Woke Up A Rebel

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1 Woke Up A Rebel (Titel by Reuben And The Dark) 

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18. Februar 2021

"Bitte! Bitte Jay! Jay! Schau mich an!" Er hätte nichts lieber getan als das, aber er konnte nicht. Seine Lider waren viel zu schwer und zu geschwollen, fühlten sich beinahe so an als seien sie gar zusammen genäht, und sein Kopf schien auf die doppelte Größe angewachsen zu sein.

Wenn er einen guten Tipp hätte abgeben sollen, dann hatte er mindestens eine Gehirnerschütterung, vielleicht sogar noch ernsthaftere Kopfverletzungen.

Die gestellte Aufgabe schien absolut unmöglich, auch wenn er wusste, dass wenn er es tatsächlich schaffen würde seine Augen zu öffnen, er in seine allerliebsten, expressiven, blauen Pupillen blicken würde, mit den längsten Wimpern.

Augen die sein Dreh- und Angelpunkt waren, normalerweise voller Feuer und Leidenschaft, so voller Leben. Voller Versprechungen, dass alles gut werden würde. Nur, als er das letzte Mal Blickkontakt mit ihnen gehabt hatte, war alles was er darin gesehen hatte vernichtende Angst, Schock und Panik gewesen. Er hatte sie ihr so unbedingt nehmen wollen.

Aber jetzt? Er driftete immer weiter und weiter ab, nur leichte Bewusstseinswellen spülten ihn hin und wieder an die Oberfläche, die ihn nur marginal mit der Außenwelt in Verbindung hielten.

In der einen Minute tat ihm jeder Muskel und jeder Knochen in seinem Körper so weh, dass er laut aufschreien wollte, und er spürte definitiv ein warmes, klebriges Rinnsal seine Schläfe hinunterlaufen. In der nächsten fühlte er absolut nichts, als ob er unter Wasser ertränke, und ein leises dröhnendes Summen in seinen Ohren brachte alles um ihn herum zum Verstummen. In diesen Minuten empfand er beinahe so etwas wie Frieden.

Es fiel ihm schwer tiefer zu atmen und er wusste, dass es wahrscheinlich dem geschuldet war, dass eine gebrochene Rippe seine Lunge durchbohrte. Wahrscheinlich eine von vielen gebrochenen Rippen. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob diese erbärmlichen, keuchenden Laute tatsächlich aus seinem Mund kamen, oder aus dem eines Anderen.

Es war schwer zu sagen, irgendwie fühlte es sich unwirklich an. Entweder machten die Gedanken in seinem Kopf keinen Sinn, oder er war zu müde, um sie zu entschlüsseln. Er konnte kaum sagen wann er sich das letzte Mal so vollkommen erledigt gefühlt hatte. Wieder war da dieser Sound, der durch die Decke aus purem Nichts um ihn herum, zu ihm drang: "Jay! Baby, du darfst nicht sterben! Du kannst einfach nicht sterben! Das geht nicht! Wir... Ich brauche dich!"

Jemand rüttelte ihn und zog ihn hoch. Die kleinen Erschütterungen ließen den Schmerz in seinem Kopf wieder aufflammen. Jemand stöhnte. War er das gewesen? Er fühlte sich wie eine Marionette, die absolut keine Kontrolle besaß. Es gab nichts was er tun, nichts was er antworten konnte, auch wenn ein kleiner Teil von ihm wusste, dass sie dringend etwas brauchte, an dem sie sich festhalten konnte. Für sie da zu sein, das war alles was er je gewollt hatte, und jetzt sah es ganz danach aus, als ob er grandios daran scheitern würde.

Sie hätte sich komplett von ihm fern halten sollen, gleich zu Anfang, denn scheinbar war er verflucht. Er hatte doch nur helfen wollen, sie beschützen, seine Familie, aber er hatte es nur schlimmer gemacht. So viel schlimmer... Sein einziger Trost war, dass, wenn er tatsächlich starb, die Arme, die ihn hielten, die einzigen Arme waren in denen er jemals sterben wollte. Sie gehörten ohne Zweifel zu ihr. Er würde ihre Umarmung in jeder möglichen und unmöglichen Verfassung erkennen, halb bei Bewusstsein oder gar bewusstlos. Er wollte ihre Umarmung erwidern, ihr zeigen, dass er ihre Anwesenheit und ihre Wärme spürte, dass er sein Bestes gab nicht aufzugeben und sie nicht verlassen wollte, um sie noch einmal zu spüren, aber keine Chance: Er hatte nicht die Kraft dazu. Für den kleinen Teil von ihm, der noch sehr wohl am Leben war, fühlte sich dieser geschwächte und geschändete Körper wie ein Gefängnis an. Wenn es ihm möglich gewesen wäre sich für mehr als fünf Sekunden zu konzentrieren, wäre er ziemlich unzufrieden mit sich selber gewesen. Etwas tropfte auf sein Gesicht, etwas Lauwarmes, wie ein Regentropfen. Oder war das noch mehr Blut? Tränen?"Ich bin hier, Jay! Du bist nicht alleine!" Hätte er seine Gesichtszüge kontrollieren können, so hätte er gelächelt. Diese Worte wiederholte er normalerweise, wenn er es mit Opfern zu tun hatte. Opfern, die es vielleicht nicht schafften, Opfer mit wild sprudelnden Schusswunden oder Messerstichen, die unter extremem Blutverlust litten. Also insgesamt eher hoffnungslose Fälle.Worte, die er zu seinen Soldatengenossen in Afghanistan gesagt hatte, während sie in seinen Armen gestorben waren. Worte, die sie ihm in der militärischen Ausbildung und auch auf der Polizeischule eingetrichtert hatten. Es war so paradox. Scheinbar war er dieses Mal der hoffnungslose Fall. Diese Worte fühlten sich erstaunlicherweise sehr tröstlich an, auch wenn die Stimme, die sie immer und immer wieder sagte, so klang als wäre sie meilenweit entfernt.

Beautiful Crime (German Version)Where stories live. Discover now