den Rauch raus und lächelte seinen älteren Bruder an. „Kellin."

„Wie hast du mich finden können?", fragte er, senkte die Waffe nicht, doch dass das hier keine willkommene Begegnung war, war spürbar.

„Ich habe lange gebraucht, willst du das Teil nicht senken? Wir wollen doch für keinen Ärger sorgen", sagte er, sah zu einem sich nähernden Polizeiauto und Kellin steckte die Waffe weg, behielt seinen Bruder genaustens im Blick.

„Was willst du? Du würdest mich nicht grundlos suchen!"

„Ich will Antworten, du schuldest mir so einige Antworten", sagte Reed abfällig, doch er war verärgert. Erst ließ er ihn vor fast 15 Jahren zurück, dann tauchte er auf, attackierte seine Partnerin, legte einen Bann auf beide und verschwand. Er verlangte Antworten zu diesen absonderlichen Beweggründen!

Seit Tagen hatte Reed nicht geschlafen, doch zu viel war geschehen und er würde nicht eher ruhen, bis alles wieder in Ordnung wäre. Alice hatte sich von ihm abgewandt, lief geradewegs in ihre eigene Verdammnis zu und das musste er verhindern, doch allein würde ihm das nicht gelingen. Er konnte sich Besseres vorstellen, als hier seinen Bruder aufzusuchen. Er könnte versuchen, Alice aufzusuchen und ihr erklären, dass er nicht mit ihr spielt, dass sie ihm vertrauen muss, aber leider war dieses Treffen hier zu wichtig.

„Ich schulde dir nichts!", sagte Kellin. „Wir zwei sind vielleicht durch Blut miteinander verwandt, doch alles andere ist belanglos. Ich erkenne dich nicht wieder und noch viel weniger vertraue ich dir."

„Sagst du?", fragte Reed, musterte ihn abwertend dabei. „Du bist verrückt geworden und geflohen und ich weiß auch wieso und genau deswegen antwortest du mir, denn es geht um Alice und ich verdiene es zu wissen, wenn sie in Gefahr ist!"

„Du bist doch derjenige, wegen dem sie in Gefahr ist. Hättest du sie in Ruhe gelassen, dann würde dem armen Mädchen nichts passieren. Wegen dir weiß er von ihr. Wegen dir wird Rowan sie jagen", lachte er, als wäre all das ein Scherz. „Deine Nähe, deine Pläne, alles, was du machst, es ist gefährlich! Du bist wie ein Todesomen, das sich an ihre Seite gehaftet hatte und sie mit in den dunklen Abgrund reißen wird."

„Ich würde ihr nie schaden, ich beschütze sie nur vor der Wahrheit, also rede! Wie viel zu der ganzen verdammten Angelegenheit wissen du und deine kleine Partnerin? Ich weiß, dass ihr nicht grundlos geflohen seid und dass ihr mehr wisst. Ihr habt euch sehr absonderlich damals benommen. Zu merkwürdig, selbst für deine Verhältnisse, Kellin."

„Du weißt, dass das kein geeigneter Ort zum Reden ist, Bruder", zischte Kellin, sah sich unwohl dabei um, doch Reed ließ sich nicht abwimmeln, er war für Antworten gekommen und er brauchte diese jetzt!

„Ihr beide beschuldigt mich, versucht Alice vor mir zu beschützen, ich habe so viel mittlerweile auch kapiert, doch ich bin nicht der Böse, vor dem sie Schutz braucht!"
„Ach nein? Wir haben das alles lange im Blick, wir wissen, was du planst."
„Und genau da irrt ihr euch, denn sage ich dir, wie es wirklich aussieht, dann wirst du auch anders über die Sache nachdenken", sagte Reed und sein Bruder zog die Stirn kraus, schien so seine Zweifel zu haben.

„Du willst das Gleichgewicht der Welt zerstören und dafür Alice töten."
„Nein, ich will nur Gerechtigkeit und dafür will ich Grace zurück!", sagte Reed eindringlich und sein Bruder schien zu kapieren. „Also hast du es herausgefunden... ich dachte ja, du würdest nie dahinterkommen. Malia hatte recht, dass du nicht so blöd bist. Ich habe dich wohl anders als sie für einen weitaus größeren Idioten gehalten."
„Ich habe noch ein paar Zweifel hier und da, aber ich weiß jetzt, was zu tun ist und ich denke, wir sollten uns endlich zusammentun, denn wir sollten unsere Karten offen auf den Tisch legen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, auch wenn du mir nicht vertraust, vertraue darauf, dass ich für meine Partnerin die ganze verdammte Welt in Asche legen würde", merkte Reed an und sein Bruder lächelte leicht, nicht gänzlich überzeugt von den Worten Reeds, doch es wurde tatsächlich Zeit, dass sie miteinander reden würden, über alles.

„Was ist dein Plan?"

„Alice trifft in wenigen Tagen den Hohen Rat und du weißt genauso gut wie ich, dass wir das nicht zulassen können, sie ihr schaden werden."

„Du solltest Alice da herausschaffen, wenn das Komitee kommt!"

„Leichter gesagt als getan, wenn sie im Quartier ist."

„Ich weiß, wovon ich rede", merkte Kellin an und reichte seinem Bruder die Waffe in seiner Hand. „Ich bin diesen Weg vor dir eingegangen und wenn du sie retten willst, ohne sie zu sehr als Zielscheibe für die anderen zu setzen, musst du harte Maßnahmen treffen."

„Ich soll sie mit derselben Waffe entführen wie du Malia?", fragte Reed, der die Waffe schmunzelnd begutachtete. Oh, sie würde ihm das niemals verzeihen, doch wenn ihre Ablehnung ihm gegenüber der Preis ist, den er zahlen muss, um ihr Leben zu retten, so würde er diesen bezahlen.

„Wenn du Antworten willst, ist das der einzige Weg, und ich denke, es ist an der Zeit, dass sie auch Antworten kriegt!"

Fortsetzung folgt in Buch 3


Wörter: 1237

Aloha :) Ich hoffe euch hat das Ende gefallen. Kellin und Reed vereint, ob das gut gehen kann? In ungefähr zwei Wochen geht es hoffentlich weiter und ich kann euch versprechen, in Buch 3 werden einige viele von euren Fragen bewantwortet werden. Ansonsten freut euch auf neue Bündnisse, viele Zeitreisen, Götter, Dramen und mehr xx


Avenoir| Band 2 [18+] ✓Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang