Kapitel 4

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Ich saß wieder in meinem leeren Zimmer. Ich hatte den ersten Schultag überstanden und saß jetzt an meinem Schreibtisch mit dem Kopf auf der Tischplatte, die Arme hingen nach unten.

Ich war nicht mehr gewöhnt den ganzen Tag zu lernen. Aber das war eine Normalität nach den Ferien. Ich blieb einige Minuten so sitzen, bevor ich mich aufraffte und meine Hausaufgaben machte. Ich redete mir selbst ein, dass wenn ich schneller fertig werden würde, dass ich dann schneller ins Bett könnte. Mein Kopf hob sich nur schwer. Ich holte meine Bücher aus der Tasche.

Meine Eltern hatte ich den ganzen Tag nicht gesehen und sie waren immer noch nicht zu Hause. Es machte mich traurig, dass meine Mutter nach der Schule nicht da war, um mich zu fragen, wie mein erster Tag war. Sie hatte mich nicht angelächelt und hatte mir auch kein Glas Orangensaft in die Hand gedrückt und mich gefragt, ob ich neue Freunde getroffen hatte. Denn sie war nicht da gewesen.Stattdessen saß ich alleine am Küchentisch und hatte ein Glas Leitungswasser getrunken, weil unser Kühlschrank immer noch leer war.

Ich schob die bedrückenden Gedanken beiseite und machte mich an die Arbeit.

Ich wurde aus meiner Konzentration gerissen, als ich ein Pochen an meiner Scheibe hörte. Ich stand auf, um nach zu schauen, was es war. Dabei konnte ich es mir fast denken. Draußen saß eine Krähe auf dem Schutzgeländer vor dem Fenster. Ich lächelte. Ich freute mich über Besuch. Oh mein Gott, jetzt klang ich schon, wie eine Oma, deren Enkel oder auch Kinder sie nie besuchten.

Ich öffnete das Fenster und sofort war siedrinnen. Es war eine weibliche Krähe.

„Hi.", sagte sie.

Mehr nicht. Ich stand da und wusste nicht so recht, was sie wollte. Ich schloss das Fenster vorläufig wieder, weil es langsam kalt wurde. Die Temperaturen waren immer noch nicht über 0 Grad.

Der Vogel schaute sich im Zimmer um, hüpfte herum, begutachtete meine Sachen und pickte sie auch neugierig an. Ich ließ sie einfach machen und setzte mich wieder an meinen Schreibtisch und beobachtete sie. Als das schwarze Tier fertig war drehte es sich zu mir um.

„Ich wollte dich einfach mal besuchen kommen."

„Aha."

Die Krähe hüpfte auf meinen Schreibtisch.

„Erzähl mir was von deiner alten Heimat. Wie waren die Krähen dort?"

Sie war heute anscheinend nicht dabei gewesen, und jetzt, wo ich darüber nachdachte, hatte ich sie auch nicht gesehen. Ich lächelte wieder und erzählte ihr von den zwei Welten und den Schwierigkeiten, die ich hatte in beiden zurechtkommen zu müssen. Sie hatte ihren Kopf schräg gelegt und hörte mir aufmerksam zu. Wir kamen in ein Gespräch über Brot. Klingt komisch, aber da ich mehr von Krähen aufgezogen wurde, als von Menschen hatte ich eine Vorliebe für Brot entwickelt. Irgendwann kannte ich auch ihren Namen. Annie. So ungefähr jedenfalls. Wie gesagt, man kann Krähennamen nicht wirklich aussprechen.

Sie erzählte mir noch die besten fünf Krähenwitze, bevor sie wieder ging. Ich beendete meine Hausaufgaben um ein Uhr nachts und war zufrieden mit mir. Nachdem ich den Wecker gestellt hatte, legte ich mich auf mein Bett. Es war noch mein Kinderbett und eigentlich schon zu klein. Aber das hatte mir nie etwas ausgemacht. Deshalb hingen meine Füße hinten raus. Und so lag ich noch etwas wach und dachte über den heutigen Tag nach.

Ich wurde von einem schrillen Pfeifen geweckt. Meine Augen öffneten sich, aber ich konnte fast nichts sehen, weil der Schlaf noch in ihnen festhing. Ich hob die rechte Hand und rieb mir ausgiebig die Augen. Dann schlug ich mit voller Wucht auf meinen Wecker und ließ meine Hand wieder schlaff neben mir fallen. Ich schloss die Augen wieder, bevor mir der Gedanke durch den Kopf schoss, dass ein Frühstück vor dem Unterricht nicht schlecht wäre. Ich hatte ja am Vortag kaum etwas gegessen.

CrowboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt